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Olympiareif. Zumindest was die Sportstätten angeht, ist Berlin schon gut gerüstet. Das Stadion, das einst für die Spiele 1936 gebaut worden war, wurde für die Fußball-WM komplett saniert. Auch stehen etliche Großhallen in der Stadt zur Verfügung.

© dpa

Bewerbung um Sommerspiele: Olympische Träumereien in Berlin

Nach dem Scheitern Münchens diskutiert Berlin wieder über eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele. Was spricht dafür? Diskutieren Sie mit, liebe Leserin, lieber Leser!

Kaum sind in München die Pläne für Olympische Winterspiele vorerst gescheitert, lebt in Berlin die olympische Idee wieder auf. Die Stadt hatte nach der Wende versucht, die Sommerspiele 2000 zu holen, und war 1993 kläglich gescheitert. Dennoch hat sich Berlin nie vom Olympia-Traum verabschiedet. Bereits im Fußball-WM-Jahr 2006 – im Rausch des Sommermärchens – schrieb der rot-rote Senat in die Koalitionsvereinbarungen: „Wenn sich der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) für eine deutsche Olympia-Bewerbung entscheidet, steht Berlin für eine Kandidatur beim IOC bereit“.

DIE CHANCEN

Die nächsten Sommerspiele werden 2013 vergeben, dann entscheidet das Internationale Olympische Komitee über die Sommerspiele 2020. Innerhalb von zwei Jahren eine siegfähige Bewerbung aufzustellen, ist jedoch fast unmöglich. Die nächste realistische Gelegenheit bietet sich also für 2024. Doch Berlins Aussichten hingen vom Ausgang der nächsten Wahl des IOC ab. Erhält beispielsweise Madrid den Zuschlag für 2020, hätte Berlin so gut wie keine Chance.

DIE POLITIK

„Wir haben München die Daumen gedrückt“, heißt es aus der Senatskanzlei höflich. Damit ist auch gemeint, dass Berlin nicht sofort nach der Niederlage der Bayern vorpreschen sollte, sondern zunächst deren Ursachen analysiert und die Stimmungslage von Land und Leuten zu Gunsten späterer Sommerspiele sondiert werden müssen.

Nach dem Aus für München kann sich SPD-Landes-und Fraktionschef Michael Müller eine erneute Olympiabewerbung von Berlin vorstellen. Allerdings könne die mit zurzeit 62 Milliarden Euro verschuldete Stadt die finanziellen Lasten nicht allein schultern. „Ein so großes Projekt kann von der Bewerbung bis zur Durchführung und Finanzierung nur erfolgreich sein, wenn es eine Verständigung des Sports und der Politik in Deutschland auf einen Bewerber gibt. Es muss ein nationales Projekt sein, dass dann von allen gemeinsam getragen wird“, sagte der SPD-Parteichef.

Wenn geklärt ist, ob sich München erneut bewirbt, zeigen sich auch die Grünen dafür offen, über eine Berliner Olympia-Bewerbung „als nationales Projekt nachzudenken“, sagten Spitzenkandidatin Renate Künast und Fraktionschef Volker Ratzmann. Das war einmal anders: 1993 waren die Grünen entschiedene Olympia-Gegner. Damals vertrat Ratzmann als Anwalt die damalige Grünen-Sportpolitikerin Judith Demba, eine engagierte Aktivistin gegen die Bewerbung. Wie die Olympia GmbH mit Steuergeldern umgegangen sei, grenze „an kriminelle Machenschaften“, sagte Ratzmann damals. Die Olympia-Bewerbung sei damals „völlig falsch angepackt“ worden, sagt Ratzmann heute.

Einen möglichst großen Konsens in der Bevölkerung hält Linksfraktionschef Udo Wolf für die Voraussetzung, um einen neuen Anlauf zu wagen. Dazu sei maximale Transparenz geboten – also „keine Glamourveranstaltung für irgendwelche Funktionäre, sondern Bürgerspiele“. Nach den guten Erfahrungen mit Fußball- und Leichtathletik-WM dürften die Berliner einem Großereignis wie Olympia durchaus aufgeschlossener gegenüberstehen als in den 1990ern, vermutet Wolf. Immerhin seien damals einige Sportstätten entstanden, die nun nicht mehr neu gebaut werden müssten.

CDU-Chef Frank Henkel „kann sich sehr gut vorstellen, dass Berlin sich noch einmal bewirbt“. Die Stadt sei in der Lage, eine solche Großveranstaltung zu stemmen. Ähnlich argumentiert auch FDP-Chef Christoph Meyer; die FDP begrüße „ausdrücklich eine Bewerbung Berlins“ für die olympischen Sommerspiele.

Lesen Sie auf Seite zwei mehr über den Sport, die Infrastruktur, die Lehren und die Paralympics.

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Das Bärchen warb für Olympia 2000. Erfolgreich war es allerdings nicht.
Das Bärchen warb für Olympia 2000. Erfolgreich war es allerdings nicht.

© dpa

DER SPORT

Der Präsident des Landessportbundes (LSB), Klaus Böger, hält es nicht für selbstverständlich, dass Berlin abwarten muss, ob München sich für eine neue Bewerbung entscheidet. „Die Gremien des Sports müssen ausführlich darüber beraten. Man muss auch sagen, dass Sommerspiele die Königsdisziplin sind, weit vor den Winterspielen, auch von der weltweiten Wirkung und Verbreitung“, sagte Böger. Der Geschäftsführer des Olympiastadions, Joachim Thomas, ist zurückhaltender. Sollte München wieder antreten wollen, „gebietet es der Respekt, keine Diskussion loszutreten. Wenn sich aber München zurückzieht, ist das Gespräch offen“, sagte Thomas.

DIE INFRASTRUKTUR

LSB-Chef sieht in Berlin „hervorragende Voraussetzungen für Sommerspiele“. Anders als London 2012 brauche die Stadt kein temporäres Leichtathletikstadion, und Hallen gebe es auch schon einige. Laut LSB fehlt vor allem eine Ruderregattabahn. Die alte Strecke in Grünau wurde schon für die Spiele 1936 genutzt. Internationale Wettbewerbe können dort aber nicht mehr ausgetragen werden, sondern nur in künstlich angelegten Gewässern. Der LSB spekuliert auf das Flugfeld Tegel. Im Norden sollte ein knapp 50 Hektar großes „Wasser- und Freizeitareal mit international konkurrenzfähiger Regattastrecke“ entstehen. Kostenschätzung für Wettkampfplatz, Sandstrand, Schilfgürtel und Verbindung zum Hohenzollernkanal: etwa 46 Millionen Euro.Im aktuellen Flächennutzungsplan für Tegel ist davon aber nichts zu sehen.

DIE LEHREN

Die gescheiterte Bewerbung um Olympia 2000 ist ein Lehrstück dafür, wie man ein solches Projekt auf keinen Fall angehen sollte. Sie war geprägt von hausgemachten Pleiten und Pannen; bis heute im Gedächtnis sind die geplanten Sex-Dossiers über IOC-Mitglieder geblieben. Das Hauptproblem war, dass der Senat unter Eberhard Diepgen (CDU) und die Olympia GmbH unter dem umstrittenen Geschäftsführer Axel Nawrocki sich nicht dafür interessierten, eine positive Stimmung in der Stadt und im Land zu erzeugen. Sämtliche Olympia-Kritiker wurden als Anti-Berliner diffamiert. In der Öffentlichkeit blieb stets der Eindruck, dass weniger Stadt und Land profitieren würden als dass sich die Olympia-Verantwortlichen und -Werber vor allem die eigenen Taschen füllen wollten. Immer wieder kamen Details über skandalöse Verträge mit immens hohen Honoraren ans Tageslicht. Das betraf die Manager Lutz Grüttke und Axel Nawrocki genauso wie den früheren Schwimmstar Michael Groß, der als Olympia-Botschafter eigentlich Sympathien für die Bewerbung wecken sollte. Die olympischen Ambitionen beschäftigten noch jahrelang einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und den Landesrechnungshof.

DIE PARALYMPICS

An einem ist der 2000er-Anlauf jedenfalls nicht gescheitert: An die Bemühungen um die Paralympischen Spiele. „Berlin war die erste Stadt weltweit, die sich in einem Atemzug um Olympia beim IOC und Paralympics beim IPC beworben hat“, sagt Harald von Selzam, damals Leiter der Abteilung Paralympics in der Berlin 2000 Olympia GmbH. Nachdruck verlieh man der Bewerbung mit einem Paralympics–Botschafter, das war Rennrollstuhlfahrer Errol Marklein, mit neuartigen Bewerbungsfilmen und Publikationen, hochkarätigen Fachkongressen, Behindertenleichtathletik-WM und Rollstuhlbasketball-EM in der Stadt. Laut von Salzem guckten Sidney, Manchester und Peking von Berlin ab. Die Paralympics sollten „Motor sein für den behindertengerechten Umbau und eine weltweit positive gesellschaftspolitische Darstellung der Stadt.“ Inzwischen geht Olympia nicht mehr ohne Paralympics, auch dank des Vorreiters Berlin.

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