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Berliner Wohnungsbaupolitik: Billiges Bauland für niedrige Mieten

Die Berliner CDU hat am Montag vorgeschlagen, Grundstücke günstiger an Investoren zu verkaufen, wenn diese niedrige Mieten garantieren. SPD und Linke halten davon allerdings nichts.

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So stark wie in diesen Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl haben sich die politischen Parteien schon lange nicht mehr für die Interessen der Mieter eingesetzt - wohl auch, weil am Wochenende tausende Berliner gegen steigende Mieten auf die Straße gingen. Wird nach dem 18. September nur die Hälfte der Vorhaben umgesetzt, die jetzt verkündet werden, dürfte sich die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt bald sehr entspannen. Das Problem: In manchen Punkten gehen die Vorstellungen der Politiker so weit auseinander, dass sich kaum vorhersehen lässt, was davon bei künftigen Koalitionen Bestand hat.

Einig sind sich die Parteien zumindest in einem Punkt: Künftig sollen brachliegende landeseigene Grundstücke billiger als bisher für den Bau von Häusern mit günstigen Mietpreisen zur Verfügung gestellt werden. Aber schon bei der Frage, wie das erreicht wird und welche Art von Bauherren zum Zuge kommen soll, gehen die Meinungen wieder auseinander. So stellte die CDU am Montag ein neues Konzept vor, nach dem in den kommenden fünf Jahren bis zu 60 000 neue Wohnungen im unteren Preissegment entstehen sollen. Das will die Union unter anderem erreichen, indem die Bauordnung vereinfacht wird und zum Beispiel nicht jede Wohnung höchsten Schallschutzstandards entsprechen muss.

Vor allem aber, so Spitzenkandidat Frank Henkel, sollen auch Privatinvestoren Berliner Grundstücke deutlich günstiger bekommen, wenn sie sich verpflichten, für den Großteil der neuen Wohnungen dauerhaft niedrige Mieten – derzeit um sieben Euro pro Quadratmeter – zu garantieren. Das ähnelt Ideen, wie sie zuvor auch schon die SPD und die Linken geäußert hatten – mit dem Unterschied, dass die derzeitigen Regierungsparteien sich dafür stark machen wollen, die Vergabe landeseigener Grundstücke an Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften zu erleichtern, nicht aber an sonstige Privatinvestoren. Letztere zu dauerhaft niedrigen Mieten zu verpflichten, sei praktisch schwer durchsetzbar, befürchtet der SPD-Politiker Daniel Buchholz.

Wieso die Landesregierung den in den vorigen Jahren kräftig zurückgegangenen Wohnungsbau nicht längst durch die günstige Vergabe von öffentlichem Bauland wieder angekurbelt hat? „Ganz so einfach ist das nicht“, sagt SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter. Denn auch bei günstigen Preisen fürs Bauland hätten Wohnungsbaugesellschaften angesichts der hohen Baukosten Schwierigkeiten, Preise zu kalkulieren, die dann tatsächlich zu niedrigen und dennoch kostendeckenden Mieten führten.

Eben deswegen will die CDU die Bauordnung ändern, wie ihr wohnungspolitischer Sprecher Matthias Brauner und der Leiter der CDU-Programmkommission, Parteivizechef Thomas Heilmann, gestern sagten. So sei nicht nachvollziehbar, wieso jede Wohnung laut Bauordnung mechanische Lüftungen haben muss. Auch die Grünen sehen großen Verbesserungsbedarf für Mieter und Wohnungssuchende und fordern eine „aktive Mieten- und Wohnungspolitik“. Die bisherige Politik sei ein „rot-roter Totalausfall in der Mietenpolitik“, sagte am Montag der wohnungspolitische Sprecher Andreas Otto auf einer Pressekonferenz.

Lesen Sie auf Seite 2, was die Grünen selbst vorschlagen - und mit wem FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer über das Thema Mieten diskutiert.

Zum Beispiel beim Kündigungsschutz bei Privatisierungen: Nach Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen haben rund 1,8 Millionen Berliner in sechs Bezirken (Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg, Mitte, Steglitz-Zehlendorf) eine Schonfrist von sieben Jahren: In dieser Zeit kann sich der neue Eigentümer nicht auf Eigenbedarf als Kündigungsgrund berufen. Der Senat verlängerte Anfang Juli eine bisher gültige Ausnahmeregelung. Das ist den Grünen zu wenig und zu ungenau. „Wir fordern einen Kündigungsschutz von zehn Jahren“, sagte Otto, „und eine Regelung auf bestimmte Ortsteile statt pauschal auf Bezirke“.

Auf der rot-roten Agenda steht außerdem, dass Zweckentfremdungsverbot wieder einzuführen, um der Umnutzung von Wohnungen für Büros oder Ferienwohnungen entgegenzutreten. Das wollen auch die Grünen. Sie fordern den Senat auf, den Wohnungsleerstand zu ermitteln. 2002 kippte das Oberverwaltungsgericht das Verbot mit der Begründung, es herrsche in Berlin kein Wohnraummangel mehr. Nach Schätzungen des Senats gibt es in Berlin weniger als 10 000 Ferienwohnungen. Das seien weniger als 0,5 Prozent aller Wohnungen.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt an, dass berlinweit derzeit 96 000 Wohnungen leer stehen. Ein Zweckentfremdungsverbot könne erst bei weniger als 40 000 leeren Wohnungen erklärt werden. Jetzt wolle man erneut ausgesuchte Regionen untersuchen. Die Opposition zweifelt allerdings an den Senatszahlen: Stünden tatsächlich so viele Wohnungen leer, würden die Mieten nicht so stark steigen wie derzeit, argumentiert CDU-Mann Heilmann.

Die Grünen hatten im April dieses Jahres beantragt, in Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig zu machen. Milieuschutz bedeutet, dass Bestandsmieten nur langsam steigen dürfen. In der Regel stehen ehemalige Sanierungsgebiete unter Milieuschutz. Diesen Antrag aber lehnte Rot-Rot im Bauausschuss ab. Die Grünen fordern außerdem, Mieterhöhungen an die energetische Sanierung von Wohnungen zu koppeln. Ein entsprechender Antrag wurde von Rot-Rot ebenfalls abgelehnt. Die Wohnkostenzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger sollten differenziert ausbezahlt werden. ALG-II-Empfänger sollten die Betriebskosten beim Mieterverein überprüfen lassen. Die Mitgliedsbeiträge sollten von den Job-Centern übernommen werden. „Da gibt es großes Einsparpotenzial“, glaubt Grünen-Politiker Otto.

Das weitere Vorgehen bei der Wohnungspolitik hatte, wie berichtet, in den vergangenen Tagen für Reibereien auch zwischen den Koalitionspartnern SPD und Linke geführt. So hatte der Linke-Spitzenkandidat, Wirtschaftssenator Harald Wolf, „sichtbare Veränderung“ der Mietenpolitik bei der SPD zur Voraussetzung für künftige Koalitionen erklärt. Dass aus der Berliner Bundesratsinitiative zur Begrenzung von Mietsteigerungen noch etwas wird, ist unterdessen unwahrscheinlich: Bisher fehlt die Unterstützung aus anderen Ländern.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die die ganze Berliner Debatte für überzogen halten. So lädt der Immobilienverband Deutschland (IVD) am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion zum Thema ein. Der Titel: „Politik spielt vor der Wahl mit der Angst der Mieter - IVD fordert Mäßigung von den Berliner Parteien im Wahlkampf“. Mit von der Partie ist unter anderem FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer.

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