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Berlin: Beweise bis unter die Decke

In einer Kreuzberger Halle kämpfen sich die Ermittler im Bankenskandal durch 5000 Aktenordner

Papier ist nicht nur geduldig, es schweigt auch beharrlich über das, was eigentlich darauf geschrieben stehen müsste. Die Wahrheit verberge sich oft hinter „stilisierten Erklärformeln“, sagen die Ermittler. Das macht die juristische Aufarbeitung des Bankenskandals so schwierig und aufreibend. Die Staatsanwälte versuchen, mit Hilfe von Stichwörtern „Ermittlungsschneisen“ durch einen Dschungel aus Aktenordnern und Computerdateien zu schlagen. Der Raum, in dem sie das seit dreieinhalb Jahren tun, liegt auf dem Gelände der Polizeidirektion 5 in Kreuzberg.

Bis zu 40 Staatsanwälte, Wirtschaftsreferenten, Kriminalpolizisten und Hilfskräfte arbeiten in der schmucklosen Halle, die früher als Kleiderkammer genutzt wurde. Ihre Laptops sind an einen Computerserver angeschlossen, in dem vier Millionen Dateien lagern. Die „BMO“ – die Beweismittelordner – sind in Eisenregalen bis unter die Decke gestapelt. Früher standen die rund 5000 Ordner in verschiedenen Firmenzentralen der Berliner Bankgesellschaft. Jetzt sind sie stumme Zeugen der Anklage und stehen unter Polizeischutz.

Der Zenit der juristischen Aufarbeitung der Bankenaffäre ist längst überschritten. Von 146 Verfahren sind bereits 92 eingestellt. 15 Anklagen werden demnächst vor Gericht verhandelt. 30 Verfahren sind noch offen, darunter drei so genannte „Pilotverfahren“, die sich mit den Vorgängen um die Immobilienfonds LBB 12 und IBV Deutschland 1 beschäftigen. Bei diesen Fonds machte die Bank umfangreiche Renditezusagen, die durch den Immobilienbestand nicht gedeckt waren. Durch Fonds diesen Typs geriet die Bankgesellschaft an den Rand des Ruins. Allein zum Immobilienfonds LBB 12 existieren bei den beteiligten Unternehmen rund 6000 Aktenordner, die auf strafrechtlichen Inhalt überprüft werden mussten.

Claus-Peter Wulff, leitender Oberstaatsanwalt, würde die Arbeit seiner Ermittlungsgruppe gerne bis Ende des Jahres abschließen – „dann gehe ich in den Ruhestand, im Februar bin ich 65 geworden.“ Ob er das schafft, hängt aber von vielen Unwägbarkeiten ab. „Die Verteidiger stellen vielleicht neue Beweisanträge.“ Seine Ermittlungsgruppe wurde bereits auf acht Staatsanwälte reduziert. Vor anderthalb Jahren waren es noch 13.

Am Freitag beginnt der Prozess gegen 14 ehemalige Vorstandsmitglieder der BerlinHyp. Wulff schließt weitere Anklagen gegen hochrangige Entscheidungsträger aus dem Firmengeflecht der Bankgesellschaft nicht aus. Der Generalvorwurf gegen alle Manager lautet „Untreue“, ein höchst schwammiger Tatbestand, der mit maximal fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann.

Wenn alle Verfahren abgeschlossen sind, werden aus den „Beweismittelordnern“ wieder ganz normale Akten. Die können sich ihre ehemaligen Eigner dann in der ehemaligen Kleiderkammer der Polizeidirektion 5 abholen. Besteht kein Interesse mehr an den Papiermassen, werden sie auf behördliche Anordnung fachgerecht vernichtet.

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