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Bahntechnik: Auf sicherem Gleis

Die Verkehrstechnikbranche der Region trotzt der Krise – und den Vorwürfen des Bahn-Konzerns.

Von Sektlaune bis Verärgerung über Schuldzuweisungen beim S-Bahn-Chaos schwankt die Stimmung in der Berliner Bahntechnikbranche, die zu den wichtigsten Industriezweigen der Stadt gehört. Zur Jubiläumsfeier mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lädt an diesem Freitag die Stadler Pankow GmbH ein – denn das Tochterunternehmen des Schweizer Konzerns Stadler Rail Group betreibt seit zehn Jahren das einstige Adtranz-Werk, dem nach dem Rückzug des Anteilseigners Daimler die Schließung gedroht hatte. Die Beschäftigtenzahl ist seitdem von 200 auf 550 gestiegen, außerdem eröffnete Stadler vor acht Jahren auch ein Test- und Servicezentrum im brandenburgischen Velten.

„Wir konnten uns kontinuierlich weiterentwickeln“, sagt Sprecherin Katrin Block. Und Geschäftsführer Michael Daum freut sich über den „größten Auftrag in der Firmengeschichte“: Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH hat für 146 Millionen Euro 16 elektrische Doppelstockzüge und sieben Dieseltriebwagen bestellt, die auf sechs Regionalbahnstrecken verkehren sollen – die Triebwagen ab dem Fahrplanwechsel 2011 und die Doppelstockzüge ab 2012. Darüber hinaus hat Stuttgart gerade für 77 Millionen Euro 20 Straßenbahnen bestellt. Auch München, Potsdam und einige weitere deutsche Städte setzen auf die Tram-Modelle aus Berlin. Geschäftsführer Daum hält deshalb 100 bis 150 weitere Jobs „in einem überschaubaren Zeitraum“ für möglich.

Kopfschüttelnd verfolgen die Pankower den Streit zwischen der Deutschen Bahn und dem Marktführer Bombardier Transportation um die Mängel an den Berliner S-Bahnzügen. Auseinandersetzungen zwischen Herstellern und Abnehmern gehörten regelmäßig zum Geschäft – nur sei es keineswegs üblich, diese öffentlich auszutragen. Es begann mit dem Vorwurf der Bahn, Bombardier habe mangelhafte Züge geliefert. Das Unternehmen konterte, diese seien „fachgerecht und auftragsgemäß“ gebaut und von der S-Bahn abgenommen worden. „Wir rechnen nicht damit, dass sich die Diskussion um die S-Bahn Berlin negativ auf unsere Auftragslage auswirkt, da in der Branche die Hintergründe bekannt sind“, sagt Firmensprecher Heiner Spannuth. Er meint damit die anscheinend unzureichende Wartung der Züge, an der die Firma nicht beteiligt war.

Das Werk Hennigsdorf nahe Berlin mit mehr als 2000 Beschäftigten ist das größte des Unternehmens, das zum kanadischen Bombardier-Konzern gehört. In Hennigsdorf werden nicht nur Lokomotiven und Triebwagen produziert – auch bei der Entwicklung von Fahrzeugen und der Projektsteuerung spiele der Standort „eine zentrale Rolle“, heißt es. „Erhebliche Anteile“ an der Entwicklung habe das Werk beim „schnellsten Zug der Welt“, dem Zefiro 380, den Bombardier in einem Joint-Venture für die chinesische Staatsbahn bauen will. Die eigentliche Produktion findet allerdings andernorts statt. Gebaut werden in Hennigsdorf zum Beispiel U-Bahnen für Schanghai und Singapur. Und die Deutsche Bahn hat soeben 48 weitere „Talent 2“-Regionalbahnzüge geordert – damit steigt die Gesamtzahl der bisher abgerufenen Bestellung auf 176 Fahrzeuge. Die neuen Züge sollen ab Ende 2011 in der Region fahren, auch als „Airport-Express“ zwischen Berlin und dem künftigen Großflughafen in Schönefeld.

Berlins Bahnindustrie konzentriere sich weitgehend auf den Personenverkehr und sei wegen der weitgehend konstanten öffentlichen Aufträge „wenig anfällig“ für Folgen der Wirtschaftskrise, sagt Thomas Meißner, Leiter des Forschungs- und Anwendungsverbunds Verkehrssystemtechnik Berlin. Dieses Branchennetzwerk gehört zur Technologiestiftung Berlin (TSB). Starke Einbrüche gebe es im Güterzugverkehr, sagt Meißner, davon seien in der Stadt aber höchstens die Zulieferer einzelner Komponenten betroffen.

Die Ursachen des S-Bahn-Chaos will Meißner technisch nicht beurteilen, er findet allerdings „die Art der Auseinandersetzung ungewöhnlich“. Der Streit „wird im Ausland aufmerksam verfolgt, man wird immer wieder darauf angesprochen“. Trotzdem sieht Meißner noch keine nachhaltig negativen Folgen. Berlin verdanke seine starke Marktposition nicht zuletzt der großen Forschungslandschaft und der Messe Innotrans, die sich zum wichtigsten internationalen Branchentreff entwickelt habe.

Auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) lobt die in diesem Jahr wieder stattfindende Innotrans als „erste Adresse für Anbieter und Nachfrager des Personen- und Güterverkehrs“. Mit Unternehmen wie Bombardier, Stadler und Siemens sei Berlin heute „europaweit einer wichtigsten Standorte für die Bahntechnik“. Ronald Pörner, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bahnindustrie in Deutschland, glaubt in Zeiten der Krise nicht mehr an ein weiteres Wachstum der Industrie in der Stadt. Immerhin dürfte die Branche jedoch „auf hohem Niveau stabil bleiben“.

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