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Raed Saleh: Am Dienstag erscheint sein Buch „Ich deutsch“ – ein Plädoyer für eine neue Leitkultur.

© Jens Jeske/imago

Berliner SPD-Fraktionschef: Kontroverse Reaktionen auf Salehs Leitkultur-Buch

Erst am Dienstag erscheint Raed Salehs Buch "Ich deutsch". Doch schon jetzt gibt es Widerspruch - etwa von Heinz Buschkowsky.

Regulär im Buchhandel erscheint das Buch „Ich deutsch“ von Raed Saleh erst am heutigen Dienstag. Doch durch Vorabdrucke und Interviews des SPD-Fraktionsvorsitzenden am Wochenende provozieren seine Thesen zur Leitkultur bereits vor Veröffentlichung kontroverse Diskussionen im politischen Berlin.

„Ich finde es gut, dass er als Migrant und Linker diese Debatte anstößt – gerade in Berlin haben wir die bitter notwendig“, sagt der Vorsitzende der Berliner Grünen, Werner Graf. Ihm missfalle allerdings der Begriff einer „Leitkultur“, weil er nicht gelenkt werden wolle. Entscheidend sei die Frage, wer zu Gesellschaft gehöre. Neben Muslimen, wie Saleh es betont hatte, seien dies explizit auch Frauen, Homosexuelle, Behinderte und ethnische Minderheiten.

"Kalendersprüche in der Poesie eines Backfisches"

Kritischer äußert sich der ehemalige Bürgermeister aus Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), der sich bereits vor Jahren in seinem Buch „Neukölln ist überall“ mit Problemen bei der Integration von Migranten beschäftigt hatte. Salehs Forderung, Migranten müssten die Gesellschaft, in der sie leben, zu ihrer Gesellschaft machen, sei zwar richtig, aber für ihn keine Neuigkeit. Kritik übt er am Stil des Buchs: „Was ich bisher gelesen habe waren en masse Kalendersprüche in der Poesie eines Backfisches.“ Auch inhaltlich kritisiert Buschkowsky seinen Parteifreund, für dessen These, der Sozialstaat gehöre zur deutschen Leitkultur. „Zur Leitkultur kann lediglich das Streben nach Gerechtigkeit gehören.“

Seyran Ates, deutsch-türkische Frauenrechtlerin und Gründerin einer liberalen Moschee in Berlin, äußert zwar Zustimmung zu Salehs Thesen, betonte aber ebenfalls, dass sie „nichts Neues“ in dessen Buch erkennen könne. „Gerade von einem Politiker erwarte ich konkrete Vorschläge zur Bekämpfung des islamistischen Terrors, ein Konzept für eine Einwanderungsgesellschaft und für ein gerechteres Bildungssystem.“

Ates wird seit der Gründung ihrer Moschee in Moabit vor einem Monat von konservativen Muslimen angefeindet. Mehr als 100 Morddrohungen hat sie inzwischen erhalten, sie steht unter permanenten Polizeischutz. „Anhand des Gegenwinds kann man sehen, dass sich hier in den letzten Jahren ein rückwärts gewandter Islam etabliert hat“, sagt Ates und widerspricht damit Salehs Beobachtung, deutsche Muslime seien überwiegend aufgeklärt, tolerant und stünden hinter den Menschenrechten.

Honorar für "einen guten Zweck"

„Wirklichkeitsfremd“ lautet das Urteil des Berliner Vorsitzenden der AfD, Georg Pazderski. Er kritisiert, eine der einheimischen Kultur gleichstellte „Ideologie des Multikulturalismus“ gefährde den sozialen Frieden und „den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“.

Eine besondere Breitseite feuert Stefan Evers, Generalsekretär der CDU, am Montagmittag via Pressemitteilung ab. Er weist darauf hin, dass Markus Frenzel, SPD-Fraktionssprecher und Leiter des Büros von Saleh, Ko-Autor des Buches sei. Evers forderte Saleh auf, klarzustellen, in welchem Umfang Frenzel an dem Buch beteiligt gewesen sei. „Es darf außerdem nicht der Eindruck entstehen, das Buch sei missbräuchlich aus Steuermitteln finanziert worden“, sagte Evers.

Saleh und Frenzel waren am Montag nicht zu erreichen. Saleh will am Abend vor der Dresdener Frauenkirche sein Buch vorstellen. Rückendeckung bekam er vom Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Thorsten Schneider. Die Fraktion habe Frenzel eine Nebentätigkeitserlaubnis außerhalb der Dienstzeit erteilt und eine Abschirmung von Fraktionsmitteln garantiert. Auch Saleh habe die Verwaltung des Abgeordnetenhaus über seine publizistische Tätigkeit informiert. Im Übrigen werde Saleh das Honorar nicht „selbst vereinnahmen, sondern vollständig einem guten Zweck zuführen.“

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