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Zuhause. Jedenfalls für die Bewohner. Für ihre Vermieter ist es Anlageobjekt.

© Thilo Rückeis

Berliner Vermieter: Dein Haus gehört mir

Die Renditen? Klein. Das Image? Mies. Sanierung ohne Teuerung? Für Private kaum machbar. Viele Vermieter versuchen, Markt und Menschlichkeit dennoch zu verbinden. Der knapper werdende Wohnraum stellt auch sie vor Herausforderungen.

PROLOG

Der alte Herr mit dem karierten Hemd hat ein Haus und ein Problem: nicht mehr alle Bretter im Schrank. Genau genommen hat er gar keinen Schrank mehr, sondern nur noch zwei Schranktüren, den ganzen Rest – Schrauben, Bretter, Wände – hat seine letzte Mieterin einfach mitgenommen, als sie vor einigen Wochen auszog, und deshalb ist der alte Mann jetzt hier, in der Wilmersdorfer Geschäftsstelle von „Haus und Grund“, in der Lietzenburger Straße, zur Rechtsberatung.

„Das geht doch nicht“, sagt der Mann, der seine Bretter zurückhaben möchte, und ob man die Bretterdiebin nicht vor Gericht bringen könnte. Das sei schwierig, sagt der hiesige Haus-und-Grund-Vorsitzende Wolfgang Becker, denn dann müsse der Vermieter dem Richter genau sagen können, wie die Bretter aussahen, die jetzt fehlen, und Fotos von ihnen habe er wohl keine gemacht.

Das stimmt, sagt der alte Mann, und so beschließen die zwei, der Mieterin einen Brief zu schreiben, dass sie bitte schön die Bretter zurückbringen möge, und der alte Mann geht und hinterlässt einen schönen Eindruck davon, was das bedeuten kann: in Berlin Hausbesitzer zu sein. Die Kämpfe von Kiezbewohnern und Großinvestoren, die Geschichten von en bloc gekauften und in Eigentum verwandelten Häuserzeilen, die Diskussionen um Mietwucher und Gentrifizierung, der Zorn auf im Netz verrufene Firmen wie Taekker Immobilien oder Franell Consulting, die für diesen Text nicht mit uns reden wollten, könnten ferner nicht sein. Besitzen heißt hier: Bretter suchen.

Dies ist eine Geschichte über Vermieter. Über Menschen und Unternehmen, deren Image sich in letzter Zeit irgendwo zwischen Erpresser und Drückerkolonne eingependelt hat. Was denken sie über steigende Mieten? Welche Verantwortung sehen sie für die Menschen, die in ihren Häusern wohnen? Und wie fühlt es sich eigentlich an – ein Feindbild zu sein?

DIE ALTEN

„Estote fortes – seid stark“ heißt im Internet das Motto der Wilmersdorfer Vermieter von „Haus und Grund“. Es ist ein Slogan wie geschaffen für eine Ordensburg kraftstrotzender Hausbesitzer aus dem feinen Westen. Es ist ein Slogan, der leicht irritiert, wenn man schließlich vor der Geschäftsstelle steht, ein in die Jahre gekommener Hinterhof, an der Straße der gute, alte Jägerzaun, die Eingangstür mit Milchglasscheibe, dahinter geklöppelte Gardinen.

Was die Diskussionen um Großinvestoren aus der ganzen Welt gerne vergessen lassen: Ein wesentlicher Anteil, rund 400 000 der insgesamt knapp 1,9 Millionen Berliner Wohnungen, gehört nach wie vor privaten Kleinanlegern, schätzen Experten. Menschen, die vielleicht eine Wohnung vermieten, vielleicht auch ein paar Häuser. Wie viele dieser kleinen Fische, die zusammengenommen einen großen Schwarm ergeben, es auf dem Berliner Wohnungsmarkt gibt, weiß niemand genau, eine umfassende Statistik über die Besitzverhältnisse gibt es nicht.

Was man weiß: Rund 7 500 der privaten Besitzer sind Mitglied beim Berliner Landesverband von „Haus und Grund“. Und einige von ihnen – rund 1000 Mitglieder – werden von der Wilmersdorfer Geschäftsstelle aus betreut, kommen also zu Rechtsanwalt Wolfgang Becker, 67 Jahre, braun kariertes Jackett, blau-silbern gestreifte Krawatte, in die Beratung, seit Jahren schon

.In die Jahre gekommen sieht es da auch aus: In einer umgebauten Zweizimmerwohnung stehen ein Minitannenbaum aus Plastik, prähistorische Telefone und der Schreibtisch einer Sekretärin, an dem ein paar Kinderzeichnungen hängen. Zeitmaschinengefühl, nächster Halt: 1970er Jahre. So muss er gewesen sein, der Geist von West-Berlin, als Männer noch Manne hießen, ein Wort etwas galt und Kaffeeweißer „lecker“ war. 1890 wurde der Verein gegründet, ist ganz altes West-Berlin – und trotzdem auf einmal mittendrin in einer Zukunftsdiskussion. Darüber, welche Verantwortung Vermieter jetzt und in Zukunft tragen sollen, in einer wachsenden Stadt mit schwindendem Wohnraum. „Ich sehe Anzeichen einer Neiddebatte“, sagt Becker nun. So wolle zwar jeder Sparer für sein Geld Zinsen bekommen. „Und gleichzeitig wird derselbe Anspruch bei Vermietern oft negiert. Zumal ich schätze, dass bei den meisten unserer Kunden mehr als zwei Prozent Rendite ohnehin nicht drin sind.“ Es sind diese geringen Gewinnspannen, die dazu führen, dass Vermieter mitunter mit großem Ehrgeiz verloren gegangenen Schrankbrettern nachjagen.

Die meisten Vermieter, mit denen er zu tun habe, sagt Becker, seien vor allem an einer pünktlichen Miete interessiert. „Hauptsache kein Ärger und das Geld auf dem Konto“, sagt Becker, bei dem Vermieter in die Beratung kommen, die, das sagt zumindest Becker, seit über zehn Jahren die Miete nicht erhöht haben. „Es gibt viele, die wollen vor allem ihre Ruhe und wenig Stress.“

DIE NEUEN

Über weniger Stress wäre Danilo Celli an diesem Montagnachmittag wahrscheinlich froh. Stattdessen ist es kurz vor fünf Uhr, als der 45-jährige Italiener zum ersten Mal seine neue Wohnung in Schöneberg betritt. Die Luft schmeckt säuerlich nach Bauschutt, drei Handwerker haben den Boden aufgerissen und neue Fenster eingebaut, an deren Innenseite jetzt das Kondenswasser rinnt. In der Raummitte stapelt sich ein Haufen Baumaterial, aus dem irgendwann ein Parkettboden werden soll, aber nicht jetzt, sagt der Makler, denn es sei zu feucht in der Wohnung, der Winter, der Schnee. Herr Celli wohnt an der Adria, ein beliebter Badeort, auch im Dezember selten unter zehn Grad. Er sieht ein wenig skeptisch aus.

Um mit seinem richtigen Namen in der Zeitung zu stehen, ist er zu schüchtern. Dabei ist er als Südeuropäer, der sein Geld auf dem Berliner Wohnungsmarkt retten will, längst in bester Gesellschaft. Immer mehr Italiener, Griechen, Spanier kaufen Wohnungen in Berlin. Zu unübersichtlich ist die Lage in ihren Heimatländern, zu groß die Angst vor einer wertevernichtenden Euro-Krise. „Wenn Deutschland die Lokomotive Europas ist, möchten wir gerne einen Platz beim Lokführer haben. Der italienische Waggon steht eher auf dem Abstellgleis“, sagt Danilo Celli. Von der Debatte um steigende Mieten hat er nichts mitbekommen, warum auch? Aus italienischer Sicht ist Berlin immer noch ein Schnäppchen, rund ein Drittel des Preises, den man in Rom für Wohnungen zahlen müsse.

Herrn Cellis Schnäppchen ist 45 Quadratmeter groß und hat ihn fast 110 000 Euro gekostet. Ein stolzer Preis für eine Etagenwohnung in einem schmucklosen Zweckbau in der Nähe der Julius-Leber-Brücke. „Ich will keine Riesengewinne“, sagt Danilo Celli. Und dennoch werden seine Mieter in dieser einfachen Lage schon zu Beginn eine Kaltmiete von knapp neun Euro zahlen müssen, auch wenn der Mittelwert für diese Gegend laut Berliner Mietspiegel bei 6,11 Euro liegt. Was auf den ersten Blick nach Wucher aussieht, hat einen einfachen Grund: Mit der steigenden Nachfrage steigen die Preise. Erst im Wohnungskauf, dann in der Wohnungsmiete. Danilo Celli hat für jeden Quadratmeter mehr als 2400 Euro bezahlt. Die müssen jetzt wieder reinkommen.

Es verlangt eine Menge Fantasie, sich vorzustellen, wie aus dieser Wohnung das schmucke Appartement werden soll, das Herr Celli bald vermieten möchte. Ob man denn das Thermostat austauschen könne, fragt Herr Celli, er würde auch dafür bezahlen, nur bitte nicht dieses hässlich-graue Plastikding an der Wand. Das könnte eng werden, sagt Ruth Stirati, denn so sehen Thermostate nun einmal aus.

Stirati ist Cellis Kontakperson für einen einigermaßen engen Draht zu seinen künftigen Mietern. Die gebürtige Römerin lebt seit fast 20 Jahren in Berlin. Vor fünf Jahren fing sie an, Wohnungen in Berlin an Italiener zu vermitteln, die hier investieren wollen. Mittlerweile brummt das Geschäft, jährlich gut vierzig Wohnungen vermittelt Stirati, die mit verschiedenen Berliner Maklern kooperiert, in vielen Fällen kümmert sie sich anschließend auch um die Verwaltung. Neun Mitarbeiter hat ihre Agentur mittlerweile. Wie aber sollen ihre Wohnungen bezahlbar für Mieter bleiben, wenn schon die Kaufpreise derzeit nach oben schnellen? „Wir machen keine Luxussanierungen“, sagt Stirati. Die Rendite ihrer italienischen Kundschaft liege bei rund drei Prozent, bei einer aktuellen Inflationsrate von gut zwei Prozent – nicht viel für Celli, aber genug für eine saftige Mietsteigerung.

DIE GROSSEN PRIVATEN

Dass Berlin immer angesagter wurde, merkte Jörg Schwagenscheidt, als er in den letzten Jahren um die halbe Welt flog und an jedem Flughafen irgendwelche Lifestylemagazine in die Hände bekam, die vom wilden Leben in Berlin berichteten. Jetzt sitzt Schwagenscheidt, Vorstand des Immobilienkonzerns GSW, in einer achten Etage an der Rudi-Dutschke-Straße und blickt über die Stadt. Links der Checkpoint Charlie, rechts das Springer-Hochhaus, geradeaus der Blick auf den Fernsehturm am Alex.

Früher war die GSW ein städtisches Wohnungsbauunternehmen mit einem hohen Anteil an öffentlich geförderten Wohnungen. Dann kam das Jahr 2004 und die GSW wurde verkauft. An einen Hund. Kein kleiner Pinscher erhielt den Zuschlag für das ehemals landeseigene Unternehmen, sondern unter anderem ein Investor mit dem Namen Cerberus – ein Höllenhund mit mehreren Köpfen, ein Türstehermonster aus der griechischen Mythologie, das die Verdammten daran hindert, die Hölle zu verlassen. Kein guter Name, um als netter Vermieter durchzugehen. Das weiß auch Schwagenscheidt, zumal der Verkauf an Cerberus zeitgleich „zum Aufkommen der Heuschrecken-Debatte“ erfolgte.

Und irgendwie scheint auch alles ins Bild zu passen: Seit letztem Jahr ist das Unternehmen börsennotiert, mit knapp 60 000 Wohnungen ist es der größte private Akteur am Berliner Wohnungsmarkt – und spielt bei Geschichten aus Berlins Mieterhölle oft eine Hauptrolle. Zum Beispiel am Kottbusser Tor, wo Anwohner seit mehr als sieben Monaten ein Protestcamp betreiben, weil sie die steigenden Mieten von GSW und Hermes-Hausverwaltung nicht mehr bezahlen können. In den einst mit öffentlichen Geldern gebauten Wohnungen der GSW sind nach dem Auslaufen der Förderung Kaltmieten von 13 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr, klagen die Aktivisten. Wer dann noch arbeitslos und bei den Mieten auf die Kostenübernahme durch das Jobcenter angewiesen ist, hat hier schlechte Karten.

So müssen immer mehr Menschen Kreuzberg verlassen. Zwangsumzüge, veranlasst vom Jobcenter. „Das kann ich nicht nachvollziehen, weil hier die Schwächsten der Gesellschaft aus ihrem Lebensumfeld gerissen werden“, sagt Schwagenscheidt, der für viele doch eigentlich der Schuldige dafür ist. Natürlich gebe es schwarze Schafe in der Immobilienbranche, sagt er jetzt. Aber nach seinem Gefühl sei fraglich, ob nicht tatsächlich vor allem die Jobcenter für die Zwangsumzüge verantwortlich seien, die dazu führen, dass immer mehr arme Menschen aus dem Zentrum an den Stadtrand gedrängt werden.

Wer bei der GSW wohnt und die Miete nicht mehr zahlen kann, hat daher vor allem zwei Möglichkeiten. Er bittet um Mietnachlässe. In 17 Prozent aller Fälle sei das erfolgreich, teilt das Unternehmen mit. Die andere Möglichkeit: Der Mieter spart an den Nebenkosten, Heizung und Energieverbrauch. Mit Aufklärungskampagnen will das Unternehmen seine Mieter sensibilisieren. „Wir haben teilweise in baugleichen Wohnungen mit derselben Bewohnerzahl Nebenkostenunterschiede von bis zu 300 Prozent“, sagt Schwagenscheidt. Pech dürfte derjenige haben, der schon sparsam ist und keinen Mietnachlass bekommt. Für ihn bleibt Möglichkeit Nummer drei: der Auszug.

Auf dem Markt der Wohnungssuchenden konkurriert er dann auch mit denjenigen, die neu nach Berlin kommen. In den letzten drei Jahren sind etwa 70 000 Menschen in die Stadt gezogen, Neubaugenehmigungen wurden in diesem Jahr jedoch nur knapp 6000 erteilt. So steigt der Druck auf die bestehenden Wohnungen. Man könnte auch sagen, Vermieter haben einen immer stärkeren Anreiz, die Mieten zu erhöhen. Und folgen ihm – wie es scheint – zwangsläufig.

Aber was wäre, wenn die GSW ihren Mietern in den Wohnungen mit auslaufender Förderung die Mietsteigerungen tatsächlich einfach erließe? Wenn sie die sozialen Härten, die dort entstehen, wo Marktgesetze ganz unmittelbar Menschenleben verändern, auf eigene Kosten abfedern würde? Sie würde auf Geld verzichten. Bei einem Unternehmen, das an der Börse gehandelt wird, ist das eine schlechte Idee, wenigstens aus Sicht der Aktionäre. Vielleicht kann man daher sagen, dass es von vornherein eine schlechte Idee des rot–roten Senats war, ein städtisches Wohnungsunternehmen zu privatisieren. Schwagenscheidt sieht das naturgemäß anders. Immerhin gehe es bei der GSW als börsennotiertem Unternehmen so transparent zu wie bei kaum einem anderen Vermieter. „Über der GSW schwebt immer eine Lupe.“

DIE INVESTOREN

Für Menschen wie Stefan Baumgartner ist die Lösung für alle Probleme einfach: mehr bauen. Der gebürtige Salzburger lebt seit 15 Jahren in Berlin und ist Geschäftsführer der Kaphag Vermietung und Projektmanagement GmbH, nach eigenen Angaben eine der führenden mittelständischen Immobilienfirmen Deutschlands. Baumgartner kauft und vermietet Wohnungen innerhalb des S-Bahn-Rings, selber bauen lässt er nicht. Es ist die alte Geschichte vom scheuen Reh Kapital, furchtsam auf der Lichtung, leicht aufzuschrecken durch Begriffe wie Mietobergrenze oder Mietminderung.

„Die Politik wirft einem Knüppel zwischen die Beine. Jegliche weiteren Reglementierungen führen dazu, dass sich ein Investor überlegt, sein Geld woandershin zu stecken, völlig egal, ob Anleihen, Unternehmensbeteiligungen oder auch Kunst. Warum sollte man bauen, wenn man damit kein Geld verdienen darf“, sagt Baumgartner, der Mann, der selber zur Miete wohnt, im vierten Stockwerk ohne Fahrstuhl, weil es billiger ist, monatlich 8,50 Euro Kaltmiete für den Quadratmeter zu zahlen, als die Wohnung zu kaufen.

Einen Widerspruch zwischen Renditestreben und Verantwortungsgefühl für seine Mieter sieht Baumgartner nicht. „Der Mieter ist mein Kunde. Natürlich könnte ich mit der Miete nach oben gehen, aber dann würden einige bei mir ausziehen. Und neue Mieter suchen kostet richtig Geld“, sagt Baumgartner – und meint den Leerstand, die Suche nach neuen Mietern, die Sanierung. 30 000 Euro könne die bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung ohne Weiteres kosten, sagt Baumgartner. Und deshalb würde auch die Miete steigen, steigen müssen. Von derzeit fünf Euro bei Bestandsmietern auf durchschnittlich 7,50 Euro – um die Mehrausgaben wieder zu verdienen.

„Als Hausbesitzer ist man der Buhmann und nur schlechten Vibrations ausgesetzt. Das fühlt sich nicht gut an“, sagt Baumgartner. Und dass man doch überlegen möchte, wie die Häuser in Ostberlin nach der Wende ausgesehen haben, zerfallen, kaputt, sanierungsbedüftig. „Je geringer die Renditemöglichkeiten sind, desto schlechter können die Häuser instand gehalten werden.“ Für jeden Quadratmeter legt Baumgartner, sagt er, daher monatlich etwa 1,50 Euro zurück. Die werden eingesetzt, „nur um den Status quo zu erhalten, ganz zu schweigen von energetischer Sanierung oder anderen Verbesserungen“. Die seien damit nicht zu schaffen.

DIE STÄDTISCHEN

Im Märkischen Viertel hingegen wird im großen Stil energetisch saniert – ein Vorhaben, das fast 500 Millionen Euro in acht Jahren verschlingt, wie Jörg Franzen sagt, Vorstand der Gesobau. Die Trabantensiedlung am Stadtrand ist fest in der Hand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft – gut 13 000 der rund 40 000 Wohnungen der Gesobau befinden sich in den Blocks des Märkischen Viertels. Damit ist auch die Gesobau ein wichtiges Puzzlestück auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Etwa 280 000 Wohnungen vermieten die sechs verbliebenen kommunalen Wohnungsunternehmen insgesamt in der Stadt, knapp jede siebte Wohnung in Berlin gehört damit dem Land selbst – und ist, dank öffentlicher Förderung, ein bisschen unabhängiger vom Markt. Hier soll alles etwas netter zugehen, den Mietern zugewandt, weniger hart als auf dem freien Wohnungsmarkt. „Wir sind nicht die Preistreiber der Stadt“, sagt Franzen. So lege die Gesobau bei Sanierungen nicht elf Prozent, sondern nur neun Prozent der Kosten auf die Mieter um.

„Ich kann alle nur einladen, zu uns zu kommen“, sagt Jörg Franzen. Bis zu einer Million Euro gebe die Gesobau jährlich für soziale Projekte aus – bei Umsatzerlösen von rund 217 Millionen Euro. Davon profitieren auch im Märkischen Viertel Sozialprojekte wie Hausaufgabenhilfe, Schulinitiativen und Beratungsstellen für Migranten. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass selbst die schnellste U-Bahn vom Märkischen Viertel in die Stadtmitte immer noch eine knappe halbe Stunde unterwegs ist.

Entsteht hier die neue Banlieue, in der diejenigen wohnen müssen, für die in der Innenstadt kein Platz mehr ist? „Nicht mal ansatzweise“, sagt Jörg Franzen, wesentlich besser als sein Ruf sei die Großsiedlung, mit Kriminalitätsraten, die schon lange im unteren Durchschnitt Berlins lägen. Und doch bleibt – obwohl sich die Wohnungen der „Städtischen“ insgesamt gleichmäßig über die Stadt verteilen – die Frage, inwieweit dort, wo bei steigenden Mieten gerade in den Innenstadtbezirken auch stadteigene Unternehmen nicht reine Geldverbrenner spielen dürfen, langfristig die soziale Entmischung überhaupt zu stoppen ist.

EPILOG

Zurück zu Haus und Grund, zurück in die Geschäftsstelle, zurück in die Vergangenheit, in der man das Wohnraumdilemma einer boomenden Stadt kurz vergessen kann.

In den letzten zehn Jahren habe sich in der Rechtsberatung eigentlich nichts verändert, sagt Wolfgang Becker. „Das sind immer dieselben Probleme, das bleibt immer gleich, hier spitzt sich nichts zu.“ Eine Verschärfung des Klimas zwischen Mieter und Vermieter? „Ach was“, sagt Becker, abwinkend.

Etwas anders sieht es mit dem Klima in seiner Geschäftsstelle aus, eine gewisse Zuspitzung ist nicht zu leugnen. Es riecht muffig, ein irritierender Riss geht durch die Wand von Beckers Büro, die Tapete ist leicht gewellt. Der Grund: ein massiver Wasserschaden in der Zimmerecke. Mit Wärmegeräten habe man versucht, das Gemäuer zu trocknen, „eine unschöne Zeit, wie in der Sauna“ habe er hier gesessen. Das auch noch erfolglos, die Feuchtigkeit drückt aus dem Keller weiter nach oben. Und so sitzen die Wilmersdorfer Hausbesitzer bei Beratungen in einem feuchten Zimmer. Dagegen unternehmen könne man leider nichts, sagt Becker, „wir sind hier nur Mieter“. Von Mietminderung wegen Wasserschaden hält der Rechtsanwalt wenig. Schließlich sei man als gewerblicher Mieter besonders schnell auf der Straße. „Wir sitzen hier auf einem ganz heißen Stuhl“, sagt Becker und will den guten Willen des Besitzers nicht überstrapazieren.

Das Haus gehört der Gesobau.

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