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Schwarz, Rot und Grün: Die Kombination der Zukunft für Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg?

© dpa

Bezirke: Linke verliert Macht in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg

Dreierbündnisse trotzen den Linken die jahrelange Vorherrschaft in Marzahn-Hellersdorf sowie in Lichtenberg ab. Rot, Schwarz und Grün blasen zum Hochzeitsmarsch.

Schloss Biesdorf mit seinem leicht ansteigenden Rasen und den Spalier stehenden Linden ist ein Ort zum Heiraten. Das passte zu einem Termin am Dienstagmittag: Bezirkspolitiker von SPD, CDU und Grünen besiegelten ihre Zusammenarbeit – und damit das Ende der seit 16 Jahren währenden Vorherrschaft von PDS bzw. Linkspartei im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Später am Tag stand im benachbarten Lichtenberg eine ebensolche Zeremonie an. Die noch vor kurzem als uneinnehmbar geltenden Hochburgen der Berliner Linken werden geschleift. Ein genauerer Blick auf die Begleitumstände lehrt nicht nur manches Erstaunliche über die beteiligten Bezirke, sondern auch über die Chancen lokaler Politik.

Um mit der Landeskunde zu beginnen: In seinem Südteil sieht Marzahn-Hellersdorf weder nach Marzahn noch nach Hellersdorf aus. Stattdessen Wohnstraßen mit Rumpelpflaster und altem Baumbestand. Die großen Grundstücke sind nach der Wende geteilt und mit einem weiteren Haus bebaut worden. Gleichzeitig leerten sich die zuvor begehrten Plattenbauten im Norden des Bezirks.

Dort, wo die „Arche“ des Pastors Bernd Siggelkow ihren Anfang nahm, lag die Wahlbeteiligung jetzt kaum über 30 Prozent. Zusammen mit den zu fast 70 Prozent wählenden Einfamilienhäuslern ergab das ein recht bürgerliches Ergebnis mit nur noch knappem Vorsprung für die Linken von Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle. Zugleich kommen SPD, CDU und Grüne auf eine klare Mehrheit, mit der sie am Donnerstag den bisherigen Bildungsstadtrat Stefan Komoß (SPD) zum Rathauschef wählen wollen. In Lichtenberg soll im November nach demselben Muster die Linke Christina Emmrich von Baustadtrat Andreas Geisel (SPD) entthront werden.

Dabei sind beide Bezirke von den Linken nicht schlecht regiert worden, teils im Gegenteil: Die Bürgerämter von Lichtenberg gehören zu den am besten organisierten der Stadt. Aber „die gesellschaftliche und soziale Struktur hat sich verändert“, erklärt Komoß, der selbst im bürgerlichen Hellersdorfer Ortsteil Kaulsdorf wohnt. Da, wo auch die arrivierten Kinder der Plattenbaubewohner aus den 1980ern hinziehen und mit ihren eigenen Kindern ein Bevölkerungswachstum auslösen, für das die nach der Wende geschlossenen Schulen wiedereröffnet werden müssen. Aber wie!

Lesen Sie auf Seite 2, in welche Lücke der CDU-Mann Mario Czaja stieß - und welchen Deal SPD und CDU mit den Grünen machten.

Er will Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf werden: Stefan Komoß (SPD).
Er will Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf werden: Stefan Komoß (SPD).

© Thilo Rückeis

Weil dem Süden des Bezirks eine Oberschule fehlt, soll eine Grundschule zur Gemeinschaftsschule hochwachsen. Das Bekenntnis dazu hat auch die CDU unterschrieben, die diese Schulform auf Landesebene als linksgrüne Flause madig macht. Es sei die einzig realistische Lösung für das konkrete Problem, sagt Mario Czaja, der im Abgeordentenhaus als Vizechef der CDU neben Frank Henkel sitzt und in der Einfamilienhausgegend das Direktmandat gewann. Diesen Erfolg verdankt er nicht nur der neuen Bürgerlichkeit, sondern auch seiner eigenen Arbeit als Kümmerer.

Czaja füllte die Lücke, in die sonst oft die Linkspartei stieß, indem sie verängstigten Ost-Rentnern erklärte, was eine Rechtsbehelfsbelehrung ist und wie man vom Straßenausbaubeitragsgesetz verschont bleiben kann. Dieses von der Landes-SPD verteidigte Gesetz, auf dessen Basis Menschen auch für die Vernichtung ihrer Vorgärten vierstellige Beträge bezahlen müssen, soll abgeschafft werden. Die Marzahn-Hellersdorfer Genossen sollen einen entsprechenden Antrag auf einem SPD-Landesparteitag einbringen, steht in einer der beiden Vereinbarungen, die die Beteiligten jetzt unterschrieben.

Diese Vereinbarung ist so etwas wie ein rot-schwarzer Mini-Koalitionsvertrag für den Bezirk. Weitere Punkte darin sind die Einrichtung eines Kunstmuseums samt Kulturzentrum im Schloss Biesdorf, Wirtschafts- und Gewerbeansiedlungen, die nach der zeitweise freigiebigen Herrschaft von Pohles Amtsvorgänger Uwe Klett notwendige Haushaltskonsolidierung und das Bekenntnis zum Bau der „Tangentialen Verbindung Ost“ (TVO) als vierspurige Straße westlich der Bahntrasse von der B1 bis nach Köpenick.

Vor allem dieser letzte Punkt erforderte zwei Vereinbarungen: Weil die Grünen die TVO ablehnen, haben SPD und CDU mit ihnen einen separaten Vertrag geschlossen, der die Zusammenarbeit regelt. Vereinfacht gesagt, bekommen die mit 5,8 Prozent für einen Stadtrat zu schwachen Grünen einen monatlichen Anspruch auf Auskunft aus dem Bezirksamt. Zudem gewähren ihnen SPD und CDU einen Ausschussvorsitz und drei Bürgerdeputierte sowie mehrere Klimaschutz- und Energieprojekte.

Im Gegenzug wählen die Grünen nach Absprache die Kandidaten von SPD und CDU mit. Fertig ist die Zählgemeinschaft, die sich mangels inhaltlicher Gemeinsamkeiten auf Umgangsformen konzentriert. Dass die Bezirksverordneten im Zweifel trotzdem gern mal Bundestag spielen und großkalibrig aufeinander schießen, bleibt ihnen unbenommen. Was die Linken aus ihrer Oppositionsrolle machen können, wird auch von der Leistung des schwarz- rot-grünen Zweckbündnisses abhängen.

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