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Berlin: Berlinisch für Moskauer

In Russlands Kapitale zeigt die deutsche Hauptstadt, was sie hat – mit viel Kultur und Prominenz

Das Herz schlug ihnen im Halse und in mancher Hand zitterte auch die Schere verdächtig. Kein Wunder: Vor großem Publikum zeigten angehende Friseurinnen und Friseure aus Berlin und Moskau im liebevoll restaurierten Einkaufszentrum Gostinny Dvor in Moskau, was sie schon draufhaben. Der Wettbewerb der Azubis ist nur eine von über 40 Veranstaltungen im Rahmen der „Berliner Tage“ in Moskau, die Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in der russischen Hauptstadt eröffnete. Dabei, so Wowereit, handele es sich um „die umfangreichste Aktion, die das wiedervereinigte Berlin je in einer Partnerstadt verwirklicht“ habe.

Das ist nicht übertrieben. Auch, wenn ein Teil der Veranstaltungen, die bis in den April hinein stattfinden, ein Beitrag Berlins zum gegenwärtigen „Jahr Deutschlands in Russland“. So viel Berlin war in Moskau nie zuvor. Nicht einmal zu Sowjetzeiten, als Moskau und Ost-Berlin in der Öffentlichkeit gern und oft „zwei liebevolle Schwestern“ gaben und bei diversen Jubiläen klotzten. Diesmal indes ist Masse weit gehend identisch mit Klasse. Und für jeden ist etwas dabei: Kunst, Wirtschaft und interkulturelle Begegnungen, die auch von der sonst eher auf Nabelschau fixierten russischen Presse gewürdigt werden. Am Montagabend hatte Wowereit seinen großen Auftritt beim Staatssender RTR, tags darauf erschien die russische Wirtschaftszeitung Wedomosti mit dem Sonderteil „Berlin-special“ in Kooperation mit dem deutschen Wirtschaftsmagazin „Ost-West-Contact“.

Das Kulturprogramm startete mit gleich zwei Knallern. Am Montag gab das Rias-Jugendorchester ein Gala-Konzert in Moskaus Haus der Musik, wo Oberbürgermeister Jurij Luschkow zu einem Empfang bat. Am Dienstag und Mittwoch bat das Tanztheater Sasha Waltz ins Theater der russischen Armee und zeigte mit „Körper“ choreografisch ungewohnte Kost: Tänzer, die einander an den Häuten tragen, als wären Griffe und Fleischerhaken darin verborgen – eine Allegorie auf „die kalte Haut der Städte“. Geradezu revolutionär für russische Verhältnisse ist ein Projekt des Regie-Teams „Aufbruch“, das mit den Insassen des Moskauer Jugendgefängnisses Theater spielt. Ein deutsches TV-Team hat die Proben begleitet, das Ergebnis wird demnächst im RBB-Fernsehen zu sehen sein.

Daneben gib es für Kunstinteressierte aller Genres und Generationen jede Menge Ausstellungen, allen voran die Schau „Berlin-Moskau / Moskau-Berlin 1950-2000“. Das Kapitulationsmuseum Karlshorst ruft das deutsch-russische Trauma Stalingrad in Erinnerung, Bernd Uhlig zeigt in der verglasten Brücke am Kiewer Bahnhof „100 Russen – 4 Jahreszeiten“, das Vitra Design Museum und das Goethe-Institut „Design Berlin“.

Auf dem Programm stehen Podiumsdiskussionen und Fachseminare, etwa zu Medien und Hauptstadtjournalismus, ein weiteres zu Wasser, Abwasser und Abfallwirtschaft sowie eine Ausstellung zur Sanierung von Plattenbauten. Alles Themen, mit denen auch der Moloch Moskau konfrontiert ist. Der Blick über den eigenen Tellerrand ist daher willkommen.

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