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Betonharter Job: Bauleiter Möller zufrieden mit dem Abriss

An diesem Mittwoch sollte der letzte Treppenturm des Palastes fallen. Doch plötzlich streikte ein Bagger. Bauleiter Michael Möller nimmt’s gelassen – so wie seine Arbeit auf Deutschlands politischster Ruine.

Der Palast der Republik, oder besser gesagt: sein allerletzter Rest, wehrt sich, so lange er kann. Eigentlich sollten an diesem Mittwoch die letzten Betonbrocken des letzten Treppenturms zu Boden stürzen, dann wäre reiner Tisch gemacht am Schloßplatz. Keine hoch aufragenden Treppenschächte mehr, keine Ruinen – alles glatt. Aber nun kam etwas dazwischen: Der „Longfront“-Abbruchbagger, 40 Meter lang, 110 Tonnen schwer, hatte es sich beim Endspurt zu leicht gemacht, die eineinhalb Tonnen schwere Zange konnte das Maul nicht voll genug kriegen – für einen Moment war der alte Palast-Beton stärker als der Greifer, der sich mit einem Druck von 30 Tonnen ins Gemäuer frisst. Nun liegt er da, der Bagger, müde vom Beißen. „Morgen kommt eine neue Zange, und dann brauchen wir höchstens noch drei Tage, bis das letzte Stück Beton gefallen ist“, sagt Michael Möller, der Bauleiter. Er sagt es sehr ruhig und bestimmt, für ihn war der Palast die Herausforderung seines Ingenieurlebens, er hat sie damals im Januar 2006 angenommen, und nun führt er sie souverän zu Ende: Im Februar 2009, wenn die Wanne vom Palast mit Sand verfüllt ist, steigt er von seinem Container auf die Erde zurück und tut das, was ihm eigentlich viel lieber ist: Aufbauen statt abreißen.

Normalerweise können Architekten und Bauleute ihren Enkeln Gebäude zeigen und erzählen, wie’s damals war, als Vater die Geschosse wachsen ließ. „Ich habe da hier am Schloßplatz nichts vorzuweisen. Man sieht nichts mehr, kann nichts begreifen.“ Ein Jahrhundertbau hat sich gewissermaßen in Luft aufgelöst. Michael Möller war das ausführende Organ, die Politik der Regisseur. Jetzt sitzt der 51-Jährige vor einem kleinen Tisch mit den letzten Souveniers, die der zerschredderte Bau übriggelassen hat. Riesige rostige Muttern, Verschraubungen, zersplittertes Glas, ein Stück vom weißen Marmor der Fassade, Granit aus den Foyers, ein poliertes Kugellager von der Mechanik, mit der sie den Großen Saal verwandelten und die Schwenkparketts hochklappten, und auch noch die allerletzte Scheibe, golden getönt. „Als der Abriss begann, kam der erste und vermeintlich Schnellste auf die Baustelle und verkündete: Also, die Scheiben kaufe ich komplett“, erinnert sich Michael Möller und lacht, denn bekommen hat der Mann nichts, weil Privatpersonen und Souvenierjäger vom Ankauf ausgeschlossen waren; die Scheiben („bei denen war der Druck am größten“) erhielten Museen oder Künstler, die „Gläserne Blume“ steht in einem Depot in Spandau, neben den Sesseln vom Volkskammersaal, und ein Teil der 20 000 Tonnen Stahl wird, wie berichtet, unter anderem im höchsten Haus der Welt in Dubai verbaut. Oder fährt als Teil von VW-Motoren durch die Welt.

Bemerkenswert war der große Medienauflauf vom ersten Tage an. „Als ich am Anfang bei minus 16 Grad einem ungeheuren Journalistenaufgebot gegenüberstand, da wusste ich: Das ist hier etwas Besonderes, und das hat sich bis heute erhalten.“ Unzählige Menschen kamen, manchmal mit Leitern bis über den Bauzaun, um den langsamen Tod eines Repräsentationsgebäudes zu dokumentieren, „die einen sagten so, die anderen so“: Die Meinungen über das Für und Wider hielten sich wohl die Waage. Bauleiter Möller meint, dass es technisch kein Problem gewesen wäre, das Haus zu sanieren, aber man hätte es wohl nicht privatwirtschaftlich betreiben können. Der Palast war „ein Riegel, der die Stadt irgendwie abgeschottet“ hat, städtebaulich betrachtet wäre das Schloss ein Abschluss des historischen Teils, hinter der Spree beginnt dann das moderne Berlin.

Welche Frage wurde dem Abrissleiter am häufigsten gestellt? „Herr Möller, wie fühlen Sie sich?“ „Na, und wie?“ Möller muss lachen: „Dies hier ist mein Job. Und die Arbeit hat Spaß gemacht.“

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