zum Hauptinhalt
Alles für die Macht.

© picture-alliance/ dpa

Berliner Vergangenheit: Mit aller Macht

Drei neue Bücher dokumentieren den Weg zum „braunen Berlin“. Verleger Wieland Giebel zeigt darin viele seltene Dokumente.

Berlin - Es muss so feierlich-pathetisch wie gespenstisch gewesen sein, damals, in der Nacht vom 22. zum 23. September 1923: „Zwei Männer trugen die auseinandergenommene Fahnenstange unter ihren Mänteln, ein dritter verbarg das Tuch unter seinem Hemd. In langer Reihe, Mann hinter Mann, marschierten zwei Gruppen. Ein verlassener Stollen des Rüdersdorfer Bergwerkes war das Ziel. Tiefer als die tiefste See ist die Liebe der Männer, die hier im Fels den Rütlischwur leisten wollen: für Deutschland, für ihren Führer.“ 90 Jahre später versucht die rückblickende Darstellung der ersten „Fahnenweihe“ der (damals verbotenen) NSDAP in Berlin, die Wurzeln zu ergründen, die jene „Bewegung“ in der Hauptstadt hatte.

„Die Konfrontation mit Dokumenten dieser Art ist mir sehr nahe gegangen“, sagt der Herausgeber Wieland Giebel bei der Vorstellung von drei neuen Publikationen des Berlin Story Verlages, die Teil des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt – Berlin von 1933 bis 1945“ sind. Es wurden, jedes für sich, bemerkenswerte Bücher, quasi schwarz auf weiß gedruckte Bestätigungen der Worte von Kulturstaatsekretär André Schmitz, dass es ohne Erinnerung keine Zukunft gibt. „Wir wollen zeigen, wie der Prozess der Ausgrenzung verlief, wie viel Berlin durch die zerstörte Vielfalt verloren hat und bis heute schmerzlich vermisst“.

„Das braune Berlin“ ist eine Sammlung von Dokumenten, Reden, Artikeln und zeitgenössischen Berichten aus den Jahren 1920 bis 1933, die Adolf Hitlers „Kampf um die Reichshauptstadt“ dokumentieren. Akribisch hat sie der Historiker Sven Felix Kellerhoff gesammelt. Politische, lokale und statistische Quellen (wie eine Übersicht der Wahlergebnisse 1921 bis 1933) sind die Grundlage einer manchmal schwer zu ertragenden, aber hochspannenden Zeitreise in die Gegenwart unserer Eltern und Großeltern: „Wie konnte es geschehen?“, ist oft genug gefragt worden. Hier ist ein Teil der Antwort, in Hitler-Reden und -Schriften und in den Tagebüchern Joseph Goebbels, die wir Heutige mit den Augen der Opfer jener Verbrecher in den braunen Uniformen lesen: Das, was sie angerichtet haben, hat diese Stadt, das Land und große Teile der Welt verändert. Ihre Raffinesse, ihre Tricks zur Manipulation, Terror, Demagogie und ihre Eroberungen begannen mit dem Marsch auf Berlin – und die Volksmassen folgten den falschen Führern.

„Man bekommt Verständnis, aber kein Verstehen“, sagt der Historiker Laurenz Demps, hier begegnet man den Nazis im Original, und eine politisch wache und reife Leserschaft im freiheitlich-demokratischen Deutschland und seiner attraktiven, lange von Teilung gebeutelten Hauptstadt wird diese Konfrontation nicht als gewagt empfinden.

Goebbels nannte Berlin „die Stadt der Intelligenz und des Asphalts“, und er bastelte seinem Führer im Jahr 1933 ein propagandistisches Fotobuch zusammen, nannte es „Das erwachende Berlin“. Der kommentierte Nachdruck mit Collagen aus mehr als 600 Bildern zeigt, wie mit Terror, Totschlag und Propaganda der Kampf um die Macht geführt wurde, wie „SA und NSDAP den jüdisch-bolschewistischen Sumpf der verlorenen Hauptstadt Berlin trockenlegen“ wollten, so Goebbels. Die dritte Publikation ist fünfsprachig und zeigt „Hitlers Terror in Berlin - die braune Gewalt in Bildern“. Fotos von SA-Schlägern, von arischen Models, von der geplanten „Welthauptstadt Germania“ bis zum Zusammenbruch: Das braune Berlin war zur grauen Steinwüste geworden.

„Das braune Berlin“, 24,95 Euro, „Goebbels’ Propaganda“, 19,80 Euro, „Hitlers Terror in Berlin“, 9,80 Euro, alle sind im Berlin Story Verlag erschienen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false