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Berlin: Bezirke lassen sich Zeit beim Kinderschutz

Beratung über neues Konzept erneut verschoben Der Senat schweigt, die Opposition schlägt Alarm

Unbürokratisch soll es funktionieren, schnell und effektiv. Doch bis das „Netzwerk Kinderschutz“ greifen kann, werden noch einige Wochen vergehen. Derzeit steckt das geplante Frühwarnsystem in den Bezirken fest. Ursprünglich sollte sich der Rat der Bürgermeister bereits am 30. November mit dem Konzept befassen, gestern hieß es nach einer erneut verschobenen Sitzung: „Am 7. Februar wird ein Unterausschuss des Rats der Bürgermeister zunächst eine Ergänzungsvorlage beraten.“ Sollten sich die Mitglieder des bezirklichen Jugend- und des Gesundheitsausschusses einigen, könnte der Rat der Bürgermeister dann am 15. Februar eine Stellungnahme abgeben. Bindend ist die Entscheidung für den Senat nicht.

Die Meldungen der Polizei sind in diesem Januar fast täglich eingelaufen: „Kleinkinder lebten im Unrat“ – „Geschwister aus völlig verwahrloster Wohnung befreit“ – „Nachwuchs dem Jugendamt übergeben“. Rund 20 vernachlässigte Kinder und Jugendliche mussten die Polizisten in die Obhut der Jugendämter geben. Auf den Rhythmus des Bürgermeister-Rats scheint dies keinen Einfluss zu nehmen. Obwohl die Bezirke an dem Konzept selbst beteiligt waren, sei die Verzögerung keine „böse Absicht“, sondern den BVV-Wahlen geschuldet, sagt auch Wolfgang Schimmang, Bildungsstadtrat von Neukölln (SPD). Noch immer seien nicht alle Stadtratsposten besetzt. Das „Netzwerk Kinderschutz“ bezeichnet Schimmang als „guten, engagierten Versuch der Jugendämter, Kinderschutz mit der nötigen Erfordernis umzusetzen“.

Wie wichtig dem Senat die Umsetzung des Frühwarnsystems ist, merkt man vor allem an seiner Zurückhaltung. Niemand will Gefahr laufen, den Rat der Bürgermeister zu verärgern und das Projekt damit zu gefährden. Nur Thilo Sarrazin rettete sich gestern nach der Senatssitzung in Ironie. „Der Rat der Bürgermeister hatte sicherlich viel Wichtigeres zu tun“, hämte der SPD-Finanzsenator.

Weniger zurückhaltend gibt sich hingegen die Opposition. „Es ist nicht hinnehmbar, dass auf dem Rücken der betroffenen Kinder durch den Rat der Bürgermeister Entscheidungen auf die lange Bank geschoben werden“, kritisiert CDU-Generalsekretär Frank Henkel. Es habe schon viel zu lange gedauert, bis der Senat sich des Kinderschutzes „trotz Betroffenheitsbekundungen“ angenommen habe. Für den jugendpolitischen Sprecher der FDP, Mirco Dragowski, ist es ebenfalls nicht nachvollziehbar, dass die Umsetzung des Konzepts so lange dauert. Der Senat hätte sich bei den Bezirken tatkräftig für das Netzwerk einsetzen müssen.

Es steckt viel Arbeit im Konzept „Netzwerk Kinderschutz“, das Misshandlung und Vernachlässigung verhindern soll. Kernpunkt ist die bessere Vernetzung von Polizei, Jugendämtern, Krankenhäusern, Hebammen und Kinderärzten. Das rund 100-seitige Papier legt genau fest, wer bei einem Hinweis wann und wie reagieren muss. Außerdem soll es einige Neuerungen geben, wie die „Hotline Kinderschutz“ für Nachbarn und Verwandte. Beim Modellprojekt „Aufsuchende Elternhilfe“ will man überforderten Eltern vor und nach der Geburt zur Seite stehen. Sollte der Rat der Bürgermeister seine Entscheidung tatsächlich am 15. Februar fällen, geht der Entwurf zunächst noch ins Abgeordnetenhaus zur Beratung.

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