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Leseraktion: Berlins schönste Plätze

Seit Wochen diskutieren Sie liebe Leserinnen und Leser über die weniger schönen Plätze in der Hauptstadt. Aber Berlin kann auch anders: die schönsten Plätze der Stadt - eine Auswahl. Und Sie? Welchen Ort halten Sie für besonders gelungen? Machen Sie mit!

Seit Wochen diskutieren Leserinnen und Leser des Tagesspiegels über Berliner Plätze, die planerisch vernachlässigt werden und dringend eine Verschönerung brauchen. Doch es gibt auch positive Beispiele: Idyllische oder umtoste Plätze, auf denen man gern verweilt. Ob nun in Frohnau, in Prenzlauer Berg - oder mitten in der City. Und welche gelungenen Plätze kennen Sie? Schicken Sie uns ihre Vorschläge - gerne auch mit einem Foto an leserbilder@tagesspiegel.de.

DER TEUTOBURGER PLATZ
Bei Einladungen am Abend passiert es manchmal. Das Essen schmeckt toll und irgendwie besonders, man sagt das auch, und der Gastgeber erwidert mit einer wegwerfenden Handbewegung: „Ach, ich habe einfach alles zusammengeworfen, was so da war.“ Mit dem Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg, im Volksmund: Teute, verhält es sich ähnlich: er ist toll und irgendwie besonders, dabei wurde im Grunde einfach auch nur alles, was so da war, zusammengeworfen. Und das sind vor allem Baumstämme. Aus ihnen wurden sämtliche Geräte für den am nördlichen Ende des Platzes gelegenen Spielplatz gebaut. Die Wippe zum Beispiel besteht aus einem einzigen langen Stamm, aus einem anderen wurde ein großes Krokodil geschnitzt, und es gibt sogar einen begehbaren Fisch nur aus Stämmen und Holz. Die andere Besonderheit des Platzes: Hier gibt es tatsächlich, was man braucht. Zwar keinen Coffee-to-go-Automaten und keine Handyladestation, dafür aber die schlichten, schönen Dinge, die sich schon im Leben unserer Urgroßeltern bewährt haben. Zum Beispiel diese irre Erfindung mit der Platte und den vier Beinen drunter namens Tisch, an die Planer von Plätzen fast nie zu denken scheinen. Hier auf dem Teutoburger Platz gibt es gleich vier von ihnen – zum Kartenspielen, Picknicken, Schreiben oder Malen. Umschlossen werden sie von einem Spalier, wiederum aus gesägten Stämmen, an denen vielleicht schon im Frühjahr Pflanzen hochranken, so dass man wie in einer kleinen Laube sitzen wird. Diese Sitzecken sind ein Versprechen, dass auch in Berlin das Leben von drinnen nach draußen verlegt werden kann. Was könnte man sich mehr wünschen von einem Platz? Verena Friederike Hasel

DER ERNST-REUTER-PLATZ
Egal, von welcher Seite man sich ihm nähert. Der Charlottenburger Ernst-Reuter-Platz lässt einen durchatmen. Man kommt aus dem Gedränge der eng bebauten Viertel ins Freie, von der Hardenbergstraße etwa oder der Otto-Suhr-Allee. Oder von der großen Ost-West-Achse, von der Bismarckstraße oder der Straße des 17. Juni. Der Platz nimmt die Verkehrsströme aus allen Himmelsrichtungen auf, um sie zu ordnen und neu zu verteilen. Dabei scheint er selbst sich zu bewegen. Es ist ein Ort, der mehr in der Vertikalen als in der Horizontalen ausgerichtet ist. Die Hochhäuser der 50er und 60er Jahre sind noch von keiner nostalgisch-geduckten Traufhöhe in ihrem Wachstumsdrang beschnitten. Sie haben verglaste Fassaden und sind nicht hellbraun verputzt wie die neopreußische Kistenarchitektur der Gegenwart. Der Platz sagt: Hier ist der Fortschritt, hier ist die Demokratie. Hier ist der Neuanfang. Hier ist das freie Denken. Nicht umsonst ist er nach Ernst Reuter benannt. Er ist der Gegenpol zum monumentalen Stil des Strausberger Platzes in Friedrichshain mit seinem stalinistischen Protz und Imponiergehabe. Natürlich, der Ernst-Reuter-Platz ist selbst schon Geschichte, ist Zukunft von gestern. Seine Bauten haben ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel, sind Denkmäler ihrer Zeit. Heute würde niemand mehr so einen mutigen Platz bauen. Heute sollen die Häuser sich aneinander kuscheln und aufeinander Rücksicht nehmen, ein gewisser Hang zur Spießigkeit hat sich durchgesetzt. Der Ernst-Reuter-Platz mit seinen spiegelnden Fassaden wirkt dagegen kühl und distanziert. Der kühne Geist der Moderne ist hier wie nirgendwo sonst in Berlin zu spüren. Noch immer. Hartmut Wewetzer

DER RÜDESHEIMER PLATZ
Kenner nennen ihn zärtlich „Rüdi“. Kenner gibt es viele. So viele, dass es an lauen Sommerabenden eng wird am Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf. Zumindest auf der Terrasse an den Tischen vor dem Weinausschank. Also geht man die Treppen hinunter in die weitläufige Anlage mit den gepflegten Blumenbeeten. Wenn auch hier Bänke und Stühle besetzt sind, bleiben Mäuerchen oder der Brunnenrand, um das Wein- oder Sektglas abzustellen und das Picknick auszubreiten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde hier das „Rheingauviertel“ angelegt mit Straßen, die nach Orten in Hessen benannt wurden, und bügerlichen Häusern, für die man sich vom englischen Landhausstil inspirieren ließ. Damit das Ensemble ein Zentrum hat, musste ein Platz her: der Rüdi. Der einheitliche Charakter des Viertels hat sich erhalten, was den Platz mittendrin so kuschelig macht. Rundum stehen hohe Bäume und Häuser, keine Straßenschneise hat den Platz zerhauen. Hier zieht es nicht, nichts lenkt den Blick ab, es ist, als ob man in ein behagliches Wohnzimmer tritt. Nun gut, vielleicht staunt man beim ersten Besuch über den wuchtigen „Siegfriedsbrunnen“ mit Rosslenker Siegfried, steinerner Weinkönigin und der Skulptur von „Vater Rhein“. Aber war man nicht auch vom Trevi Brunnen in Rom überrascht? Wie der so überdimensioniert vor der Häuserfront steht? Eben. Und wenn man ein paar Viertele Rheingauer Wein getrunken hat, ist das sowieso nicht mehr wichtig. Wein oder Sekt gibt es an dem Büdchen oben auf der Terrasse, das von Mai bis September zum „Weinbrunnen“ wird, in dem Winzer aus dem Rheingau Mitgebrachtes ausschenken. Claudia Keller

DER CRELLEPLATZ
Ist das Frühjahr, wenn die Bäume vor dem Restaurant Toronto rosa leuchten, die schönste Jahreszeit am Crelleplatz? Oder ist es der Sommer, wenn die größte Hitze am Abend abklingt, der Platz in Schöneberg sich wieder mit Menschen füllt und Straßenmusikanten ihre Lieder anstimmen? Nein, es ist der Herbst, wenn die Sonne am Nachmittag so tief am Himmel steht, dass der Feuerball am Ende der Crellestraße zum Greifen nah ist. Und wenn sich seine Glut über die Häuserzeilen aus der Gründerzeit ergießt, dann heben sich die Gesimse und Erker, die Stuckbänder und Ornamente noch kraftvoller als sonst von den Fassaden ab. Schattenseiten hat er auch, der Crelleplatz: Wenn Busladungen junger Berlin-Besucher nachts in den Höfen die Stadt feiern oder am frühen Morgen ihre hart über die Pflastersteine polternden Rollkoffer hinter sich herziehen. Oder wenn der Boden unter den Bänken am Kinderspielplatz übersät ist mit Zigarettenstummeln. Aber der Crelleplatz – der offiziell gar keinen Namen hat, weil er ja auch nur eine verkehrsberuhigte Kreuzung ist – ist nun einmal nicht so schick wie die Akazien- oder so trendy wie die Bergmannstraße. Hier treffen junge Migranten der dritten Generation auf Architekten, Ballonseidenträger auf ewige Akademiker auf Therapeuten und Quartiersmanager. Das authentische Berlin vor der Gentrifizierung ist hier zu besichtigen – und so ist auch der Platz: Skateboarder bauen ihre Rampe auf, das Kiezzentrum seinen Kicker und einmal im Jahr feiern Hartz-IV-Initiativen, Tee-, Wein- und Spätzlehändler auf dem Crellefest ihr Leben in diesem Dorf mitten in Berlin. Deshalb haben hier in der Nähe Filmregisseur Wolfgang Petersen und Jazz-Barde Helge Schneider ihren Wohnsitz. Und „Tatort“-Darsteller Andreas Hoppe (Kommissar Mario Kopper) liest im „Biolino“ aus seiner ironischen Besichtigung der deutschen Öko-Industrie („Allein unter Gurken“). Aber das alles ist wohl schon ein Zeichen für den Niedergang dieses liebenswürdigen, schrulligen, westberliner Utopia. Ralf Schönball

Welche weiteren Plätze zu den schönen in der Stadt zählen, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

DER ARKONAPLATZ
Am schönsten ist es hier am späten Nachmittag, wenn die Sonne allmählich hinter den Häusern verschwindet und noch ein letztes mattes Licht auf die Bäume und Sträucher entlang der Gehwege wirft. Dann sieht der Arkonaplatz in Mitte so aus, wie man sich das für ganz Berlin wünscht: idyllisch, entspannt, mit sich im Reinen. Auf dem Spielplatz mit der Kletterburg aus Holz tummeln sich die Kinder; an den Tischtennisplatten treffen sich die, die eigentlich erwachsen werden sollten, darauf aber keine Lust haben; und die, denen das alles zu wuselig und quirlig ist, die, die vielleicht lieber ein Buch lesen wollen, verziehen sich auf die andere Seite des Platzes, auf die Wiese, in deren Mitte im Sommer bunte Blumen blühen. Am Arkonaplatz herrscht ein unaufgeregtes Miteinander, eine beiläufige Lässigkeit. Auch sonntags, wenn um den historischen Brunnen mit der gusseisernen Pumpe der Flohmarkt stattfindet und sich die Menschen um die Verkaufsstände drängeln. Angeboten werden Kunst und Krempel, Schätze und Schrott, Prunk und Plunder. Und wenn ein Stück den Besitzer wechselt, sieht man strahlende Gesichter, manch einer bestaunt seine Beute noch Stunden später in einem der angrenzenden Cafés, die „Weltempfänger“ oder „Cup Arkona“ heißen. So viel Glanz, so viel Eintracht – manchmal ist das fast schon ein bisschen unheimlich. Nana Heymann

DER ARNSWALDER PLATZ
Zugegeben – es gibt prickelndere Wasserspiele in der Stadt als den monumentalen Stierbrunnen auf dem Arnswalder Platz. Aber als das Ungetüm vor Jahren hinterm Bauzaun verschwand, Gras und Graffiti drüber wuchsen, da merkten die Anwohner aus dem Bötzowviertel schon, dass da was Entscheidendes fehlte. Aber zum Glück kratzte der Bezirk Pankow eines Tages 650 000 Euro zusammen. Gaaaaanz langsam begann er mit der Restaurierung des Brockens, von dem erzählt wird, dass er Ende der 20er Jahre auf dem heutigen Bersarinplatz aufgestellt werden sollte, sich dann aber als viel zu schwer für den Untergrund erwies. Seit gut anderthalb Jahren sprudelt er nun wieder. Aber nicht nur das: Es gibt auch Bänke, Beete, Lampen und neues Mosaikpflaster. Wer früher den Arnswalder Platz nach dem Motto „Augen zu und durch“ querte, der überlegt jetzt schon mal, ob er nicht ein paar Minuten am Fuß der Acht-Meter-Brunnenschale Platz nehmen sollte. Und erst recht die Kids und Kinder: Für sie entstanden in etwa zur selben Zeit zwei Spielplätze und ein Basketballfeld gleich am Wasserspiel, das die Stadt einst bei Bildhauer Hugo Lederer bestellt hatte – als Fruchtbarkeitsbrunnen. Was für eine Weitsicht! Das Kinderglück ist hier so groß, dass man beim Buddeln bisweilen den Sand vor Augen nicht sieht. Björn Seeling

DER ZELTINGER PLATZ
Er ist ein Musterbeispiel dafür, dass man sich um Plätze kontinuierlich kümmern muss. Er bildet das Zentrum Frohnaus, seine halbrunde, weite Form nimmt die Atmosphäre der Gartenstadt auf. Zum Südwesten hin grenzt eine mit wildem Wein und Efeu bewachsene, lange Pergola den Platz zum Bahnhof hin ab. Das Gelände fällt Richtung Johanneskirche leicht ab, am Rande der auch im November noch gepflegten, weiten Rasenfläche laden Bänke zum Sitzen ein. Bis 1937 hieß der Platz Cecilienplatz, dann meinten die Nazis etwas für den Absatz der Moselweine tun zu müssen und verfügten die Umbenennung nach einem Weinort in der Nähe von Bernkastel-Kues. Rings um den Platz stehen große, alte Kastanienbäume, und glücklicherweise kam niemand auf die Idee, dem Platz durch die Einrichtung zusätzlicher Parkplätze, die hier knapp sind, seine Grandezza zu nehmen. Wer also mal einen wirklich gelungenen Platz sehen möchte: Einfach die S1 Richtung Oranienburg nehmen, in Frohnau aussteigen und nach rechts gehen. Gerd Appenzeller

DER POTSDAMER PLATZ
Wenn man über die Leipziger Straße auf den Potsdamer Platz zufährt, wirken die beiden Hochhäuser links auf der Daimler-Seite und rechts auf der Sony-Hälfte wie ein Tor zum Westen, zum Kulturforum. Die Berliner Variante von Wolkenkratzern ist modern, lässt aber dem Himmel genug Platz, um hoch und weit zu wirken. Blickt man von der Stresemannstraße aus auf die altmodisch wirkende Uhr, die an Europas erste Ampel erinnert und sieht dahinter glasblitzend das DB-Gebäude in die Luft ragen, freut man sich automatisch im Hier und Jetzt zu leben. Es gibt viele Ecken auf diesem Platz, die reflektieren, dass er selten oder nie so gute Zeiten gesehen hat wie diese. Der alte Kaisersaal, eingebettet in Glas, gehört dazu, das alte Haus Huth, in dem man nach einem Einkaufsbummel durch die Arkaden wieder Wein trinken kann. Lange war es das letzte Gebäude auf diesem Platz, der auch das Ende der westlichen Welt markierte und nun mitten im Herzen Europas liegt. Im Sony-Center ist eine Foto-Ausstellung zur Geschichte zu sehen. Überblick bekommt man nach einer Fahrt mit Europas schnellstem Fahrstuhl auf die Aussichtsterrasse auf der Daimler-Seite. Manchmal gibt es rummelige Events, aber die verzeiht man dem Platz, dem oft prophezeit wurde, dass er vom Publikum nicht angenommen werden würde. Das Gegenteil ist eingetreten, und das liegt nicht nur an der Architektur, sondern auch an der historisch geprägten Aura. Hier spürt man, dass auch in finstersten Stunden Licht wartet, auch wenn es noch hinter dem Horizont verborgen ist.

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