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In Berlin soll die Bevölkerung weiter deutlich wachsen.

© picture alliance / dpa

Bevölkerungswachstum in der Hauptstadt: Berlin ist bald zu groß, um jetzt noch klein zu denken

Vier Millionen schon 2020: Die Stadt wächst rasant, weil so viele Menschen kommen. Vieles wird sich ändern müssen - es braucht Großsiedlungen und neue Unis. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Vier Millionen Berliner. Das hält der Senat schon in vier Jahren für möglich. Unvorstellbar. Und vielleicht morgen Realität. Die Berliner haben sich an die wachsende Stadt gewöhnt; nun aber beschleunigt sich der Zuzug noch einmal. Leben 2030 fünf Millionen Menschen an der Spree? Dann wird das die Metropole sein, von der viele träumten – oder jener Moloch, den alle fürchten müssen.

Undenkbares wird denkbar

In jedem Fall eine riesige Aufgabe: viel zu groß, um noch klein zu denken. Jegliche Stadtplanung wird das auf unabsehbare Zeit in einen Krisenmodus zwingen. Allein der Ausbau aller städtischen Einrichtungen ist nur mit einer ungeheuren Beschleunigung des planerischen Handelns zu schaffen.

Das würde selbst eine intakte Verwaltungsstruktur an die Leistungsgrenzen bringen. Man kann sich kaum ausmalen, wie das funktionieren soll in Berlin, wo eine Doppelstruktur aus personell ausgezehrten Bezirksämtern und verkrusteten Zentralverwaltungen sich schon jetzt selbst blockiert.

Auch der Zuzug von Geflüchteten wird das enorme Bevölkerungswachstum treiben. Nach dem Königsteiner Schlüssel musste Berlin im vergangenen Jahr 55.000 Asylsuchende unterbringen. So wird es auch 2016 weitergehen. Dazu kommen anerkannte Flüchtlinge, die ihren Wohnsitz selbst wählen können. Weil es immer schwieriger wird, genügend Flächen zu finden, wird Undenkbares denkbar.

Das ist die Atmosphäre, in der der irre Plan einer Unterbringung von bis zu 10.000 Menschen in Hotels zu einem Hoffnungsanker werden konnte. Auch der Bau Dutzender Behelfssiedlungen und Containerdörfer wird kein Befreiungsschlag werden, sondern kann nur eine Etappe im Ringen um Wohnraum sein. Niemand sollte sich vormachen, dass dabei eine Verteilungsgerechtigkeit gewahrt wird, die alle Bezirke gleichermaßen zufriedenstellt. Eine gleichmäßige Verteilung sollte man anstreben. Am Ende aber wird es nicht darauf ankommen, ob landeseigene Grundstücke sich gleichmäßig übers Stadtgebiet verteilen. Sondern nur darauf, welche Flächen überhaupt nutzbar sind. Und davon gibt es mehr am Stadtrand.

Noch ist Berlin anziehend für Zuzügler

Im Mittelpunkt aller Planungen muss eine leistungsfähige Infrastruktur stehen. Die Menschen, die nach Berlin ziehen, weil sie hier Arbeit, Kultur und Internationalität finden, aber auch Flüchtlinge oder alteingesessene Berliner – sie alle haben unterschiedliche Bedürfnisse. Um das Wachstum verkraftbar zu machen, werden Großsiedlungen à la Märkisches Viertel zu realen Alternativen, sind der Stadtring-Ausbau und neue Universitäten unumgänglich oder eine verbesserte Bahnanbindung des Umlands eine Pflicht. Starke Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen werden zentrale Bausteine der neuen Metropole sein müssen, für Familien wie für die älter werdende Bevölkerung.

Nein, genau das macht den Charme dieser Stadt aus - dass sie zusammengewachsen ist aus vielen kleinen Städten und Dörfern, dass sie nicht wie die Trabantenstadt Cäsars am Reißbrett entstanden ist. 

schreibt NutzerIn macthepirate

Ob Berlin die sehr unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Bevölkerungsgruppen erfüllen kann, wird entscheidend sein für den sozialen Frieden in der Stadt. Metropolen haben ihre dunklen Seiten mit extremen Spaltungen, großer Armut, Umweltzerstörung und Verdrängung sozial Schwacher. Noch ist Berlin anziehend für Zuzügler aus aller Welt mit lebenswerten Kiezen, erschwinglichen Lebenshaltungskosten, durch Kultur und attraktiver Umwelt. Es wird schwerer werden, diese Berliner Mischung zu erhalten.

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