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Warten als Volkssport: Wer ein Termin bei einem der Berliner Bürgerämter haben will, braucht Zeit.

© Cay Dobberke

Berlins Innensenator Frank Henkel im Interview: "Der Zustand der Bürgerämter ist nicht akzeptabel"

Innensenator Frank Henkel (CDU) über schlechten Kundenservice, Reibungen mit der SPD, seine Dienstreisen und den Streit um Senator Czaja.

Von Sabine Beikler

Herr Henkel, haben Sie Michael Müller eine Weihnachtskarte geschrieben?

Ja, das habe ich.

Was haben Sie geschrieben?
Ich wünsche ihm und seiner Familie ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen harmonischen Jahreswechsel.

Der Regierende Bürgermeister hat die CDU und insbesondere Sozialsenator Czaja in der letzten Zeit scharf attackiert. Warum haben Sie nicht schon früher auf den Tisch gehauen und Czaja Rückendeckung gegeben?
Ich kann auf andere Art deutlich machen, wie ich Dinge bewerte. Warum sollte ich permanent Rumpelstilzchen spielen? Ständig auf den Tisch haut man, wenn das eigene Selbstwertgefühl schwach ausgeprägt ist. Das sind Gesten, die die Ausnahme bleiben sollten. Sonst nutzt sich so etwas schnell ab.

Hat Michael Müller mit Ihnen über eine Entlassung von Czaja gesprochen?
Wir haben einige Gespräche geführt, in denen er sich kritisch über die Situation am Lageso geäußert hat.

Was würde passieren, wenn Müller die Idee hätte, einen CDU-Senator zu entlassen, was er von Amts wegen auch könnte?
Michael Müller hat Senatoren ernannt, er kann sie auch wieder entlassen. Und es kann natürlich immer Gründe geben, die einen solchen Schritt erforderlich machen. Klar ist aber, der Verbleib von Mario Czaja im Senat ist für uns nicht verhandelbar.

Würde die Koalition dann zerbrechen?
Ja.

Frank Henkel ist seit 2011 Innensenator und Bürgermeister. Der CDU-Parteichef will als Spitzenkandidat seine Partei 2016 in den Wahlkampf führen.
Frank Henkel ist seit 2011 Innensenator und Bürgermeister. Der CDU-Parteichef will als Spitzenkandidat seine Partei 2016 in den Wahlkampf führen.

© Mike Wolff

Die Kritik an Senator Czaja reißt ja nicht ab. Nun erwecken interne Mails aus dem Jahre 2013 den Eindruck, Politiker hätten mit Czajas Hilfe Flüchtlingsheime in deren Wahlkreisen verhindert. Das hat er vehement abgestritten. Haben Sie selbst Anrufe oder Mails von Politikern erhalten?
Ich kann mich an keine entsprechenden Mails erinnern. Wir haben aber immer darüber diskutiert, wie man eine sozial gerechte Verteilung in der Stadt hinbekommt.

Aber trotzdem bleibt der Eindruck nach Parteiklüngel.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass Mario Czaja gesagt hat, es sei bewusst gewollt, dass sich auch Politiker einbringen in Standortentscheidungen. Ich habe daher keinen Grund; an den Aussagen von Mario Czaja zu zweifeln.

Der für Flüchtlingsfragen zuständige Staatssekretär Glietsch kritisiert den Spandauer SPD-Bürgermeister Kleebank, weil dieser zwar Gründe auflistet, warum Turnhallen als Unterkünfte nicht geeignet sind, aber keine Alternativen benennt. Hat Glietsch recht?
Wenn die Bezirke die Nutzung von Turnhallen als Flüchtlingsunterkünfte kritisieren, liegt das ganz auf meiner Linie. Turnhallen sind die schlechteste Lösung, um Flüchtlinge unterzubringen. Der Regierende Bürgermeister hat gesagt, dass Berlin noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könne und dass alle freien Hallen zur Verfügung gestellt werden müssten. Ich sehe das sehr viel skeptischer. Wir müssen die Zahl der Flüchtlinge reduzieren.

Eine Verweigerungshaltung wird es nicht mehr geben, sagte Müller in seiner Regierungserklärung. Auch die Senatoren müssten in ihrer Zuständigkeit Verantwortung übernehmen und Dinge verbessern. Was verbessern Sie in ihrer Zuständigkeit?
Bei aller Aufgeregtheit stelle ich fest, dass die Situation vor dem Lageso schwierig war und ist. Aber das, was die Mitarbeiter dort leisten, darf nicht in den Hintergrund treten. Bisher hat Berlin über 70 000 Flüchtlinge aufgenommen, davon knapp über 50 000 seit dem 5. September. Am Tag kommen zirka 400 Flüchtlinge nach Berlin. Wir sind alle im Senat aufgefordert, Prozesse zu verbessern, Personal zur Verfügung zu stellen. Die Innenverwaltung liegt da weit vorn. Wir haben beispielsweise das Berliner Modell zur schnelleren Bearbeitung von Fällen in der Bundesallee eingeführt. Damit können wir die Bearbeitungszeit von bisher regelmäßig zwölf Monaten auf im besten Fall einen Tag reduzieren.

In seiner Regierungserklärung schoss Müller auch gegen Sie. Wie könne man sich besoffen reden am Instrument der Abschiebung, kritisierte Müller. Sie hatten sich immer wieder für mehr Abschiebungen stark gemacht. Bleiben Sie dabei?
Absolut. Mein Ziel ist und bleibt es, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Das hat auch der Landesvorstand der CDU auf meinen Vorschlag hin beschlossen. Das steht auch in der Karlsruher Erklärung der Bundespartei. Wir können und müssen Menschen helfen, die in Not zu uns kommen. Aber wir können nicht allen Menschen, die zu uns kommen wollen, in Deutschland eine neue Heimat geben. Diejenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, müssen zurückkehren.

Am Tag der Regierungserklärung von Michael Müller waren Sie bei der Sportministerkonferenz. Warum haben Sie die nicht abgesagt?
Ich konnte nicht im Ansatz ahnen, dass die Regierungserklärung eine solche Wendung bringt. Das war auch keine Regierungserklärung, sondern eine Erklärung von Michael Müller. Eine Regierungserklärung sollte inhaltlich den politischen Partnern bekannt sein. Das war sie nicht. Es stand deshalb auch nicht zur Debatte, dass ich nicht wie andere Senatskollegen auch zu einer Fachministerkonferenz fahre. Das gehört zu meinen Aufgaben als Sportsenator.

Sie sind aber der Senator mit den meisten Dienstreisen ...
... Aber das ist doch nicht schlimm.

Die Piratenfraktion wollte Ihnen schon die Mittel im Haushalt dafür sperren. Die Opposition kritisiert, dass Sie zu wenig in den Ausschüssen vertreten sind. Sind alle Reisen notwendig?
Das ist eine extrem kleinkarierte Debatte. Wenn ich eingeladen werde, werde ich meine Heimatstadt Berlin auch weiterhin vertreten und im Ausland für sie werben. Der Eindruck, der suggeriert werden soll, ist, die politische Führung würde sich wegducken. Das ist nicht der Fall. Zur politischen Leitung meines Hauses gehören zwei Staatssekretäre. Es ist nicht unbillig, dass die Staatssekretäre in den Ausschüssen auch Rede und Antwort stehen. Wenn ich als Bürgermeister Termine des Regierenden Bürgermeisters übernehme und zum Beispiel an dem Termin einer Plenarsitzung nach Warschau anlässlich des Gedenkens des 70. Jahrestages des Aufstands im Warschauer Ghetto fahre oder nach Israel oder nach Washington, dann werde ich das auch weiterhin tun. Es ehrt mich sehr, dass die Opposition glaubt, ausschließlich mit mir zu Themen der inneren Sicherheit sprechen zu wollen.

Trotzdem gibt es die Kritik, dass die Innenverwaltung parlamentarische Anfragen unzureichend beantwortet. Ist Ihre Verwaltung schlecht aufgestellt?
Meine Verwaltung ist gut aufgestellt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen sehr gute Arbeit.

Schauen wir uns die 44 Bürgerämter an. Es gibt keine Termine, obwohl die Ämter weniger Vorgänge als im Vorjahr bearbeiten. Ihre Verwaltung antwortet in einer Anfrage, dass die Bezirke Statistiken über Fallzahlen erst ab 2016 erheben. Es fehlt an einem einheitlichen Kennzahlensystem. Warum greifen Sie nicht durch?
Wir müssen über die Probleme in den Bürgerämtern nicht drumherum reden. Der Zustand ist nicht akzeptabel. Die Bezirke erhielten zunächst 31, jetzt noch weitere 36 Stellen. Jetzt sind die Bezirke gefordert, auf diese Stellen auch schnellstmöglich Menschen zu setzen, damit sie für den Kundenbetrieb zur Verfügung stehen.

Dann kommen wir doch zur rot-schwarzen Koalition. Hält diese zerrüttete Koalition noch bis zur Wahl im September durch?
Wir haben einen Vertrag bis 2016. Die CDU ist vertragstreu.

Auf dem Tempelhofer Feld sollen temporäre Bauten für Flüchtlinge errichtet werden. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop beklagt sich, dass die Koalition wegen der CDU nicht so zügig den Gesetzentwurf zur temporären Bebauung beschließen konnte.
Es ist schon sehr interessant, dass eine grüne Abgeordnete parlamentarische Prozesse in Zweifel zieht. Das lässt tief auf den inneren Zustand der Grünen blicken. Die Grünen sind offenbar bereit, für ein rot-grünes Bündnis ihre eigenen Überzeugungen über Bord zu werfen.

Was wünschen Sie sich für 2016?
Ich will mit der CDU stärkste politische Kraft in Berlin werden und Regierender Bürgermeister werden.

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