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Dr. Bernd Pickel Präsident des Landgerichts Berlin.

© Kai-Uwe Heinrich

Berlins Kammergerichtspräsident: Bernd Pickel: "Ich habe keine Revolution vor"

Bernd Pickel hat seit Kurzem eines der wichtigsten Ämter der Berliner Justiz. Er setzt auf behutsame Veränderungen und politische Unabhängigkeit.

Von Fatina Keilani

Hat dieser Mann eigentlich Eigenschaften, haut er auch mal auf den Tisch? Kaum vorstellbar, so gleichbleibend freundlich wirkt er. Bernd Pickel ist Berlins neuer Kammergerichtspräsident und somit Inhaber eines der wichtigsten Posten in der Berliner Justiz. Nun hängt es von ihm ab, was er daraus macht. Das Kammergericht ist in Berlin das, was anderswo Oberlandesgericht heißt. Es ist das höchste Berliner Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sein Präsident wird besser bezahlt als der Generalstaatsanwalt. Wer politisch ist, kann eine ganze Menge aus dem Job machen. Als politisch sieht sich Pickel allerdings gerade nicht.

Da er unter Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) bestallt wurde, galt er vielen als CDU-nah, doch das will der 56-Jährige so nicht stehen lassen. „Für mich persönlich finde ich es schwierig, als Richter einer Partei zugehörig und zur Loyalität verpflichtet zu sein; die Unabhängigkeit ist ja unser größtes Pfund“, sagt Pickel. Zum Landgerichtspräsidenten sei er von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) ernannt worden, und zum Vizepräsidenten des Kammergerichts von Ehrhart Körting (SPD). Das habe er auch den Abgeordneten gesagt. Er habe auch nicht vor, in eine Partei einzutreten.

Projekt elektronische Akte

Als seine Amtsvorgängerin Monika Nöhre im Jahr 2002 ans Gericht kam, war Pickel als Vize schon da. Über Nöhre hat er nur Gutes zu sagen. Sie hatte damals einen rückständigen Laden übernommen und diesen soweit modernisiert, bis er halbwegs das zeitgenössische Niveau erreicht hatte. Das Berliner Dauerproblem einer funktionierenden IT-Ausstattung konnte sie aber auch nicht abschließend lösen, und so hat Pickel mit der geplanten elektronischen Akte sein größtes Projekt vor sich liegen.

Das Gericht kennt er gut und lange. Schon 1992 kam er hierhin, damals noch als junger Zivilrichter mit eigenem Dezernat. Schon damals sah er sich im „Richterhimmel“ angekommen – ein Begriff, den Nöhre prägte, als sie, aus Hamburg kommend, den Job in Berlin übernahm. Anders als Nöhre ist Pickel ein reines Kind der Berliner Justiz. 1999 wurde er Vize.

Was findet er vor, was will er verändern? „Ich habe keine Revolution vor“, sagt Pickel dazu nur; alles andere hätte überrascht. Seine Fußballvergleiche seien gefürchtet, sei’s drum: „Wenn ein neuer Trainer kommt, muss er gucken, ob das Spielsystem gleich bleibt. Wir haben eine gute Mannschaft, aber viele Mitarbeiter suchen eine Perspektive in anderen Bereichen, es ist vieles im Fluss.“

Das kann man wohl sagen, denn es werden von zehn Dezernenten zu Jahresbeginn mindestens vier den Job wechseln. Ist das jetzt gut oder schlecht? Pickel bewertet es nicht. Es hätten sich wohl auch Wechselwünsche aufgestaut. Als klar war, dass Nöhre geht und zugleich ihre Vizepräsidentin Heike Forkel schwer erkrankte und länger ausfiel, hätten einige Dezernenten mit dem Wechsel gewartet. Schließlich sei nun monatelang eine Doppelvakanz an der Spitze des Gerichts gewesen.

Das Verfahren sei fair gewesen

„Ich werde eine Zeitlang auch die Aufgaben der Vizepräsidentin ausfüllen müssen“, sagt Pickel. Ob er schon einen Nachfolger am Landgericht im Auge habe, oder einen Vize am Kammergericht? „Das kann man heute gar nicht mehr, jemanden im Auge haben“, sagt Pickel dazu. „Es gibt Anforderungsprofile und ziemlich spezifische Ausschreibungen, und man muss den Besten nehmen.“ Diese transparenten Verfahren seien unberechenbar, außerdem habe es früher so gut wie keine Konkurrentenklagen gegeben, heute hingegen ständig. Die beiden freien Stellen werden demnächst ausgeschrieben.

Für den Job, den er jetzt hat, hätten sich theoretisch sogar Bundesrichter bewerben können, falls diese nach Berlin gewollt hätten – er ist mit der Besoldungsgruppe R 8 besser besoldet. Es hat aber keiner getan. Die einzige Konkurrentin war Amtsgerichtspräsidentin Gabriele Nieradzik, die mit Pickel zusammen schon in der Kommission für die Justizreform war, anno 2004. Vermutlich strebt sie jetzt den Chefsessel am Landgericht an. Das Verfahren sei fair gewesen, sagt Pickel. Der Kammergerichtspräsident wird laut Berliner Richtergesetz vom Abgeordnetenhaus gewählt.

Briefmarken sammeln

Führungslose Gerichte sind in Berlin keine Seltenheit; nach dem Abgang von OVG-Präsident Jürgen Kipp dauerte es zwei Jahre, bis im Dezember 2013 dann sein Nachfolger Joachim Buchheister das Amt antrat, und auch das Landessozialgericht hat schon seit Längerem keine Präsidentin. „Das war früher anders“, erinnert sich Pickel. „Als ich Landgerichtspräsident wurde, wurden der Abschied meines Vorgängers Peter-Joachim von Drenkmann und mein Dienstantritt bei derselben Feier begangen, und ich trat am selben Tag mein Amt an.“ Das gebe es heute praktisch nicht mehr.

Wie viel Freizeit er künftig hat, kann der Kammergerichtschef noch nicht abschätzen. Zum Pilzesammeln, einem seiner Hobbys, war es in diesem Jahr ohnehin zu trocken. Weitere Freizeitbeschäftigungen sind: turniermäßig Bridge spielen und Briefmarken sammeln. Und zwar „leidenschaftlich“.

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