zum Hauptinhalt

Berlins Grundsteinlegungen: Mit Arnold Schwarzenegger in der Baugrube des Stadtschlosses

Am Mittwoch wird mal wieder ein Grundstein gelegt, dieses Mal für das Stadtschloss. Das feierliche Zeremoniell soll Glück bringen. Geklappt hat das aber nicht immer. Ein Rundgang zu Zwergen, Bären und bösen Geistern. Bauhelm auf!

Drei Hammerschläge auf den Grundstein, um böse Geister vom Neubau fernzuhalten, dann folgt ein Spruch des Bauherrn – und dann wird das Sektglas erhoben. Oder eher die Bierflasche, die passt ja besser auf die Baustelle. Immer dieselbe Prozedur? Ja, beinahe. In Berlin aber kommen bei einer Grundsteinlegung auch mal Zwerge, Elefanten, Bären und Arnold Schwarzenegger ins Spiel, doch dazu später. Erst mal steht am Mittwoch der nächste Festakt an: 1000 Gäste sind dorthin geladen, wo einmal das Schloss entstehen soll. Der 2,5 Tonnen schwere Sandsteinblock liegt bereit, die „Zeitkapsel“ auch. Für Berlin ist solch eine Grundsteinlegung ein Ereignis, das immer wieder unterhaltsame Geschichten begleitet haben.

Auf dem Elefant durch Kreuzberg
Eine der absurderen spielt im Mai 2000 in Kreuzberg: Zwei Elefanten trampeln zum neuen Tempodrom, ein Bau, der einem Zirkuszelt ähnelt. Sie sollen den Grundstein heranschleppen. Begründung der Veranstalter: „Schon in der Antike wurden Elefanten bei Großbauprojekten eingesetzt.“ Das eine Tier futtert allerdings die Blätter von den Straßenbäumen, auf dem anderen kommt Senator Peter Strieder angeritten. „Die Ohren sind relativ weich. Man kann sich gut daran festhalten“, sagt er. Strieder verliert später trotzdem den Halt: Er stolpert nicht über den Grundstein, aber doch über die Tempodrom-Affäre.

Zeig mal die Tatze
Überhaupt: tierische Inszenierungen. Als das Märkische Viertel in den Sechzigern ein Einkaufszentrum erhielt, brachte ein Tierpfleger mit Zoomütze einen kleinen Bären mit und drückte dessen Tatze in den frischen Mörtel. Ein Abdruck für die Ewigkeit. Einen Bären schleppte auch Klaus Wowereit 66 Jahre später zur Grundsteinlegung der O2-World: einen blauen Buddy-Bären. Den stopfte er in die Zeitkapsel, die gern in hohle Grundsteine eingemauert wird – in diesem Fall aber eher eine große Kiste war: Neben Tageszeitungen, Münzen und dem Buddy-Bären stecken darin eine Fahne des US-Bundesstaats Kalifornien, signiert von Arnold Schwarzenegger, außerdem ein WM-Trikot, signiert von Jürgen Klinsmann, die Drehbücher von Veronica Ferres’ Rolle im Film „Checkpoint Charlie“, eine Schellackplatte von Marlene Dietrich und das neueste UMTS-Handy. Schönen Gruß an die Nachwelt!

Hör mal, wer da hämmert
Unzählige Bräuche gibt es zur Grundsteinlegung, die symbolisch den Auftakt eines Hausbaus ankündigt. Kleine Kostprobe aus dem „Handwoerterbuch des Deutschen Aberglaubens“ (1931) gefällig? Montags darf man nicht mit dem Hausbau beginnen und freitags keinen Schornstein errichten. Eingemauert werden soll ein Wacholderstrauch, weil der – wie die Hammerschläge – böse Geister vertreibt. Und mit den abgebrochenen Zweigen können Zwerge einen Grundstein heranwälzen.

Einstürzende Neubauten
Rituale auf dem Bau sind kompliziert. Hohle Grundsteine werden nach Baubeginn schon mal ersetzt und Zeitkapseln an anderer Stelle wieder eingebaut. Redakteur und Tagesspiegel-Urgestein Ekkehard Schwerk erinnerte sich einst an den Einsturz der alten Kongresshalle 1980 im Tiergarten. Die Ermittler wollten einen Schuldigen finden, der beim Bau 1956 geschludert hatte – da fiel ihnen ein, dass in der Zeitkapsel ja noch die Baupläne steckten. Ein Arbeiter klopfte also so lange gegen die Steine, bis er einen Hohlraum bemerkte und die Unterlagen herausholte. Kleiner Haken: Aus Angst vor bösen Geistern wollte der Bauarbeiter die geöffnete Schatulle nicht mehr im aufgebauten Haus der Kulturen der Welt einbauen und ließ sich nur ganz langsam überreden.

Berlins kleinster Grundstein
Berlin und seine Flughäfen! Fassen wir uns kurz: Den TXL-Grundstein hat der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz mit dem damaligen französischen Stadtkommandanten 1970 gesetzt. Beim Bau des BER gab es einen „symbolischen Spatenstich“, der ja eine ähnliche Symbolkraft hat wie die Grundsteinlegung. In die Zeitkapsel für den Riesenhangar wurden Glücksmünzen (US-Dollar und Yuan) und eine Air-Berlin-Aktie eingemauert. Ein echter Glücksbringer war dagegen der kleinste Grundstein der Stadt – für den BER im Legoland am Potsdamer Platz. Dieser Airport ist fertig.

Grundstein der Republik
Am 26. November 1973 wurde am Marx-Engels-Platz feierlich der Grundstein gelegt für den Palast der Republik. Erich Honecker, mit Sektglas in der Hand, reichte die Zeitkapsel einem Tiefbauer namens Klaus Kuchenbecker in die Grube. Darin enthalten: Tageszeitungen aus dem Sommer 1973, als das große DDR-Wohnungsbauprogramm beschlossen wurde. Drei Hammerschläge – und weg war das gute Stück. Die Kapsel soll übrigens immer noch im Palastfundament stecken, denn das wurde ja nicht entfernt. Schade, denn das Finden einer Zeitkapsel ist hoch interessant – so wie im Jahr 2010, als die Grundsteinkassette von 1887 aus der ehemaligen Dorfkirche Friedrichsfelde vorsichtig aufgebrochen wurde. Gut erhalten steckte darin die „Neue Preußische Zeitung“ und ein Fahrplan der Eisenbahn, die damals noch viel weniger Züge aufs Gleis geschickt hat als die S-Bahn in schlimmsten Krisenzeiten.

Senator Peter Strieder ritt 2000 auf einem Elefanten zur Grundsteinlegung des Tempodroms.
Senator Peter Strieder ritt 2000 auf einem Elefanten zur Grundsteinlegung des Tempodroms.

© IMAGO

Ein Stein mit 2000 Visitenkarten
In den Neunzigern fand gefühlt jeden Tag eine Grundsteinlegung statt, vor allem am Pariser und Potsdamer Platz. Es wurde alles Mögliche im Stein versenkt. Der Architekt der DZ-Bank am Pariser Platz warf seinen teuren Borsalino-Hut hinein. Den Kupferzylinder am Kanzleramt versenkte Helmut Kohl 1997 und ließ dann die Nationalhymne spielen. Am Potsdamer Platz trafen sich 2000 Menschen in der zehn Meter tiefen Debis-Baugrube. Hinab ging es übrigens auf Sandwegen, weil die Bautreppe zu klapprig war für die Menschenmassen – und dort unten steckte jeder Anwesende seine Visitenkarte in den Stein, eine Gästeliste für die Ewigkeit. Übrigens wurde auch etwas Geld verstaut. Lakonischer Kommentar des Bauchefs: „Ausbuddeln lohnt nich’.“ Bei der Grundsteinlegung des Sony-Centers gab es eine japanische Grundsteinzeremonie mit Sake statt Sekt, und im Grundstein des Bundespräsidialamts steckt ein Tagesspiegel.

Grundstein? Welcher Grundstein?
Am Hauptbahnhof dürften sie ganz froh sein, dass niemand mehr an die Kapsel vom September 1998 unter dem Treppenhaus herankommt – darin titeln nämlich die zusammengerollten Tageszeitungen, dass der supertolle Lehrter (!) Bahnhof 2003 (!!) fertig sein soll samt Transrapidanschluss (!!!) im Untergeschoss, was bekanntlich alles nicht so ganz stimmte. Beim Fernsehturm braucht auch niemand nach dem Grundstein zu suchen: „Es gab keine Kassette mit neuesten Münzen, Gazetten und Dokumenten, die feierlich im Grundstein zugemauert wurde“, schreibt Tagesspiegel-Autor Lothar Heinke in seinem Buch über den Fernsehturm (2009). „Der Berliner Fernsehturm war quasi ein Schwarzbau, denn als sich Anfang Mai 1965 die ersten Baggerzähne in den Boden fraßen, fehlten entscheidende staatlich beglaubigte Dokumente (die aber später nachgeliefert wurden).“

Tagesspiegel-Altarchiv und viel Luft
Diesig war im November 1963 der Himmel, graue Wolken hingen über der Baustelle für das Europa-Center, unten standen Männer mit weißen Helmen vor der Deutschlandfahne, vorneweg Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt. In die Zeitkapsel für das erste Hochhaus der Stadt (103 Meter) wurde der Tagesspiegel gelegt. Das ist toll – aber noch viel origineller waren die Damen und Herren beim Potsdamer Klimaforschungsinstitut. Sie füllten die Zeitkapsel mit Regenwasser, märkischem Boden sowie Brandenburger Luft und eine Ausgabe der „Nature“. In Potsdam haben sie ohnehin ganz spezielle Erfahrungen gemacht mit Grundsteinlegungen. Bei der fürs Schloss, also den Landtag, hatte das Volk draußen vor der Baustelle bleiben müssen, was hinterher einen Riesenärger gab. Die Schlosszeremonie in Mitte ist übrigens auch nicht öffentlich…

Der nie eingebaute Grundstein
„Hier entsteht das Deutsche Historische Museum. Die Bundesrepublik Deutschland schenkt das Museum dem Land Berlin zum 750-jährigen Jubiläum der Stadt. – 26. Oktober 1987.“ So steht es auf dem Grundstein, der für den Neubau des Deutschen Historischen Museums im Spreebogen zwischen dem Platz der Republik und der Kongresshalle vorgesehen war. Dann kam die Wende dazwischen – und der Stein ins Museum.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false