zum Hauptinhalt
Pflegeheim

© ddp

Pankow: Berlins erstes Pflegeheim für Homosexuelle

Das Asta-Nielsen-Haus in Pankow will auch Lesben und Schwule betreuen. Und richtet dafür extra die "Village Pflegeetage" ein.

Noch sind die hellen Räume in der dritten Etage des Pflegezentrums „Asta-Nielsen-Haus“ in Pankow unbewohnt. Am Freitag öffnet hier die „Village Pflegeetage“ mit 28 Plätzen vorrangig für pflegebedürftige Lesben und Schwule. „Wir wollen auch Heterosexuelle nicht ausgrenzen“, sagt Christian Hamm, Vorsitzender des Vereins Village. Das lesbisch-schwule Projekt setzt sich für ein diskriminierungsfreies Leben im Alter ein und hat deswegen die erste Pflegeeinrichtung Berlins für Homosexuelle initiiert. „Es geht um den gesamten Lebensentwurf, der bei Homosexuellen ein anderer ist. Ihre entsprechend anderen Erfahrungen und Erinnerungen möchten sie natürlich teilen können“, sagt Kerstin Wecker, die Leiterin des Asta-Nielsen-Hauses. Der erste Bewohner wird in nächster Zeit dort einziehen. Ein Mann hat bereits einen Vertrag unterschrieben; der Termin für den Einzug ins Pflegeheim steht allerdings noch nicht genau fest.

Als Christian Hamm sich 2001 erstmals an Heimleitungen wandte, um etwas über die Situation Homosexueller in Pflegeeinrichtungen zu erfahren, fielen die Antworten für ihn schockierend aus. Er hörte Äußerungen wie „So etwas gibt es hier nicht“ oder „Da war einmal ein Mann mit Ohrring“. Dabei leben rund fünf Prozent der Berliner in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Nach Schätzungen Hamms sind in Berlin folglich über 1350 Lesben und Schwule in vollstationären Pflegeeinrichtungen untergebracht. Das entspricht fünf Prozent der rund 27 000 Pflegeplätze in Berlin.

„Wir wollen den Menschen einen Raum bieten, in dem sie so sein können, wie sie früher waren. Die Bewohner dürfen sich hier als homosexuell outen, müssen es aber nicht“, sagt Kerstin Wecker. In herkömmlichen Pflegeeinrichtungen müssten sie oft einen wichtigen Teil ihrer Biografie ausblenden oder sogar eine neue Lebensgeschichte erfinden. „Uns ist das Projekt ein persönliches Anliegen“, sagt die 47-jährige Leiterin des Hauses, die selber lesbisch ist. Der Kooperationsvertrag zwischen dem Asta-Nielsen-Haus und dem Village-Verein sieht vor, dass die Hälfte der Mitarbeiter, die auf der Pflegeetage beschäftigt sein werden, homosexuell sein soll. Wie viel Personal es geben wird, ist abhängig von der Anzahl und der Pflegestufe der Bewohner.

Zweimal im Monat müssen die Mitarbeiter Schulungen besuchen, in denen sie für den Umgang mit den schwulen und lesbischen Bewohnern sensibilisiert werden. Wichtige Ereignisse in der Geschichte der Homosexualität in der Bundesrepublik stehen dabei auf dem Lehrplan. So stellte beispielsweise bis 1969 der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch Homosexualität unter Strafe. Ein Umstand, der für die Generation der künftigen Heimbewohner von hoher Relevanz ist: Sie konnten viele Jahre lang nicht offen mit ihrer Identität umgehen und sollen mit den Pflegern über alles reden können.

Zur Betreuung gehören wahlweise regelmäßig stattfindende Sprechstunden vom Verein Village. Außerdem haben sich zwei lesbische Frauen gemeldet, die ehrenamtlich arbeiten werden und mit den Bewohnern sprechen, gemeinsam Kuchen backen oder ins Café oder Kino gehen sollen. Die Pflegeleistungen auf der Etage seien natürlich die gleichen wie in anderen Heimen auch, sagt Kerstin Wecker.

Viele, die sich an den Verein Village wenden und sich für Initiativen zur Betreuung im Alter interessieren, sind noch relativ jung – oft sind sie erst um die 40 Jahre alt. Da sie meist keine Kinder haben, ist die Betreuungsfrage für Homosexuelle vielfach schon in jüngeren Jahren von Bedeutung. Es haben sich auch 60-Jährige erkundigt, ob sie auf der entstehenden Pflegeetage helfen können. Dahinter steckt nach Christian Hamms Einschätzung sicher auch die Hoffnung, später im Alter eine ähnliche Betreuung zu erfahren.

Bei einer Anzahl von etwa 1300 Schwulen und Lesben in Pflegeheimen sind 28 Plätze in der Village-Pflegeetage zunächst nur ein kleiner Anfang. Christian Hamm hofft, dass die Gründung der Einrichtung zu weiteren Initiativen motiviert. Zusätzlich müsse aber ganz klar in den bestehenden Heimen mehr Öffnung stattfinden.

Sowohl in der Wissenschaft als auch in vielen Interessenverbänden gebe es inzwischen den Konsens, dass spezielle Pflegeeinrichtungen für Homosexuelle notwendig sind, sagt Kerstin Wecker. Aber es sei natürlich kein geringes Risiko, eine solche Institution aufzubauen. „So etwas als Erster zu wagen, braucht starke Schultern.“Oriana zu Knyphausen

Haus Asta Nielsen, Asta-Nielsen- Straße 1 in Pankow, www.haus-asta-nielsen.de; Village e. V. Elberfelder Straße 32, 10555 Berlin. www.village-ev.de

Oriana zu Knyphausen

Zur Startseite