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Berlin: Berliner Waschsalon der neuen Zeiten

Von Thomas Loy Zuletzt also Schafe. Eine ganze Herde.

Von Thomas Loy

Zuletzt also Schafe. Eine ganze Herde. Zu fressen gab es für sie nichts, aber Kunststoff-Schafe sind genügsam. Ultramarinblau und stumm. Der „Blauschäfer vom Niederrhein“, Künstler Rainer Bonk, hatte die Tiere auf den Schlossplatz getrieben, um - ja, warum eigentlich? Weil der Platz für alle und alles gut ist. Weil der Platz - so grau und stumm - sich nicht wehren kann.

Und weil niemand weiß, warum dort, wo schon Waschmaschinen und Wohnmobile gestanden haben, nicht auch Schafe stehen sollen. So einfach ist das mit dem Schlossplatz und seiner ständigen Begleiterin, der Nutzungsfrage. Manchmal Parkplatz, mal mit Buden voll gestellt, und zum Jahresende drängelt sich noch der Weihnachtsmarkt dazwischen. Das Kurzzeitgedächtnis erinnert gerne an die „Goldene Pyramide“, die vor fünf Jahren das alte Ägypten flugs an die Spree holte. Drinnen lag nicht der Lieblingsschmöker von Tut-ench-Amun, sondern das größte Gästebuch der Welt, aufgeschlagen zur Beschriftung durch Millionen von Menschen. Am Ende waren es ein paar weniger und das Projekt bankrott. „Eine absolute Bruchgeschichte“, empörte sich Mittes damaliger Tiefbauamtsleiter Peter Lexen.

Da war der Platz wieder leer und damit „bespielbar“, wie es in der Off-Theater-Szene heißt. Die „Berliner Kabarett-Anstalt“ suchte gerade was Neues und, schwuppdiwupp, da stand auf dem Schlossplatz das BKA-Luftschloss. Die Bundesbauverwaltung schrie Zeter und Mordio, da ja bald der Kanzler provisorisch im anliegenden Staatsratsgebäude Platz nehmen sollte und so ein Tingeltangelschießundlach nun wirklich kein geeigneter Nachbar sei. Der Senat bekam klamme Finger, der Bezirk blieb stur, es ging hoch her und hin. Schließlich durfte das BKA bleiben - bis heute - und bekam sogar noch die Umzugskosten erstattet.

Endlich, 1999, kam der Kanzler an den Schlossplatz, ein freundlicher Mann, dem man die Asphaltbrache nun wirklich nicht zumuten wollte. Schnell wurde die Fläche ein bisschen begrünt. Echtes Gras, aber keine Schafe. Des Kanzlers Auge konnte ungestört weiden, wäre da nicht der Palast der DDR und seine endlose Asbestsanierung.

Im Sommer 2000 gestalteten italienische Freizeitkünstler eine ungewöhnlich zeitgeistige Performance auf dem Schlossplatz. Bis zu 40 Wohnmobilisten nächtigten auf dem Areal. In italienischen Reiseführern wurde der Schlossplatz zum 1-A-Campingplatz aufgewertet. Die Politik schien zunächst sprachlos, erklärte den Platz dann aber zur absoluten Parkverbotszone und bewies damit eine klare Haltung: Unser Platz soll leer bleiben.

Wenige Wochen später kamen die Waschmaschinen: Siemens Siwamat XL 540. 104 Stück. Einen Monat lang durfte jeder Berliner am Schlossplatz seine dreckige Wäsche waschen. Der Schlossplatz als Waschsalon - eine sinnvolle Nutzung, aber leider wurde dabei auch viel Geld verschleudert. Die Maschinen mussten am Ende versteigert werden. Dabei wären sie besser als Schafe geeignet gewesen, aus dem toten Platz einen lebendigen Ort der Begegnung zu machen.

Auf der Schlossfreiheit, der erhöhten Terasse an der Spree, steht in diesen Tagen ein weißer Marmorblock auf zwei Holzkufen. Er trägt die Aufschrift: „Die Arbeit an vielen kleinen Steinen sind Meilensteine auf dem Weg zu einem Platz von Welt.“ Wie soll man das deuten? Doch mal anfangen zu bauen?

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