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Michael Müller (Archivbild).

© dpa

Berlins Regierender Bürgermeister: Michael Müller: "Wir müssen mehr in Personal investieren"

Der Regierende Bürgermeister Müller frühstückt mit Unternehmern, spricht über BER, ICC und die wachsende Stadt und räumt Fehler ein - beim Personalabbau im öffentlichen Dienst.

Von Sabine Beikler

Das war ein freundlicher Empfang für Michael Müller. Der Regierende Bürgermeister sprach am Mittwochmorgen beim „Business Breakfast“ von IHK und VBKI im Ludwig Erhard Haus vor 400 Gästen über die Herausforderungen einer wachsenden Stadt - und über ein „Lieblingsthema“ für viele Unternehmer: das ICC.

Müller nannte den Stillstand beim ICC eine „unwürdige Veranstaltung“. Dass man das ICC als Veranstaltungsort immer wieder in Frage stelle, sei eine „absurde Debatte“. Stattdessen müsse man darüber diskutieren, „wann es losgeht mit den Investitionen für die Ertüchtigung des ICC als Messe- und Kongressstandort“. Auch eine „Teilsanierung“ des ICC schloss Müller nicht aus.

"Bei Tegel würde die Politik heute vielleicht anders entscheiden"

Bei seinem „Lieblingsthema“ BER, wie er ironisch bemerkte, stünde die Politik in der Verantwortung. Für ihn stehe die Fertigstellung des BER im Vordergrund statt schon jetzt über Kapazitätsprobleme zu debattieren. Auf die Frage, warum nicht einfach der Flughafen Tegel geöffnet bleiben könnte, antwortete Müller, dass die Politik das damals so entschieden habe. „Es kann sein, dass die Politik das heute anders entscheiden würde.“ Aber angesichts von drohenden juristischen Verfahren würde wohl keiner „das Ding anfassen“. Er stehe als Aufsichtsratsvorsitzender zur Verfügung und werde sich wie berichtet von einem achtköpfigen Sonderreferat unter Leitung von Bau-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) unterstützen lassen. In diesem Referat sollen Mitarbeiter aus der Finanz- und Stadtentwicklungsverwaltung sowie aus der Senatskanzlei zusammenarbeiten. Bisher habe es nur zwei Personen aus der Senatskanzlei gegeben, die sich mit BER-Belangen auseinandergesetzt hatten.

Müller betonte, dass ihm „kommunale Themen“ wichtig seien. „Das gehört zum guten Regieren dazu.“ Es sei wichtig, den „Dialog mit der Stadt“ zu suchen und zu gegebener Zeit Entscheidungen zu treffen. Es sei Aufgabe der Politik, sich auch mit dem Lebensumfeld der Bürger zu beschäftigen. „Vielleicht hat diese Politik eine Renaissance“, antwortete Müller auf die Frage, wie er sich seine hohen Beliebtheitswerte erkläre.

Die politische Linie des Senats sei weiterhin: konsolidieren und investieren. Der öffentliche Dienst müsse Dienstleister sein. „Wir müssen mehr in Personal investieren und ausbilden.“ Beim Sparkurs und Personalabbau sei man „übers Ziel hinausgeschossen“. Da habe man Fehler gemacht. Er plädierte für einen „klaren Verantwortlichen für Personalentwicklung“. Die von Rot-Schwarz zu Beginn der Legislaturperiode verabredete Zuständigkeit für das Personal sowohl bei Finanzen als auch Inneres sei „nicht glücklich“.

Er appellierte an die Unternehmer, nicht nur auf den Fachkräftemangel hinzuweisen, sondern auch selbst mehr auszubilden. „Ich erwarte etwas von Ihnen. Das Umsteuern muss jetzt beginnen.“ Müller ließ nicht unerwähnt, dass landeseigene Unternehmen auch nur zu fünf Prozent selbst ausbilden würden.

Berlin müsse die Chancen der Digitalisierung aufgreifen. Er nannte 100 zusätzliche IT-Professuren, „die der Tagesspiegel angestoßen hatte“. Wie berichtet hatte Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner mit diesem Vorschlag eine Debatte angestoßen. Ab Anfang 2016 werde ein stadtweites freies WLAN umgesetzt.

"Berlin hat goldene Jahre vor sich"

Natürlich wurde das Thema Mieten und Neubauten angesprochen. Die Bezahlbarkeit der Mieten sei der Politik wichtig, ebenso der Schutzstatus für die Sozialwohnungen. „Aber was ist mit den restlichen 93 Prozent?“ In Berlin gibt es rund 1,9 Millionen Wohnungen. Die Stadt brauche Wohnungen. „Die müssen gebaut werden.“ Müller ging indirekt auch auf das Thema Volksbegehren ein. Man habe „Instrumente für die direkte Demokratie“. Aber die würden von einigen genutzt, die sich schon vorher „gut Gehör verschaffen konnten“. Man müsse aufpassen, ob sich in dem einen oder anderen Fall Interessen einiger weniger durchsetzen würden.

„Berlin hat goldene Jahre vor sich“, zitierte er Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Wir wollen Industrieunternehmen für Berlin gewinnen“, sagte Müller und erwähnte die Ankündigung von BMW, 100 Millionen Euro in den Produktionsstandort Spandau zu investieren. Dass Siemens dagegen 800 Plätze abbauen wolle, könne er nicht nachvollziehen. Müller kündigte an, darüber weitere Gespräche führen zu wollen.

Der Haushalt schreibt schwarze Zahlen

Das Thema Wachsende Stadt ist nicht neu. Noch unter Wowereits Ägide hatte der Senat im November vergangenen Jahres einen Arbeitsbericht zur Wachsenden Stadt verabschiedet. Die Prognose des Senats geht von einem Wachstum bis 2030 um weitere 250 000 Einwohner aus. Das bedeutet: Infrastrukturen im Bildungs- und Verkehrsbereich müssen angepasst und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Michael Müller sagte vergangenes Jahr, mit „sparen, konsolidieren, investieren" müssten die Spielräume für die wachsende Stadt entwickelt werden.

Der Berliner Haushalt schreibt seit 2012 schwarze Zahlen. Bis Ende 2015 sind es voraussichtlich 2,5 Milliarden Euro. Das liegt zum einen an der guten wirtschaftlichen Lage. Zum anderen führt die wachsende Einwohnerzahl zu steigenden Steuereinnahmen. Im Herbst 2014 verständigten sich SPD und CDU darauf, diese Situation zu nutzen und ein Sondervermögen "Infrastruktur der wachsenden Stadt" (SIWA) zu bilden. SIWA umfasst insgesamt 496 Millionen Euro. Das Geld wird in Kitas, Krankenhäuser, für Flüchtlingsunterkünfte, zwei Multifunktionsbäder, Polizei- und Feuerwehrbauten fließen. Die Bezirke erhalten 120 Millionen Euro für die Sanierung von Schulen und Infrastruktur. Geld soll auch in den Wohnungsbau fließen.

Doch gegen geplanten Wohnungsbau formiert sich Widerstand von Bürgern. Wo auch immer Häuser gebaut werden sollen, ob am Rand der Stadt oder in ihrer Mitte, gibt es Protest. In Pankow lehnen Anwohner ein Wohnungsbauprojekt an der Michelangelostraße ab. Widerstand gibt es auch in Moabit. Und in Steglitz-Zehlendorf hat sich schon 2010 ein Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde-Süd gegründet, das das erste Bürgerbegehren im Bezirk initiiert. Die Groth-Gruppe plant auf dem ehemaligen militärischen Gelände "Parks Range" in Lichterfelde Süd 2500 Wohnungen. Das Bündnis will maximal 1500 Wohnungen. Um erfolgreich zu sein, muss die Initiative bis 21. Oktober 7000 gültige Unterschriften sammeln.

Zuletzt hatte der Senat den Bezirken aufgrund "außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung" die Hoheit über Wohnungsbauprojekte entzogen, um sie voranzutreiben. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) ist nun zuständig für die Bebauung der Buckower Felder und den Mauerpark.

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