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Der Jung-Star des Zoos: Orang-Utan-Baby Rieke

© Davids

Besucherandrang bei Orang-Utan-Baby Rieke: Affentheater im Berliner Zoo - heute zum letzten Mal

Das Orang-Utan-Baby Rieke, das mit der Flasche aufgezogen wird, ist der Star im Zoo. Die Fans nehmen Abschied. Montag wird das Tier nach London gebracht.

Anthony trägt eine dunkelblaue Schildmütze auf dem Kopf, hat vier Butterkekse in der rechten Hand und ist ausgesprochen höflich. „Darf ich bitte mal durch?“, fragt er, viermal insgesamt in 20 Sekunden. Aber niemand rückt zur Seite, weil ihn niemand hört, es ist zu laut. Anthony ist vier Jahre alt, wenn er geradeaus blickt, sieht er die Oberschenkel eines massigen Mannes, seine Eltern sind nicht erkennbar, also bleibt Anthony irgendwo in Reihe 7 stehen. Ein kleiner trauriger Junge, der gerne ein noch jüngeres Wesen betrachtet hätte: Rieke, das Orang-Utan-Baby, das von seiner Mutter nicht angenommen wurde. Rieke, der neueste Star des Zoos.
Deshalb wird hier im Affenhaus vor einer Glaswand auch um jeden Zentimeter Platz gekämpft. Hinter der Glasscheibe hängt eine Wärmelampe von der Decke, an der Wand starrt ein Schimpanse mit traurigem Blick vom Foto. Gleich wird hier Rieke gewindelt, gefüttert, präsentiert. Rieke, das vier Wochen alte Jungtier, das am Montag nach England umzieht und an diesem Sonntag zum letzten Mal im Zoo zu sehen ist.
Noch schläft Rieke, noch ist sie nicht zu sehen, die Menge wird unruhig. Geschätzt 100 Kinder und Erwachsene drängen sich, die Menge blockiert den Gang des Affenhauses. Rieke ist ja sowieso ein Ereignis, aber an diesem Sonnabend ist auch noch herrliches Wetter. Es lockt viele ins Freie und damit auch in den Zoo.

Ein Kinderwagen löst wütende Kommentare aus

Die Warterei wird zum Stellungskampf. Vier zusammengepferchte Besucher von Anthony entfernt, also ungefähr 70 Zentimeter, besetzt eine grauhaarige Frau mit Kinderwagen und Baby wertvollen Platz und löst damit wütende Kommentare aus. Ihr Konter kommt umgehend. „Einfach die Klappe halten", brüllt sie." Auch Babys haben ein Recht hier zu sein.“ Das Enkelkind ist ungefähr ein Jahr alt und nuckelt am Schnuller. Der ist definitiv interessanter als Rieke.

Daneben hält Nadja Krüger (Name geändert) ihren dreijährigen Sohn auf den Schultern. Max, ihr fünfjähriger Sohn, klebt direkt vor der Scheibe. Luca nennt das Affenbaby „Ulrike“, und die Mama hat alle Mühe, ihrem Sohn zu erklären, warum die Affen-Mama ihr Baby nicht angenommen hat. „Das beschäftigt ihn am meisten“, sagt sie. Die Mama tröstet ihn mit der kühnen Behauptung: „Das ist nur im Tierreich so.“ Plötzlich kollektiv Laute der Verzückung, „Aaah“ und „Oooh“, Handykameras schnellen in die Höhe, Augen werden feucht – Rieke ist aufgetaucht. Ein Pfleger hält sie in den Händen, legt sie auf die weiße Decke, löst die Windel, zückt ein Fieberthermometer, jede Handbewegung wird gefilmt und fotografiert, als würde hier ein Geheimnis enthüllt.

Rieke wirkt wie beim Kölner Karneval.

Aber der eigentliche Höhepunkt kommt erst jetzt; die Auslöser werden im Stakkato gedrückt: Rieke wird präsentiert. Karlin, elf Jahre alt, findet „die Knopfaugen von Rieke so toll“.
Ein Pfleger ist aus der Box gekommen, steht in der Menge und versucht, das Schlimmste zu verhindern: „Bitte nicht alle nach vorne drücken, wir wollen nicht, dass jemand zerquetscht wird.“ Eine Frau aus der Menge hat ganz andere Sorgen: „Entschuldigen Sie bitte“, schreit sie dem Pfleger entgegen: „Steht da vorne irgendwo ein Kind mit einer blau punktierten Mütze?“ Der Pfleger antwortet mit einer unbestimmten Kopfbewegung.
Währenddessen blickt Rieke zu ihren Fans, zieht ihren Lippen in die Breite und breitet mehrfach die Arme auseinander, als würde sie beim Kölner Karneval auf einem Umzugswagen die Ovationen entgegen nehmen. Karlin ist ganz begeistert. „Sie hat ein total tolles Lächeln.“
Die Elfjährige denkt dann aber auch noch pragmatisch. Klar sei sie „traurig, dass Rieke nach England geht. Aber wenn’s ihr dort besser geht als hier, ist das in Ordnung.“ Und für die visuellen Erinnerungen an Rieke ist ja gesorgt. Die Mama hält hochkonzentriert eine Videokamera an ihr rechtes Auge.

Rieke ist am Sonntag noch ab ca. 12 Uhr im Affenhaus zu sehen. Der Zoo öffnet um 9 Uhr und schließt um 17 Uhr.

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