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Schaustelle Berlin Mitte: Von der Terrasse der Humboldt-Box behält man den Überblick.

© Tsp

Berliner Stadtschloss: Aus dem Gröbsten raus

Während noch immer über die Form des Stadtschlosses diskutiert wird, schieben sich seine Mauern langsam in die Höhe. Die Humboldt-Box lockt als idealer Ausguck auf diese Schaustelle.

Na, da hat es aber einer eilig gehabt, ins Wochenende zu kommen. Ein einsamer gelber Bauhelm auf weiter Flur, mitten auf einem großflächigen Eisengeflecht liegengelassen, dem Innenleben einer künftigen Stahlbetondecke im Nordflügel des Stadtschlosses. In der Nähe treibt der Wind weiße Papierbögen vor sich her. Doch nicht etwa Baupläne? Vielleicht genau die, die am Montagmorgen benötigt werden, wenn es weitergeht auf der Riesenbaustelle in Berlins alter Mitte?

Nebenan, direkt an der Spree, lärmen noch die Baumaschinen, obwohl der Nachmittag dieses sonnigen Vorfrühlingstages schon weit vorangeschritten ist. Das sind die Tunnelbauer der U-Bahn, die Kräne auf der Schlossbaustelle dagegen, vier gelb, zwei rot, stehen seit Stunden still.

Die Debatte dreht sich hier nicht um den köchelnden Architekturstreit

Ein verwirrender Anblick, hier oben von der fünften Etage der Humboldt-Box: ein Riesenrechteck, für den Laien labyrinthisch strukturiert, hier mehr Baustofflager, dort voranschreitender Rohbau, nackte Wände oder auch noch gar keine, keineswegs ein homogen an allen Ecken und Kanten in gleicher Schnelligkeit emporwachsendes Gebilde, dazwischen Baugerät, bündelweise dünne Eisenstangen, darauf wartend, zurechtgebogen und in Beton gegossen zu werden. Es ist wohl dieses scheinbar asynchrone Wachsen, das die Gegner des Entwurfs von Franco Stella zu der Idee verleitet hat, den modernistischen Ostflügel ganz wegzulassen und, einem Vorschlag des Architekten Stephan Braunfels folgend, den historischen Grundriss über den Haufen zu werfen und aus dem eckigen O ein U zu machen.

Aber die feuchtfröhliche Debatte, die an einigen zusammengeschobenen Tischen im Außenbereich des Café-Restaurants Humboldt-Terrassen von einer mit Bier wohlversorgten Herrenrunde geführt wird, dreht sich hörbar nicht um den vor sich hin köchelnden Architekturstreit. Und auch die beiden älteren Herren, die sich bequem auf die Reling des Ausgucks aufs Schloss lehnen, interessiert jetzt mehr die Frage, was sich wohl im ehemaligen Staatsratsgebäude befinden mag. Zwei Geldgeber des Schlossneubaus, wie sich herausstellt, „bei der Bauabnahme“, wie der eine ulkt.

Es sind nicht gerade Schlangen wie zu MoMA-Zeiten

Beide kommen sie aus Mecklenburg-Vorpommern, aus Schwerin der 66-jährige Hans Graf, aus der Gemeinde Dabel der drei Jahre jüngere Hans-Georg Becker – und beide haben sie fürs Schloss gespendet, kommen alle paar Monate her, um den Baufortschritt zu begutachten, der sie im Übrigen sehr zufrieden stimmt. Was ausgerechnet sie so beharrlich nach Berlin und zu seinem Schloss zieht? Das Interesse an Geschichte, besonders an der Preußens, erklären sie, und weil das Schloss einfach so gut hineinpasse in die Stadt. Für die nächsten Tage haben sie sich noch ein neues Schloss vorgenommen – in Potsdam.

Es sind nicht gerade Schlangen wie zu MoMA-Zeiten, die sich, begrüßt von einer Kopie der Borussia aus dem Schlüterhof des alten Schlosses, an diesem Samstagnachmittag an der Kasse der Humboldt-Box einfinden, aber ein steter Zustrom ist es doch – Junge, Alte, Familien, Gruppen, Berliner und Touristen, alles bunt gemischt, wie Marc Schnurbus, vom Förderverein zur Betreuung der Besucher angestellt, bilanziert. Gerade hat er eine Führung hinter sich, eine kenntnisreiche Werbetour um Sympathie für den Neubau, spontan entstanden, für die man sich aber auch gezielt anmelden kann. Leute aus Hamburg, München, Lippstadt seien dabei gewesen, berichtet er, schwärmt von den 2828 Bildhauerstücken, die anzufertigen seien, weist noch schnell auf den Shuttle-Bus zur Spandauer Schlossbauhütte hin, wo die Figuren, Kapitelle und anderes in Stein gemeißelt werden, derzeit die gute alte Borussia.

Es scheint einige Stammgäste zu geben

Auch ein Ehepaar aus Zella-Mehlis in Thüringen hat es hergelockt, begleitet von ihrer Berliner Freundin, die schon mehrfach hier war, wie es ohnehin einige Stammgäste zu geben scheint. Ältere Paare wie Gudrun Rinke und Helmut Reichert aus Schöneweide. Schon in der ersten Etage zückt die zierliche weißhaarige Dame ihre Digitalkamera, will die vor ihr aufragenden kahlen Betonwände dokumentieren. Seit man die Kellerreste des alten Schlosses ausgebuddelt hat, ist sie regelmäßig gekommen, um zu fotografieren, gespannt auf den Baufortschritt. Der Maßstab auch für sie: Potsdams Schloss. Doch auch Box-Neulinge trifft man, eine junge Berlinerin etwa, mit ihrem finnischen Bekannten zu Gast in der Schaustelle. Jeden Tag fährt sie mit dem Rad daran vorüber. Jetzt wollte sie Box und Baustelle endlich mal von Nahem sehen.

Die Humboldt-Box ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Sonderaktion bis 28. Februar: 2 Euro pro Ticket.

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