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Tief im Westen. Steglitz-Zehlendorf ist gutbürgerlich und bietet viel – vom Shopping bis zu Badeseen.

© picture alliance / ZB/euroluftbi

Wahlkreise in Berlin: Klare Verhältnisse in Steglitz-Zehlendorf

Zwei vorwiegend bürgerliche Ortsteile, politisch fest in CDU-Hand. Nun tritt gegen den Dauersieger eine neue SPD-Frau an.

Natürlich lockt ein Sommerfest im gemütlichen Kastanienhof an der Zehlendorfer Clayallee mehr Menschen an als ein kleiner Wahlkampfstand am Hintereingang des S-Bahnhofs Rathaus Steglitz. Und doch spiegelten die unterschiedlichen Schauplätze am selben Wahlkampftag auch die Rollenverteilung zwischen den aussichtsreichsten Direktkandidaten im Berliner Südwesten wider: Während Ute Finckh-Krämer am SPD-Stand von wenigen Passanten erkannt und angesprochen wurde, war Karl-Georg Wellmann beim öffentlichen CDU-Fest umringt von Bitt- und Fragestellern. Gut eine Viertelstunde lang warteten zum Beispiel zwei Finanzbeamtinnen, um sich über das Problem Stellenabbau zu beschweren.

Dem CDU-Bundestagsabgeordneten ist der erneute Sieg im Wahlkreis vermutlich nicht zu nehmen. Zwei Mal hat er ihn bereits gewonnen, zuletzt mit zwölf Prozent Abstand auf die SPD. Trotzdem sieht Ute Finckh-Krämer für sich „zwei gute Chancen“. Zum einen werde die SPD „in Umfragen unterschätzt“. Außerdem steht Finckh-Krämer auf Platz sieben der SPD-Landesliste und würde in den Bundestag einziehen, falls die Sozialdemokraten stadtweit mehr als 25 Prozent der Stimmen bekommen.

Das wohlhabende Zehlendorf ist traditionell eine „schwarze Hochburg“, dort lag die CDU bei Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahlen meist deutlich vorn. In Steglitz ist sie nicht ganz so stark, deshalb haben die Christdemokraten nach der Bezirksfusion auch ihre absolute Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verloren und bilden eine Zählgemeinschaft mit den Grünen.

Beliebt als Wohngegend und Ausflugsziel

Der Südwesten ist gutbürgerlich mit nur wenigen sozialen Brennpunkten, dort lebt eine Klientel der Besserverdiener – und der Altersdurchschnitt ist der höchste in Berlin. Dass die Wohngegend so beliebt ist, liegt nicht zuletzt am hohen Freizeitwert: große Parkanlagen, Grunewald und Badegewässer wie Wannsee, Schlachtensee und Krumme Lanke liegen vor der Haustür und locken auch Ausflügler an. „Der grüne Bezirk“ nannte sich Zehlendorf schon in seinem alten Werbeslogan. Neulich schwärmte Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff im Zehlendorf-Blog des Tagesspiegels davon, man fühle sich in Wannsee „so weit weg von der Großstadt“, obwohl die Innenstadt doch relativ schnell erreichbar sei.

Hohe Mieten und umstrittene Bauprojekte

Auch junge Familien ziehen gerne nach Steglitz-Zehlendorf – sofern sie es sich denn leisten können. „Bezahlbare Mieten sind ganz wichtig“, sagt Ute Finckh-Krämer. „Ich höre oft von Bürgern, dass sie sonst aus ihrer Wohnung herausmüssen.“ Tatsächlich gibt es neben den Villenvierteln in Dahlem oder Wannsee auch Reihenhaussiedlungen, in denen Normalverdiener und Rentner wohnen. Mancherorts, etwa in der ehemaligen Alliierten-Siedlung an der Argentinischen Allee, gab und gibt es Ärger um Luxussanierungen.

Auf der Truman Plaza an der Clayallee läuft das umstrittene Bauprojekt mit Gewerbe und einer Luxus-Wohnsiedlung. Aber auch der vom Immobilienunternehmer Klaus Groth geplante Bau einer edlen Wohnanlage auf dem ehemaligen US-Truppenübungsplatz „Parks Range“ in Lichterfelde-Süd ist vielen Bürgern ein Dorn im Auge. Ein Aktionsbündnis will die „Großstadtwildnis“ auf der Brache schützen. Auch die bezirkliche SPD „wünscht sich nichts weniger als 3000 Luxuswohneinheiten“, hat Finckh-Krämer einem Bürger im Online-Portal „Abgeordnetenwatch“ geantwortet. Als Opposition in der BVV könnten die Sozialdemokraten aber nicht viel dagegen tun.

Wellmann will mehr Bürgerbeteiligung bei großen Bauprojekten

Auch CDU-Mann Karl-Georg Wellmann beschäftigt sich mit den Themen Wohnen und Miete; er kann sich sozialen Wohnungsbau mit öffentlicher Förderung und Mietpreisbegrenzungen vorstellen. Wellmann will mehr Bürgerbeteiligung bei großen Bauprojekten und eine „behutsame“ Stadtentwicklung in den Villenvierteln im Südwesten erreichen. „Es kann architektonisch nicht so weitergehen“, findet er. Früher hätten hier die großen Architekten gebaut, jetzt herrsche Not vor. Gerade hat sich der CDU-Kreisvorstand für eine Erhaltungssatzung ausgesprochen, die bestimmte Vorgaben für die architektonische Gestaltung enthalten soll. Bürgerproteste gibt es zum Beispiel gegen einen modernen Neubau in der Lückhoffstraße in Nikolassee, den Wellmann in der geplanten Form verhindern will.

Wellmann ist Außen- und Lokalpolitiker

Der 60-jährige Rechtsanwalt und Notar ist fest verwurzelt im Bezirk. Er wurde in Dahlem geboren, führt seit 2001 den dortigen CDU-Ortsverband und ist seit Mai Vize-Kreisvorsitzender. Im Bundestag ist er als stellvertretender außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion bekannt, er pflegt besonders Kontakte zu osteuropäischen Ländern. Auf lokaler Ebene engagierte sich Karl-Georg Wellmann zuletzt vor allem beim Thema Fluglärm: Gemeinsam mit Bürgerinitiativen will er verhindern, dass die Flugrouten des künftigen Airports BER in Schönefeld über Steglitz-Zehlendorf führen. Auch jetzt, nach vielen Protestaufrufen und Demos, sei „dieser Kampf noch nicht zu Ende“, sagt Wellmann. Außenpolitik hat für den CDU-Politiker immer wieder auch regionale Bezüge: Er fragt sich, warum Berlin „noch keine Ost-West-Drehscheibe“ sei und will seine „Verbindungen instrumentalisieren“, um das zu ändern. Schülern empfiehlt er im Gespräch: „Lernt Russisch!“ Das werde von 100 Millionen Menschen gesprochen. Er selbst gehört nicht dazu, sagt aber, er wolle bald einen Sprachkurs belegen.

Für Ute Finckh-Krämer geht es um Krieg und Frieden

Mit Sprache hat auch Ute Finckh-Krämer viel zu tun, denn die gebürtigere Wiesbadenerin und Diplom-Mathematikerin arbeitet seit 13 Jahren als Referentin im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Den meisten Bürgern im Südwesten war sie bis zum Wahlkampf unbekannt. Sie wohnt seit 1992 in Steglitz, sieht sich aber nicht als Kiez-Aktivistin. In erster Linie sei sie Pazifistin.

Schon seit ihrer Schulzeit engagiert sich die 56-Jährige in der Friedensbewegung, unter anderem als eine von zwei Vorsitzenden des „Bundes für Soziale Verteidigung“. Das Militär möchte die SPD-Politikerin am liebsten abschaffen – dieses anspruchsvolle Ziel sei allenfalls auf lange Sicht erreichbar, gibt sie zu. In einem ersten Schritt könnten aber zum Beispiel deutsche Rüstungsexporte verboten werden.

Zum Wahlkampfthema hat sich auch der Bürgerkrieg in Syrien entwickelt. In der Frage, was der Westen tun könne und solle, gibt es klare Gegenpositionen bei Finckh-Krämer und Wellmann: Der CDU-Mann findet, man könne „einem Massenmord mit chemischen Waffen nicht tatenlos zusehen“. US-Luftschläge gegen Syriens Armee und eine logistische Unterstützung durch die Bundeswehr hatte er „denkbar“ genannt – allerdings noch vor der jüngsten Entwicklung mit dem Vorstoß zur Giftgaswaffenkontrolle. Für seine SPD-Konkurrentin ist jeder Militäreinsatz ohne Uno-Mandat völkerrechtswidrig. Um den Menschen in Syrien zu helfen, sollten alle ausländischen Staaten besser ihre Unterstützung für die Konfliktparteien einstellen.

Ein politisches Schwergewicht kandidiert woanders

In Zehlendorf wohnt ein Sozialdemokrat, den Wellmann ungern als direkten Konkurrenten hätte: Frank-Walter Steinmeier, der ehemalige Kanzlerkandidat und heutige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. „Gegen Steinmeier wäre es schwierig“, räumt Wellmann ein. Doch der Wahlkreis des Sozialdemokraten liegt in Brandenburg.

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