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Regine Günther, 54, hat für die Grünen das neu gebildete Senatsressort für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz übernommen.

© Thilo Rückeis

Berlins Klimasenatorin Regine Günther: "Ich will niemandem das Autofahren verbieten"

Regine Günther ist Berlins neue Klimasenatorin – und auch für den Verkehr zuständig. Im Interview kündigt sie Sanktionen für Dieselfahrzeuge und Erleichterungen für Radfahrer an – und spricht über die autofreien Linden.

Frau Günther, was für ein Auto fahren Sie eigentlich?
Privat habe ich keins. Nicht aus asketischen Gründen, sondern aus Bequemlichkeit. Ich komme mit den Öffentlichen gut zurecht und habe weder Lust auf Reifenwechsel noch auf Samstage an der Tankstelle. Ab und zu miete ich mir am Wochenende mal ein Auto. Als Dienstwagen hatte ich erst einen Audi A3 als Hybrid aus dem Senatsfuhrpark, dann kurz einen BMW Hybrid. Jetzt sollen neue Dienstwagen geleast werden; ich bleibe aber bei einem emissionsarmen Fahrzeug.

Macht der vor Selbstbewusstsein strotzende Fahrrad-Volksentscheid Ihnen schon ordentlich Dampf, damit Sie das Radverkehrsgesetz übernehmen?

Ein Radgesetz ist ganz oben auf unserer Agenda. An der genauen Ausgestaltung arbeiten wir und da sind die Initiativen eingeladen, sich zu beteiligen. Die Resonanz auf das Fahrrad-Volksbegehren hat gezeigt, dass es ein großes Bedürfnis für bessere und sichere Mobilität für Radfahrer gibt. Die ersten Gespräche, die wir geführt haben, waren konstruktiv und vertrauensvoll.

Mit Umwelt, Verkehr und Klimaschutz leiten Sie aus Sicht der Grünen das Traum-Ressort schlechthin...

…das sehe ich genauso.

Spüren Sie schon den Druck aus der Partei, schnelle Erfolge zu liefern?

Was ich spüre, ist große Unterstützung – sowohl hier im Haus als auch bei den Grünen. Die Erwartung, dass ich liefern muss, gibt es zweifellos, und ich halte sie für berechtigt. Aber das war beim WWF nicht anders. Es wurde nur von der Öffentlichkeit nicht so intensiv beobachtet.

Gerade hat eine Studie im Auftrag ihres früheren Arbeitgebers, des Umweltverbandes WWF, ergeben, dass Deutschland zwecks Klimarettung dringend aus der Kohle aussteigen muss. Wie sieht Ihr Ausstiegsszenario für Berlin aus, wo Hunderttausende Haushalte über Kohlekraftwerke beheizt werden?

In Berlin geht es um vier Kraftwerke, die alle sowohl Strom als auch Fernwärme produzieren. Den Stromersatz sehe ich unkritischer, da man ihn zukaufen kann, die Fernwärme müssen wir ersetzen. Da es sich um Uralt-Kraftwerke handelt, scheint mir ein Ausstiegstermin 2030 recht spät. Als zuständige Verwaltung für den Kohleausstieg werden wir sehr bald mit Vattenfall ins Gespräch kommen.

Der CO2-Ausstoß von Berlin stagniert seit Jahren, sodass das Etappenziel – minus 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Referenzjahr 1990 – kaum zu schaffen sein dürfte.

In der Tat gibt es schon etwa seit dem Jahr 2000 kaum Fortschritte. Ein schnellerer Kohleausstieg würde natürlich sehr helfen. Ansonsten müssen wir an die Infrastruktur ran: also Häuser mit alternativer Energie versorgen und dämmen; darüber werde ich mit Frau Lompscher beraten …

… die als Umweltsenatorin selbst leidvoll erfahren musste, wie viel Ärger man sich mit halbgaren Klimaschutzkonzepten einhandeln kann.

Stimmt. Das wird auch eher mittelfristig Effekte erzielen, mit Wirkung in vielleicht 10 bis 15 Jahren. Ich möchte da Frau Lompscher nicht vorgreifen, in deren Verantwortung als Bausenatorin das hauptsächlich fällt. Fakt ist aber, dass an einer konzertierten Aktion kein Weg vorbeiführen wird.

Im Verkehrsbereich sind die Emissionen seit der Wende überhaupt nicht gesunken.

Deshalb müssen wir den Berlinerinnen und Berlinern verstärkt Alternativen zum Auto anbieten, also den öffentlichen Nahverkehr und die Infrastruktur zum Radfahren ausbauen. Wobei das Klimaproblem nicht zwangsläufig mit dem Auto zu tun hat, sondern zunächst einmal damit, dass Öl verbrannt wird. Also müssen wir wegkommen von den Verbrennern – hin zu Elektromobilität auf Basis erneuerbarer Energien. Dafür müssen die E-Autos praxistauglicher und bezahlbar sein und die Infrastruktur muss stimmen. Letzteres ist unsere Aufgabe. Und wir können als Landesverwaltung die Leute durchaus animieren, sich saubere Autos zu kaufen statt schmutziger.

Apropos: Wer sich jetzt einen Diesel kauft, bekommt in vielen Fällen ein Fahrzeug, das auf dem Papier recht sauber ist, aber im Alltagsbetrieb die Luft verpestet. Für wie viele Jahre würden Sie den Leuten garantieren, dass sie mit ihren neuen Dieselfahrzeugen noch in die Innenstadt dürfen?

Es wäre unseriös, jetzt eine Zahl zu nennen. Aber Diesel-Autos belasten die Mitmenschen besonders stark, die Abgase machen krank. Vor allem Kinder werden durch die Stickoxide geschädigt. Deshalb müssen wir weg von diesen Autos. Für Fahrzeuge mit hohem Stickoxid-Ausstoß werden wir um Auflagen nicht herumkommen, etwa durch blaue Umweltplaketten. Aber auch das braucht Zeit, zumal diese Plaketten im Bund bisher nicht die nötige politische Unterstützung bekommen. Es hätte wenig Sinn, wenn ich jetzt unausgegorene Vorschläge präsentiere.

Da die geltenden Grenzwerte für die Luftqualität ständig überschritten werden, bleiben kurzfristig doch nur lokale Fahrverbote als Alternative.

Das werden wir im Einzelfall prüfen und die Interessen – Mobilität der einen, Gesundheit der anderen – abwägen, aber so weit sind wir noch nicht. Ich will niemandem das Autofahren verbieten, sondern für eine gesunde Mischung sorgen, in der ÖPNV und Radverkehr ebenso ihren Platz haben wie der Autoverkehr. Allerdings kann es in einer wachsenden Stadt nicht das Ziel sein, dass immer mehr Autos um immer weniger Platz zum Stehen und Fahren konkurrieren. Deshalb müssen wir den Menschen Alternativen anbieten. Indem wir die aufbauen, können wir den Autoverkehr reduzieren.

Für den Boulevard Unter den Linden ist dieser Plan sogar als Modellvorhaben in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Sitzen Sie schon am Konzept für den autofreien Boulevard?

Wir erarbeiten in diesem Jahr den Rahmen für die Machbarkeitsstudie dazu. Das Ziel ist klar, aber ich will dieser Studie nicht vorgreifen. Sonst könnten wir sie uns gleich sparen.

Der ADAC hat vorgeschlagen, statt der Linden lieber die viel engere Friedrichstraße vom Autoverkehr zu befreien – was auch der ADFC so sieht. Was halten Sie davon?

Mir scheint das schwieriger, weil der Nord-Süd-Verkehr kaum eine Alternative zur Weidendammer Brücke über die Spree hat. Ich bin da sehr zurückhaltend.

Die Enge und der starke Fußgängerverkehr betreffen ja eher den weiter südlich gelegenen Teil der Friedrichstraße, etwa zwischen Linden und Checkpoint Charlie.

Auch da sehe ich keine vernünftige Alternative, zumal die Wilhelmstraße geschlossen ist. Ich will nichts ausschließen, aber es scheint mir schwieriger als bei den Linden. Deshalb konzentrieren wir uns erst einmal auf die.

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