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Noch nicht fertig, und schon ist der künftige Inhalt umstritten. Denn die Sammlung des Ethnologischen Museum soll hier einziehen - doch die Kunst gilt zu großen Teilen als "Beutekunst".

© dpa

Berlins koloniale Beutekunst: Kritiker fordern Baustopp am Humboldt-Forum

Noch bevor das Humboldt-Forum mit Kunstwerken gefüllt werden kann, ist der künftige Inhalt umstritten. Der Vorwurf der Kritiker: Es handelt sich um Beutekunst. Nun fordern sie den Planungstopp.

Das Humboldt-Forum gewinnt an Kontur. Der Rohbau wächst, und mit ihm der Widerstand gegen das neue alte Stadtschloss in Berlins Mitte. Im nahegelegenen Wedding, Kameruner Straße, Afrikanisches Viertel, treffen sich nun regelmäßig die Organisatoren von „No Humboldt 21“. Sie wollen die Diskussion um das Humboldt-Forum noch einmal von vorne beginnen und verlangen einen sofortigen Baustopp. Nicht wegen unklarer Baukosten oder einer architektonisch verunglückten Ostfassade. Ihnen geht es um die künftigen Inhalte: die Exponate aus dem Ethnologischen Museum Dahlem, die künftig im Schloss gezeigt werden sollen. Für die Gegner sind die 500 000 Objekte im Bestand des Museums kein „Preußischer Kulturbesitz“, sondern größtenteils Beutekunst, die im Zeitalter des Kolonialismus mehr oder weniger gewaltsam ihren ehemaligen Eigentümern abgepresst worden sei.

"Beute von Kriegszügen"

Rund 80 entwicklungspolitische Vereine und Initiativen unterstützen die Initiative bereits. „Das Museum weiß selbst, dass das häufig Beute von Kriegszügen war“, sagt Christian Kopp, Historiker und Vorstandsmitglied des Vereins „Berlin Postkolonial“. Der Verein hat sich bisher um eine kritische Aufarbeitung der Weddinger Straßennamen mit Kolonialbezug gekümmert. Kopp, der aus Neuruppin stammt, hat eigentlich erst nach seinem Studium mitbekommen, wie grausam die deutschen Kolonialherren im heutigen Namibia, Kamerun und Tansania gegen die Bevölkerung vorgingen. In Schule und Universität werde darauf kaum eingegangen, ein blinder Fleck, von dem auch das Ethnologische Museum betroffen sei. Die Rückgabe geraubter Sammlungsstücke könne nicht mit dem stereotypen Verweis auf das Völkerrecht abgelehnt werden.

In der Debatte um NS-Raubkunst wird längst anerkannt, dass die Museen eine moralische Verpflichtung zur Rückgabe haben. Aber auch hier läuft die Aufarbeitung nur sehr schleppend, wie der aktuelle Fall des Sammlers Gurlitt zeigt.

Der Thron eines Sultans aus Kamerun wurde dem deutschen Kaiser als "Geschenk" überlassen, so heißt es offiziell. Die Kritiker gehen davon aus, dass die Übergabe auf Druck der Kolonialverwaltung erfolgte. Der Thron soll künftig im Humboldt-Forum gezeigt werden.
Der Thron eines Sultans aus Kamerun wurde dem deutschen Kaiser als "Geschenk" überlassen, so heißt es offiziell. Die Kritiker gehen davon aus, dass die Übergabe auf Druck der Kolonialverwaltung erfolgte. Der Thron soll künftig im Humboldt-Forum gezeigt werden.

© picture-alliance/Evans

Kopps Mitstreiter Mnyaka Sururu Mboro aus Tansania hat die britische Kolonialzeit noch als Kind erlebt. Damals hätten alle gewusst, dass die Gräber von Stammeshäuptlingen geöffnet und Schädel sowie Kultgegenstände nach Europa gebracht wurden. Wenn es heute keine offiziellen Rückgabeforderungen gebe, liege das vor allem an den Machtverhältnissen. Die tansanische Regierung wolle die guten Beziehungen zu Deutschland nicht gefährden. Michael Küppers-Adebisi, der sich in der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ engagiert, empfindet schon die Existenz eines Ethnologischen Museums als „Affront“. Damit werde die Zweiteilung der Welt in „Wir“ und „die Fremden“ fortgeschrieben. Auch Namenspatron Alexander von Humboldt habe Gräber geplündert und sich wie ein Kolonialherr verhalten.

Erwerbsumstände zweifelhaft

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann verweist Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) darauf, dass zur „Klärung von Besitz- und Eigentumsrechten“ Forschungen betrieben werden müssten. Wegen der knappen Ressourcen des Museums sei das aber nur „anlassbezogen“ möglich, zudem sei die Aktenlage wegen Kriegsverlusten lückenhaft. Von einem „rechtmäßigen Erwerb“ gehe das Museum „bei den Sammlungen, die nach 1945 erworben wurden“, aus. Diese umfassen 80 000 Objekte. Was im Umkehrschluss heißt: Bei 420 000 Objekten sind die Erwerbsumstände zweifelhaft.

Christian Kopp, Historiker, Mnyaka Sururu Mboro, Ingenieur aus Tansania, und Michael Küppers-Adebisi (v.l.) von der Initiative "No Humboldt 21" wollen das Konzept für das neue Stadtschloss zu Fall bringen.
Christian Kopp, Historiker, Mnyaka Sururu Mboro, Ingenieur aus Tansania, und Michael Küppers-Adebisi (v.l.) von der Initiative "No Humboldt 21" wollen das Konzept für das neue Stadtschloss zu Fall bringen.

© Georg Moritz

Auf eine Anfrage des Tagesspiegels erklärt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Wir sind uns der Problematik der Herkunft vieler Sammlungsstücke durchaus bewusst und verstecken diese nicht.“ Besonders sensibel ist die wertvolle Sammlung von 507 Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin im heutigen Nigeria. Für die Kritiker aber liegt auf der Hand, dass die Bronzen 1897 bei der Plünderung des Königspalastes durch die britischen Kolonialtruppen geraubt und anschließend in London und Lagos von Berliner Emissären aufgekauft wurden – Hehlerware gewissermaßen.

Das meiste bleibt im Depot

Senat und Stiftung bestätigen den Kauf, ohne auf das Thema Beutekunst einzugehen. Es handele sich um einen „rechtmäßigen Erwerb“. Außerdem gebe es keine Rückgabeforderungen. „Was heißt denn rechtmäßiger Erwerb?“, fragt dagegen Clara Herrmann. „Damals galt das Recht, Afrika auszubeuten. Ich vermisse eine intensive Aufarbeitung dieser Zusammenhänge.“

Die Stiftung versichert, im Humboldt-Forum den „von Berlin ausgegangenen Kolonialismus“ zu thematisieren. Kuratoren und Künstler aus den Herkunftsländern der Sammlungen würden eingeladen, das Forum mitzugestalten. „Der einseitige eurozentristische Blick früherer Darstellungen soll überwunden werden.“ Was im Schloss gezeigt werden soll, werde „hinsichtlich der Herkunftsgeschichte intensiv untersucht“.

Doch die meisten Stücke bleiben ohnehin im Depot. Derzeit würden im Dahlemer Museum von 500 000 Objekten nur 5000 gezeigt, sagt Kritiker Kopp, ein Prozent der Sammlung.

Gegner des Humboldt-Forums fordern einen Baustopp - zurecht findet unsere Autorin Andrea Dernbach. Lesen Sie hier auch unseren Kommentar zum Thema.

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