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Berlin: „Bewährungsfrist“ für Eltern straffälliger Kinder

Juristen begrüßen den geplanten Eingriff ins Sorgerecht. Gleichzeitig fordern sie Pflichtgespräche für die Erziehungsberechtigten

Von Sabine Beikler

Kriminelle Karrieren von Jugendlichen sollen früher als bisher unterbunden werden: Wenn ein Kind unter 14 Jahren mehrfach mit Straftaten auffällt, wollen die Justizminister jetzt schneller eingreifen und Eltern, die in der Erziehung versagen, das Sorgerecht früher entziehen können. „Das Familienrecht muss geändert werden“, sagte Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). Das hat auch die Justizministerkonferenz vergangene Woche gefordert und dem Bund einen eindeutigen Auftrag erteilt.

Berliner Juristen unterstützen diesen Vorstoß. „Das ist der richtige Ansatz“, sagte Strafrichter Peter Faust, zugleich Vorsitzender des Berliner Richterbundes. Das Sorgerecht sollte aber „nur bei eindeutigen und klaren Fällen“ entzogen werden, so Faust. „Wenn ein Kind straffällig wird und die Eltern darauf den Blick verweigern, muss das Elternrecht zurücktreten.“

Die Abwägung zwischen Elternrecht und Kindeswohl ist in engen Grenzen gefasst. Im Artikel 6 des Grundgesetzes steht: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Kinder dürfen von der Familie nur getrennt werden, „wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“. Im Paragraf 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdungen des Kindeswohls aufgeführt. Schubert und ihre Amtskollegen wollen die Definition des Kindeswohls mit folgender Ergänzung erweitern: „Eine Gefährdung des Kindeswohls ist zu vermuten, wenn das Kind wiederholt in schwer wiegender Weise gegen Strafgesetze verstoßen hat.“

Ulrich Schellenberg, Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins, plädiert ebenfalls für eine Präzisierung des Gesetzes. Ein Eingriff in das Sorgerecht dürfe aber nur erfolgen, wenn Eltern nachweislich versagt haben. „Erst müssen Elterngespräche geführt werden“, sagte Schellenberg. Diese Gespräche sollten zunächst auf freiwilliger Basis angeboten werden. „Verweigern sich Eltern, müssen Familiengerichte Weisungen erlassen können.“ Und erst dann, wenn auch diese Zwangsmaßnahmen auf die Ablehnung der Erziehungsberechtigten stießen, müsse der Staat eingreifen dürfen. „Den Eltern muss eine Art Bewährungsfrist auferlegt werden.“ Auch Jugendrichter, die sich mit straffällig gewordenen Jugendlichen ab 14 Jahren auseinander setzen müssen, halten ein Weisungsrecht für notwendig.

Justizsenatorin Schubert möchte den Familiengerichten zudem mehr Kompetenzen in die Hand geben. Bisher sind die Gerichte auf die Zuarbeit von Jugendämtern angewiesen. Künftig sollen die Gerichte den Ämtern klare Fristen für die Berichte über eine familiäre Situation setzen dürfen. Mehr Rechte für die Justiz halten Strafrichter Faust und Anwalt Schellenberg für „sehr sinnvoll“.

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