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Der deutsche Auswanderer Bernhardt Otto Holtermann war in Australien als Goldgräber und Fotograf erfolgreich.

© Wikipedia

Bernhardt Otto Holtermann in Berlin: Der Mann mit dem Goldklumpen

Der deutsche Auswanderer Bernhardt Otto Holtermann fand in Australien einen Goldklumpen und war auch als Fotograf erfolgreich. 1879 zeigte er in Berlin Riesenfotos von Sydney. Ein Glasnegativ fehlt heute. Hat er es an der Spree zurückgelassen?

Ein Mann hat sich fürs Foto in Pose geworfen, darin ist er offenbar geübt: Einmal frontal zum Betrachter, die Augen in eine imaginäre Ferne gerichtet, die linke Hand selbstbewusst in die Hüfte gestemmt, die rechte ruht lässig auf einer Art fast mannshohem Hinkelstein; das andere Mal in Seitenansicht, den Blick auf eine nun wirklich mannshohe Glasplatte, auf die er sich locker mit der Linken stützt.

Holtermann buddelte einen 10-Millionen-Dollar-Goldbrocken aus

Gut 16.000 Kilometer Luftlinie und einige für den Mann sehr erfreuliche Jahre liegen zwischen den beiden Fotografien. Sie zeigen Bernhardt Otto Holtermann, geboren am 29. April 1838 in Hamburg, 20 Jahre später nach Australien ausgewandert und dort als Goldsucher ungemein erfolgreich, das Hinkelsteinfoto beweist es. Denn der glänzende Brocken, der am 19. Oktober 1872 in New South Wales aus dem Boden gebuddelt wurde, ist ein Nugget, Quarz mit hohem Goldanteil, heute schätzungsweise zehn Millionen Dollar wert. Holtermann hatte den Goldbrocken nicht allein gefunden, aber nur sein Name blieb damit verbunden. In Szene gesetzte fotografische Dokumentationen wie die zwischen 1874 und 1876, wahrscheinlich in Sydney per Montage entstandene Aufnahme dürften dazu beigetragen haben.

Das zweite Foto stammt aus Berlin, hergestellt 1879 im Studio der Königlichen Hof-Photographen Loescher & Petsch in der Leipziger Straße 132. Der Materialwert des von Holtermann betrachteten Requisits ist nur gering: nichts als Glas und ein paar Silbersalze. Der kulturhistorische Wert aber ist um so größer. Auch wenn man es nicht mehr erkennt: Die mannshohe Glasplatte war ein Negativ aus einer Serie von Panoramafotos, die das alte Sydney zeigten. Holtermann war in den späten siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Europa herumgereist und auch nach Berlin gekommen, um mit den Fotos Werbung zu machen für seinen neuen Kontinent, also Menschen aus Europa zu animieren, dorthin auszuwandern und ihr Glück zu suchen, wie es ihm so überaus staunenswert gelungen war.

Fotografieren war damals ein umständliches Geschäft, zumal in diesem Format. Riesenabzüge per Vergrößern herstellen, das ging noch nicht. Die Panoramaaufnahmen waren in dem 27 Meter hohen Turm des Holtermann-Hauses in Sydney entstanden, man kann sie heute noch bewundern, erst im Vorjahr gab es in der Sydney State Library eine Ausstellung zu Holtermann.

Wo ist das verschwundene Glasnegativ?

Von den Glasnegativen der Serie allerdings fehlt eines, möglicherweise ist es ja das, mit dem er sich in Berlin fotografieren ließ, und möglicherweise hat es sich ausgerechnet in Berlin irgendwo erhalten. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, in den 135 Jahren seit Holtermanns Besuch ist hier doch ziemlich viel kaputt gegangen. Denkbar wäre es aber schon, darauf hofft Peter Böhm aus Sydney, ebenfalls aus dem Hamburger Raum nach Australien ausgewandert, derzeit mal wieder zu Besuch in seiner alten Heimat. Er kennt sich gut aus in der Biografie von Holtermann, hat Kontakt zu Alan Davis, dem Kurator der Ausstellung, und erhofft sich für diesen Hinweise auf den Berlinbesuch des fotografierenden Goldsuchers und späteren Politikers Holtermann, vielleicht sogar einen auf den Verbleib des riesigen Glasnegativs.

Auch in Berlin warb Holtermann mit seinen riesigen Sydney-Fotos für seine Wahlheimat Australien.
Auch in Berlin warb Holtermann mit seinen riesigen Sydney-Fotos für seine Wahlheimat Australien.

© privat

Das Fotoatelier Loescher & Petsch ist in Berlin zwischen 1865 und 1900 nachweisbar, es gibt noch eine ganze Reihe von Aufnahmen, die in der Leipziger Straße entstanden. Zu seinen Kunden gehörten Prominente der Zeit wie Theodor Fontane, Rudolf Virchow oder Otto von Bismarck. Max Petsch, einer der beiden Inhaber, hatte sich zudem auf Kinderfotografie spezialisiert und seine Erfahrungen auch in Fachpublikationen niedergeschrieben.

Wie groß Holtermanns Anteil an den Fotos war, ist unklar

Dass Holtermann sich in dem renommierten Studio ablichten ließ, ist nicht verwunderlich, schließlich war auch er ein gemachter Mann. Sein Interesse an der Fotografie war 1872 entstanden, als er den Fotografen Beaufoy Merlin kennenlernte und darauf die Idee zu einer durch die Kontinente tourenden Ausstellung mit Bildern vom fünften Kontinent entstand. Vier Jahre später reiste er mit dieser Kollektion erst in die USA, zeigte Bilder auf der Jahrhundertausstellung in Philadelphia, gewann eine Bronzemedaille, zog weiter nach Paris zur Weltausstellung, schließlich auch nach Berlin, seine zerbrechlichen Schaustücke offenbar stets im Gepäck.

Wie groß sein Anteil an den Fotos war, neben dem Merlins und von dessen Assistenten und Nachfolger Charles Bayliss, lässt sich heute kaum mehr feststellen. Holtermann war wohl nicht nur der Initiator und Geldgeber der Fotos und ihrer Reise um die Welt, hat sie aber auch kaum allein geschaffen. Die Fotografien waren wohl, wie der Fund des Riesennugget, das Ergebnis einer Teamarbeit, wenngleich die Fotosammlung, wie der Goldklumpen, nur Holtermanns Namen trägt.

Wer etwas zu Bernhardt Otto Holtermanns Berlinbesuch oder dem Glasnegativ weiß, schreibe bitte unter dem Stichwort „Holtermann“ an berlin@tagesspiegel.de

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