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Bewerbermangel: 460.000 Jobs könnten künftig unbesetzt bleiben

Die Zeit läuft weg. Wegen fehlender Fachkräfte können in Berlin und Brandenburg schon im Jahr 2015 etwa 273.000 Jobs und 2030 dann sogar bis zu 460.000 Jobs nicht besetzt werden – wenn nicht ab sofort etwas dagegen getan wird.

Berlin - Die Zeit läuft weg. Wegen fehlender Fachkräfte können in Berlin und Brandenburg schon im Jahr 2015 etwa 273 000 Jobs und 2030 dann sogar bis zu 460 000 Jobs nicht besetzt werden – wenn nicht ab sofort etwas dagegen getan wird. Zu dieser dramatischen Prognose, die alle bisherigen übertrifft, kommt eine dem Tagesspiegel vorliegende aktuelle Studie der Prognos AG im Auftrag beider rot-roter Regierungen. Sie soll am Montag in Berlin von Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) und dem Potsdamer Ressortchef Günter Baaske (SPD) vorgestellt werden: „Es besteht dringender Handlungsbedarf, um der Gleichzeitigkeit von Fachkräftebedarf und Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken“, heißt es darin.

Nötig sei eine „konzertierte Zusammenarbeit“ von Unternehmen, Politik, Verwaltung, Verbänden, Bildungseinrichtungen und Arbeitsagenturen, um etwa Frauen, Ältere und benachteiligte Jugendliche zu fördern und zu qualifizieren. Auch müssten Absolventen der 44 Hochschulen – jährlich sind es 27 000 – frühzeitig an hiesige Firmen gebunden werden, etwa durch Praktika und Stipendien, was noch unzureichend geschehe. Die Studie sieht die Wirtschaft aber auch gefordert, da die Realeinkommen in der Region in den letzten Jahren gesunken sind: „Im zunehmenden überregionalen Wettbewerb sind die Unternehmen in Berlin und Brandenburg daher tendenziell schlecht aufgestellt.“ Wenn all dies angepackt wird, sehen die Experten allerdings Chancen, das Problem in den Griff zu bekommen.

Es ist die erste Studie, die das Problem für Berlin und Brandenburg – längst ein Wirtschafts- und Arbeitsmarkt – gemeinsam untersucht. Dabei wurden besonders jene Top-Branchen gezielt unter die Lupe genommen – von Medien und Informationstechnologien, Umwelt und Energie, Optik, Kunststoff und Chemie bis zu Verkehrssystemtechnik und Maschinenbau – die abgestimmt zwischen Senat und Potsdam gezielt gefördert werden. Doch dort konnten schon 2009 erstmalig nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden, und Firmen klagen schon jetzt darüber, keine geeigneten Bewerber zu finden. Der Fachkräftemangel, der sich durch das altersbedingte Ausscheiden vieler Arbeitnehmer zuspitzen wird, kommt schneller als erwartet. In fünf Jahren werden Firmen der Region wohl vergeblich 14 000 Ingenieure und 15 000 Hochschulabsolventen der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften suchen, wenn man nichts tut. Dann, so warnen Bluhm und Baaske, „sind schwerwiegende wirtschaftliche Folgen mit – so paradox es klingt – steigender Arbeitslosigkeit zu erwarten.“

In beiden Ländern sind die Probleme dabei durchaus unterschiedlich. Laut Studie kann es sich Berlin nicht mehr leisten, dass 16,5 Prozent der Jugendlichen aus Migrantenfamilien die Schule ohne Abschluss beenden, viele danach keine Ausbildung machen. Aber auch in Brandenburg verlässt jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne Abschluss, wobei die Sorgenkinder hier leistungsschwache Jugendliche aus ärmeren Familien insbesondere in den Randregionen sind. Und die Peripherie wird es ohnehin „ungleich schwerer haben“, Fachkräfte zu gewinnen.

Die Prognos-Studie ist für beide Auftraggeber nicht schmeichelhaft. In Berlin ging der Senat trotz Kritik aus der Wirtschaft lange davon aus, dass hier kein Fachkräftemangel droht. In Brandenburg ist die Regierung seit 2005 durch eine Studie lange gewarnt: Die prophezeite damals 200 000 fehlende Fachkräfte für 2015. Doch passiert ist offenbar zu wenig.

Die frühere SPD/CDU-Koalition sei eben ein „Weltmeister im Beschreiben von Problemen“ gewesen, sagt dazu etwa Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Brandenburger Landtags-Linken. Um so wichtiger sei es nach der seismografischen Warnung, dass Berlin und Brandenburg nun „den Tsunami auf dem Arbeitsmarkt“ abwenden.

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