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Häuserkampf. Für Mieterhöhungen gibt es in Berlin wenig Verständnis – vor allem, weil viele Hauseigentümer das Maß verlieren.

© imago/Christian Ditsch

Berliner Wohnungsmarkt: Mieterverein beklagt "dramatische Entwicklung"

Viele Hauseigentümer halten sich nicht mehr an den Mietspiegel. Strafen drohen ihnen deswegen aber nicht.

Drei von vier Wohnungseigentümern fordern bei einer Mieterhöhung mehr Geld als gesetzlich zulässig und können sich dabei auf den im März neu erschienenen Mietspiegel 2017 berufen. Das meldet der Berliner Mieterverein nach der Auswertung von rund 200 Mieterhöhungsbegehren. Demnach verlangen die Hauseigentümer im Durchschnitt 72 Cent mehr Miete je Quadratmeter. Das entspricht einem Plus von mehr als elf Prozent im Durchschnitt oder 55,83 Euro mehr im Monat je untersuchter Wohnung.

Von einer „dramatischen Entwicklung“ sprach der eher nicht für Alarmismus bekannte Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Besonders hohe Mietsteigerungen pro Quadratmeter habe es mit einem Plus von 2,28 Euro in der Behrenstraße 73 (Mitte) gegeben, in der Heerstraße 229 (Charlottenburg; mit 1,97 Euro), in der Baderseestraße 7 (Treptow-Köpenick; 1,76 Euro), in der Dubrowstraße 10 (1,56 Euro) sowie in der Flanaganstraße 22b (1,39 Euro; beide Steglitz-Zehlendorf).

Viele Erhöhungen sind rechtlich nicht zulässig

Als „erschreckend“ bezeichnete Wild ein überraschendes Ergebnis der Untersuchung, wonach viele Erhöhungen rechtlich überhaupt nicht zulässig sind. Weil aber keine Bußgelder drohen und weil Lücken bei der gesetzlichen Pflicht der Vermieter zur Begründung ihrer Mieterhöhungen bestehen, haben unredliche Grundeigentümer leichtes Spiel: Die Hauseigentümer dürfen ihre Mieterhöhungen mit dem Hinweis auf die im Mietspiegel genannten „Oberwerte“ begründen, auch wenn die konkrete Wohnung überhaupt nicht in diese Kategorie fällt. Wenn Mieter die geforderte Miete nicht anhand von Lage und Ausstattung der Wohnung überprüfen und die nicht rechtmäßige Mieterhöhung nicht beanstanden, wird diese gleichsam legalisiert.

Lücken in der Gesetzgebung

„Der Mietspiegel erfüllt seine eigentlich befriedende Funktion nicht mehr“, sagte Wild weiter. Schuld daran seien die Lücken in der Gesetzgebung sowie die wirkungslose Mietpreisbremse. Vermieter könnten die neu eingeführten Kappungsgrenzen leicht umgehen. Viele hielten sich aber erst gar nicht an den begrenzten Erhöhungsspielraum. Bereits in die Stichproben zur Ermittlung der ortsüblichen Miete im Mietspiegel 2017 seien deshalb nicht rechtmäßige Mieten eingeflossen.

Viele Vermieter versuchen langjährige Mieter loszuwerden

Die Vermieter wollten möglichst schnell die Lücke zwischen niedrigeren Mieten bei bestehenden Verträgen und höheren Neuvertragsmieten schließen. Viele versuchen deshalb langjährige Mieter mit alten Verträgen loszuwerden – auch mit Aussicht auf Bares: 8000 Euro bot der Vermieter einer Wohnung in der Zehdenicker Straße 14 in Mitte deren Bewohnerin, wenn diese auszieht.

Sogar auf die üblicherweise fälligen Schönheitsreparaturen in der Wohnung habe er verzichten wollen. Die Mieterin, die ungenannt bleiben möchte, lieferte die Erklärung gleich mit: „Wir zahlen 900 Euro Miete, die Nachbarn über uns 1500 Euro“ für die gleiche Wohnung. So stark haben sich die Mieten für freie Wohnungen von den Preisen bestehender Verträge abgekoppelt, deren Anstieg stärker begrenzt ist: Die Mieterin war im Jahr 2008 eingezogen. Nun habe sie „Angst“, dass der Vermieter sie unter Druck setzt.

Weniger als der Durchschnitt der untersuchten Mieterhöhungen habe die Deutsche Wohnen zuletzt gefordert: knapp 50 Cent mehr je Quadratmeter. Die Mieten von Berlins größtem Vermieter lägen dennoch um 56 Cent je Quadratmeter über dem vor Ort sonst Üblichen.

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