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Die Mieten in der Berliner Innenstadt steigen ausnahmslos.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Stadtentwicklung: Gebaut wird viel – aber nicht für alle

Die Zahl der Baugenehmigungen war 2011 auf Rekordhöhe. Kleine kostengünstige Wohnungen bleiben aber Mangelware. Der Senat will den angekündigten Stadtentwicklungsplan „Wohnen“ erst im Sommer 2013 beschließen.

Der Wohnungsbau in Berlin boomt nach Jahren der Stagnation – doch nur im Hochpreissegment. In diesem Bereich wurde 2011 der Bau von 7500 Wohnungen genehmigt, bestätigt Reiner Nagel, Abteilungsleiter bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Ein Konzept für den Bau von dringend benötigten preisgünstigen Wohnungen steht dagegen noch aus. Der neue Stadtentwicklungsplan Wohnen, dessen Erarbeitung der Senat beschlossen hat, wird noch mehr als ein Jahr auf sich warten lassen.

Die Koalition von SPD und CDU plant den Bau von jährlich 6000 Wohnungen. Bei 130 000 zusätzlichen Haushalten, mit deren Entstehung bis 2020 in der Hauptstadt gerechnet wird, sei das „ein Minimum dessen, was benötigt wird“, sagte Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU), am Mittwochabend vor rund 400 Besuchern bei einer Veranstaltung der Architektenkammer und des Tagesspiegels in der Urania zu der Frage: „Was hilft Berlins Mietern?“

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Bei den Bestandskaltmieten liegt die Stadt mit durchschnittlich 5,21 Euro pro Quadratmeter (bei den BBU-Gesellschaften nur 4,91 Euro) eher auf Kleinstadtniveau. Dafür verdienen die Berliner aber auch rund 30 Prozent weniger als die Münchener, betont Rainer Wild, Geschäftsführer des Mietervereins. Und bei Neuvermietungen steigt der Satz schon auf 6,50 Euro und mehr. Neubauwohnungen sind kaum unter neun Euro zu haben und damit für Familien mit geringem Einkommen unbezahlbar. Der rot-schwarze Senat plant die verbilligte oder kostenlose Bereitstellung landeseigener Grundstücke – dies wirke sich aber nur geringfügig aus, waren sich die Experten in der Urania einig. Auch Reiner Nagel, Abteilungsleiter der Stadtentwicklungsverwaltung, erwartet, dass dadurch die Miete nur um 50 Cent bis einen Euro pro Quadratmeter sinke.

Die teuren Neubauten für Gutverdienende entlasten den Wohnungsmarkt nur begrenzt, betonte der Mietervereins-Geschäftsführer Rainer Wild. Auf die Haushalte mit niedrigem Einkommen werde sich dieser oft angeführte „Sickereffekt“ nicht auswirken. Wild fordert, dass von den erwarteten 6000 bis 10 000 Neubauwohnungen pro Jahr mindestens 2000 bis 3000 Mietern mit Wohnberechtigungsschein vorbehalten werden.

Eine schnelle Lösung konnte Senatsvertreter Nagel nicht versprechen. Am 21. Mai bittet Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zur Auftaktveranstaltung der Bürgerbeteiligung am neuen Stadtentwicklungsplan Wohnen. Bis zum Jahresende sollen dessen Grundlagen erarbeitet werden, Mitte 2013 dann ein Senatsbeschluss erfolgen. Bis dahin erhofft sich Nagel auch eine Antwort auf die Frage, „wie man es schafft, für das mittlere und untere Segment Neubauten zu errichten.“

Ein Weg könnte sein, Bauherren zu verpflichten, in Neubauten eine anteilige Belegungsbindung für geringverdienende Mieter mit niedrigeren Mieten zu akzeptieren. Dies werde bereits in anderen Städten wie München praktiziert. Ein wesentlicher Grund, der den Bau von preisgünstigen Wohnungen verhindert, seien überzogene Energiespar- und Schallschutz-Verordnungen, kritisierte Architekt Tobias Nöfer. „Wir haben eine Explosion von teilweise irrsinnigen Vorschriften“, bestätigt BBU-Vorständlerin Maren Kern. Neubauten können deshalb von BBU-Mitgliedern nur zu Kaltmieten zwischen 8,50 und zehn Euro pro Quadratmeter errichtet werden. Als kostengünstig gelte dagegen eine Quadratmetermiete von unter sechs Euro. Vom Senat gebe es noch keinen Vorschlag, wie diese Lücke zu schließen sei. Der Verband fordert etwa zinsgünstige Darlehen, aber auch eine Leitstelle des Landes, die „Vorfahrt für den Wohnungsbau“ gewährleistet.

Eine Lösung könnten kleinere Wohnungen sein. Laut Maren Kern hat sich die Wohnfläche pro Mieter seit den 90er Jahren auf jetzt 38 Quadratmeter verdoppelt. „Wir müssen überlegen, ob wir uns das in der Innenstadt leisten können“, sagte auch Senatsvertreter Reiner Nagel. Über intelligente Grundrisse lasse sich vergleichbare Wohnqualität auf weniger Fläche erreichen. „Man kann auch 20 Euro pro Quadratmeter zahlen, wenn man auf 25 Quadratmetern wohnt“, meint Architekt Nöfer.

Schon jetzt werden die Flächen in begehrten Innenstadtlagen knapp. BBU-Vorständlerin Kern hält langfristig auch den Bau von Siedlungen am Stadtrand für realistisch. Den von ihr geforderten Wohnungsbau auf dem Areal des Flughafens Tegel lehnt Reiner Nagel aber ab. Rainer Wild fordert die Aktivierung von Wohnraum, der nicht entsprechend genutzt wird. Die mehr als 10 000 Ferienwohnungen empfindet auch Nagel als „ärgerlich“. Dagegen vorzugehen ist oft schwierig, so unterlag das Land kürzlich in einem konkreten Fall vor Gericht. Mit Zweckentfremdungsverordnungen will man versuchen, das Problem der Ferienwohnungen in den Griff zu bekommen. Manchmal würde auch ein Hinweis an das Finanzamt reichen.

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