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Darf vorerst Staatssekretär in Berlin bleiben: Andrej Holm.

© Rainer Jensen/dpa

Berliner Staatssekretär mit Stasi-Biografie: Andrej Holm sollte von sich aus zurücktreten

Rot-Rot-Grün hält vorerst an Andrej Holm als Staatssekretär fest. Das ist falsch. Nicht wegen Holms Stasi-Vergangenheit. Sein Umgang damit hat seine Glaubwürdigkeit beschädigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Ide

Nach einer Woche die erste Regierungskrise – das schafft nicht jeder Senat. Am Freitagabend traf sich Berlins neue rot-rot-grüne Koalition zu einem nervenaufreibenden Notgipfel im Rathaus. Kurz vor Mitternacht gab sie eine Entscheidung bekannt, die den vermurksten Start noch mehr vermurksen dürfte. Andrej Holm darf vorerst weiter Staatsekretär für Wohnen bleiben, die Linke wollte ihren umstrittenen Kandidaten trotz seiner beschädigten Glaubwürdigkeit nicht aus dem Amt nehmen, das er erst seit drei Tagen inne hat. Die Kombination aus Abwiegeln (Die Linke) und Abwarten (der Regierende Bürgermeister Michael Müller) wird damit fortgesetzt. Zumindest bis zur nächsten Enthüllung über Holms Vergangenheit.

Im Fall Andrej Holm geht es ja längst nicht mehr darum, dass der parteilose Staatssekretär als junger Mann in der Spätphase der DDR zur Stasi gegangen war. Das hätte durchaus ein Kriterium sein können (vielleicht sein sollen), ihn gar nicht erst zu nominieren, wie es Vertreter von DDR-Opfern gleich gefordert haben und wie es etwa in Brandenburg oder Thüringen auch geschehen wäre. Aber natürlich ist auch Vergebung möglich 27 Jahre nach dem Systemwechsel – sie setzt aber Ehrlichkeit voraus.

Holms Umgang mit sich selbst hat immer mehr Zweifel geweckt: Ist ein Mann, der von sich behauptet, offen mit seiner Biografie umzugehen, sich aber angeblich nicht daran erinnern kann, dass er hauptamtlich für die DDR-Geheimdienstpolizei tätig war; ist ein Stadtsoziologe, der bei seiner Einstellung an der Humboldt-Universität nachweislich nicht die Wahrheit über seine Biografie gesagt hat; ist ein Politiker, der nach Presseveröffentlichungen seinen Lebenslauf korrigieren muss – ist so jemand charakterlich geeignet für ein hohes Staatsamt?

Diese Frage lässt sich unabhängig von Holms Vergangenheit, die sinnbildlich für die vielfältigen Vergangenheiten in der einst geteilten deutschen Hauptstadt steht, beantworten: mit Nein. Andrej Holm hätte zurücktreten sollen – und er sollte es weiterhin tun. Nicht, weil er bei der Stasi war. Sondern weil er nicht glaubwürdig ist.

Michael Müller hat sich selbst ins Dilemma manövriert

Politisch ist die Debatte um die Vergangenheit ganz gegenwärtig. Fragen werden bleiben, die über den Fall hinausgehen und die mühsam austarierte Statik des rot-rot-grünen Bündnisses berühren. Warum hat die linke Bausenatorin Katrin Lompscher ihren Kandidaten Holm überhaupt durchgedrückt, obwohl sie mit einer heftigen Debatte rechnen musste, sobald seine Stasi-Vergangenheit ans Licht der großen Stadtöffentlichkeit kommt? Weshalb hat sich die Linke – gerade im Angesicht der eigenen Vergangenheit als Nach-Nach-Nachfolgerin der DDR-Staatspartei SED – nicht ausreichend auf die anstehenden Fragen der Öffentlichkeit und der Koalitionspartner vorbereitet? Und weshalb hat sie an Holm festgehalten und belastet mit dieser Personalie nun weiter die Glaubwürdigkeit der gesamten Koalition?

Und, auch das ist zu diskutieren: Wieso hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) so lange geschwiegen, bis er sich selbst in ein Dilemma manövriert hatte? In der Krisennacht stand Müller vor der Wahl, entweder seine SPD zu brüskieren, aus der schon erste Rücktrittsforderungen an Holm laut wurden, oder die mühsam ausgehandelte Koalition mit einer offenbar hartleibigen Linken. Das rot-rot-grüne Bündnis muss im Landes-Berlin funktionieren, weil es im Bundes-Berlin die letzte Machtoption der SPD im Wahlkampf ist. Dazu muss man sich nicht nur redlich bemühen, sondern redlich regieren. Angefangen beim Personal.

Berlin braucht schnell eine handlungsfähige Regierung, die die wachsenden Probleme der wachsenden Stadt angeht. Und die die Wachstumsschmerzen gerade auf dem Wohnungsmarkt lindert. Nun belastet sich die Koalition weiter mit einem Staatssekretär mit angeschlagener Glaubwürdigkeit – und steht sich damit selbst im Weg.

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