zum Hauptinhalt
157505_0_ab9cb812

© ddp

Training für Führungskräfte: Zuckerbrot und Peitsche

Softskill-Seminare für Manager liegen im Trend: Schauspieler, Boxtrainer oder Tiere lehren Teamarbeit und Führungskompetenz.

Wer ist hier der Boss? Vielleicht der große Dunkelhaarige? Er wirkt immerhin sehr dominant. „Und alle anderen rennen ihm ständig hinterher“, sagt Egon Steinborn, Kreisgeschäftsführer Süd-Ost vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft. „Außerdem ist er der Größte.“ Steinborn, ein kleiner Mann mit hellem Schnauzer, steht am Eingang zur Reithalle des Birkhofs. In der Hand hat er einen Zettel mit den Namen der Pferde in der Halle: Romulus, blaues Halfter, steht da zum Beispiel – das ist der dominante dunkle Wallach.

Egon Steinborn ist an diesem Sonnabend auf den Hof im Brandenburger Ort Birkholz gekommen, um von den Pferden etwas darüber zu lernen, was eine Führungskraft ausmachen sollte. Und wie ein gutes Arbeitsteam funktioniert. Er ist einer von sieben Teilnehmern des Seminars „Managementtraining mit Pferden“. Die erste Aufgabe: Beobachten Sie die Pferdeherde. Die Manager sollen dabei etwas über die sozialen Strukturen der Gruppe herausfinden. Romulus und die anderen Pferde leben nicht in Boxen, sondern artgerecht als Herde zusammen Deshalb ist ihr Sozialverhalten natürlich und aussagekräftig. „Ich gebe Ihnen einen Tipp“, hat Trainerin Ines Bahlmann vor der Übung gesagt: „Der Boss hier ist so souverän, dass man ihn als Führungskraft kaum noch wahrnimmt.“

Amazonas’ Schweif ist sehr kurz geraten. Der mittelgroße Braune steht meistens am Rand der Halle herum. Zwischendurch gähnt er ausgiebig. „Warum läufst du denn nicht mit den anderen hinter dem Chef her?“, fragt Egon Steinborn. Michael Sradnick, Geschäftsführer einer Franchise-Kette mit 130 Läden, antwortet für das Pferd: „Weil er selbst der Boss ist. Er überblickt das Geschehen von weitem und hat alles im Griff.“ Egon Steinborn ist nicht überzeugt, ebenso wenig die anderen in der Gruppe. Also löst Ines Bahlmann das Rätsel auf, sie lässt einen Stoß Heu hereinbringen. Amazonas frisst als Erster, die anderen Pferde halten respektvoll Abstand. „Wer das größte Gehalt bekommt, ist der Chef“, sagt die Trainerin. „Amazonas ist sehr zurückhaltend. Er hat es nicht nötig sich aufzuplustern.“ Alle sind überrascht von der Auflösung – außer Sradnick. Der große schlanke Mann schließt gerade Freundschaft mit Amazonas. Es sieht aus, als unterhielten sich die beiden. Sradnick wirkt selbst sehr ruhig und ausgeglichen. Ähneln sich die Führungsstile der beiden Chefs? Sradnick lacht. „Ich weiß nicht, ob ich immer so ruhig bleibe wie Amazonas.“

Führungskompetenz gehört zu den sogenannten Softskills, ebenso wie Teamfähigkeit oder Rhetorik. „Bei Weiterbildungsseminaren für Führungskräfte liegt der Focus zunehmend auf diesen Fähigkeiten“, sagt Alfred Töpper, Projektleiter Weiterbildung bei der Stiftung Warentest. Und es gibt immer mehr Angebote jenseits der Seminarräume: Manager boxen, bauen in der Natur Hütten und Flöße. Sie arbeiten für eine Woche ehrenamtlich in einer sozialen Einrichtung. Oder sie versuchen, sich die sozialen Kompetenzen von Tieren zum Vorbild zu nehmen. Das funktioniert nicht nur mit Pferden, sondern auch mit Wölfen oder Adlern. „Solche Trends werden aber nie den Stellenwert klassischer Seminare bekommen“, sagt Töpper. Lernen durch Erleben sei zwar grundsätzlich eine gute Idee, gerade bei Softskills. Diese einen Tag lang zu trainieren, heiße aber noch lange nicht, dass man sie dann jederzeit anwenden könne.

Wie bei allen Weiterbildungen müsse man beachten, dass sie auf die Voraussetzungen und die Persönlichkeit abgestimmt sind, sagt Grit Markert, Teamleiterin Weiterbildung von der IHK. Wichtig sei ein ausführliches Vorgespräch, in dem geklärt wird, was die Gruppe will und braucht.

Pferdetrainerin Ines Bahlmann führt vor jedem Seminar Interviews mit den Teilnehmern. Und überlegt sich dann die passenden Übungen. Bevor sie den Reiterhof übernahm, hat die Pferdewirtin und Diplompädagogin beim Versicherungskonzern Allianz als Personalentwicklerin gearbeitet. Auf einem Flipchart neben der Reithalle stehen die Themen der Veranstaltung: „Soziale Wahrnehmung“, „Teamverhalten“ und „Führen“. Das Seminar an diesem Tag ist ein kostenloser Schnupperkurs, die Teilnehmer stammen nicht wie sonst aus einer Firma, sondern sind willkürlich zusammengewürfelt: Personalentwickler und Geschäftsführer aus verschiedenen Unternehmen, die sich von Ines Bahlmanns Trainingsmethode überzeugen wollen.

In der nächsten Übung geht es um „Teamentwicklung und Kooperation“: Die Teilnehmer sollen die Pferde auf einer festgelegten Route durch die Halle scheuchen. Dabei dürfen sie nicht miteinander sprechen und sollen dicht zusammenbleiben. Egon Steinborn klatscht zaghaft in die Hände – kein Erfolg. Michael Sradnick packt Amazonas am Halfter, versucht ihn zu führen – das Tier bleibt stocksteif stehen. Schließlich gehen die beiden Frauen in der Gruppe einfach los, eins der Pferde ebenfalls. Steinborn und Sradnick bleiben dicht bei den anderen. Und tatsächlich – die Herde folgt. Zwei Runden lang geht alles gut. Dann werden die beiden Männer übermütig, beginnen zu rennen. Sofort löst sich die Gruppe auf.

„Wenn Sie ein echtes Team wären, würde ich mich fragen, wie Sie eigentlich Ihre Arbeit machen“, sagt Ines Bahlmann bei der Auswertung. Bei der Übung entstehe ein deutliches Abbild einer Arbeitsgruppe. „Die Pferde haben wahrscheinlich gemerkt, dass die Stärke nicht von innen kam“, sagt Angelika Lachmuth. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal. Die Referentin für Beschäftigungsförderung bei der Bahn AG will wiederkommen – mit einem Team.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false