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Diplomkaufmann aus Essen: Hertha-Finanzchef Ingo Schiller sieht dem Schuldenberg gelassen entgegen

Der Diplomkaufmann bewahrt trotz der Umsatzeinbußen nach dem Abstieg aus der 1.Bundesliga die Ruhe. Die Fans halten die Treue und spülen Millionen von Euro in die leeren Kassen.

Was unterscheidet einen Fußballverein heute noch von einem normalen Unternehmen der Unterhaltungsindustrie? Zielgruppengenaues Marketing, mittelfristige Finanzplanung, gute Personalführung und eine gesunde Bilanz braucht auch eine Hertha. Gut, dass da ein schwergewichtiger Betriebswirt wie der im Marketing versierte Diplomkaufmann Ingo Schiller mit nüchternem Verstand wirkt. Wenn dieser unübersehbare ehemalige Marketingleiter von Borussia Mönchengladbach mit seinen 1,88 Meter im Tor stände, es wäre auch gut verteidigt. Aber so dient dieser uneitle Mann der wichtigen Berliner Institution mit seinen 60 Köpfen in der Verwaltung und im Merchandising sicherlich besser.

Es steht immerhin etliches auf dem Spiel bei der Vereinstochter, der Hertha BSC KG mbH aA. Kräftig gewachsen ist zwar die Zahl der Vereinsmitglieder – seit seinem Start vor 13 Jahren von 1800 auf eben 20 000. Aber um die Hälfte geschrumpft ist der Umsatz nach dem Abstieg aus der 1. Bundesliga. Weh tun vor allem die verlorenen TV-Einnahmen. Da fehlen von den früheren mehr als 20 Millionen Euro heute gut 12 Millionen! Auch der Kartenverkauf bringt nur noch sechs Millionen Euro, 15 Millionen kosten aber alleine die Spieler des Clubs. Dazu kommen vier Millionen für die vorbildliche Nachwuchsförderung und rund 20 Millionen für die Stadien, Ordner und anderes. Vom Gesamtumsatz von noch 40 Millionen bringen die Sponsoren immerhin 15 Millionen. Kein Wunder, dass die Schulden auf mehr als 37 Millionen angestiegen sind. Ein Wunder eher, dass der Boss sie als „nicht besorgniserregend“ bezeichnet.

Warum diese Ruhe? „Ein warmer Regen“ steht ins blau-weiße Haus, ein Investor, der „ein gutes Herz“ haben muss und rund acht Millionen Eigenkapital einschießt. Außerdem versuchen sie durch eine neue attraktive Fünf-Prozent-Anleihe mit sechsjähriger Laufzeit noch vier bis sechs Millionen einzusammeln. 2,5 Millionen davon seien schon gezeichnet, davon ein Drittel als Schmuckanleihe.

Klar, dass die ganze Planung auf einen Wiederaufstieg nach dem letzten Spiel am 15. Mai zielt. Ehrgeizigere Pläne, als in der 1. Liga dauerhaft gut dabei zu sein, hat Schiller nicht. Aber in den Schubladen liegen auch Worst-Case-Szenarien für den Fall, dass es schiefgeht. An mangelndem Rückhalt der Fans könnte das nicht liegen, wie die Zuschauerzahlen und die Fanartikelerlöse von drei Millionen Euro belegen. Trotz dieser Anhänglichkeit sei die Stadt ein schwieriges Pflaster für einen Fußballverein, sagt er. Nach der Wiedervereinigung hätte man gedacht, Berlin gehe nun durch die Decke. Aber wirtschaftlich geht es arg langsam voran. Das drückt auf die Erlöse durch Sponsoring und Kartenverkäufe. Dennoch will der Mann, der nach dem Abitur bei der Artillerie gedient hat, Berlin nicht verlassen. Seine Frau und er bauen ein altes Haus in Zehlendorf um – für sich, ihre zwei Labradore und die Zukunft. Vielleicht gut, dass der Vater Statiker war!

Heik Afheldt

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