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"Wie gut, dass auch viele junge Leute zuhören", schreibt Horst Pillau über die freitäglichen Lesungen im Buchladen Bayerischer Platz. Oder sogar selbst lesen, wie hier der 11-jährige Jakob Beck von dem sich Horst Pillau am Welttag des Buches 2005 hier im Bild ein Buch signieren lässt. Rechts im Bild die Buchhändlerin, Christiane Fritsch-Weith

© Archiv Christiane Fritsch-Weith

Buchladen Bayerischer Platz: Das Herz im Kiez schlägt munter

Leseprobe aus "Mein Bayerischer Platz" von Horst Pillau aus dem neuen Buch "Klein, aber voller Köstlichkeiten. Buchladen Bayerischer Platz".

Viel hat sich geändert. Das Herz unseres Kiezes aber ist gesund und schlägt munter weiter. Denn Besitzerin des Buchladens, der bereits vor sechsundneunzig Jahren gegründet wurde, ist nun schon seit vierzig Jahren Christiane Fritsch-Weith. Ihr Buchladen ist Anziehungspunkt, ja Magnet für alle, die Bücher zur Hand nehmen und schreibt schwarze Zahlen im Gegensatz zu manchen Buchkaufhäusern, die nach und nach geschlossen werden. Denn dort wussten die Verkäuferinnen nicht, worum es sich handelte, wenn man nach einer Taschenbuchausgabe der Wanderungen fragte und antworteten, wirklich: Was für Wanderungen? Und die Frage nach einem Buch der berühmtesten deutschen Theologin Uta Ranke-Heinemann konnten drei Buchverkäufer nicht beantworten, sie hielten sie wohl für eine schnoddrige Schreiberin von Liebesromanen.

Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum 1985...
Feierlichkeiten zum zehnjährigen Jubiläum 1985...

© Archiv Christiane Fritsch-Weith

Lesen schult und bildet, es fordert und regt die Phantasie an: da setzt man Sätze in Bilder um. Hier im Kiez ist die Buchhändlerin mit ihrer Ware vertraut, die für sie eben keine Ware ist. Sie bringt Menschen zusammen und regt bei ihren Autoren sogar Bücher an. Sie berät ratlose, unkundige Kunden bei ihren Fragen nach Büchern, die zu ihnen passen, und nach der geduldigen und persönlichen Beratung sind sie nicht mehr so unkundig. Sie hat, trotz des begrenzten Raumes fast jedes von mir gesuchte Buch verblüffend schon vorrätig oder man kann es am folgenden Vormittag abholen. Notfalls beschafft sie auch seltene und vergriffene Werke aus dem Schwarzwald oder aus einem Antiquariat in Bayreuth. Sie gibt ihren wöchentlichen Literaturkurier per Email heraus, durch den man sich vorweg über Neuerscheinungen informieren kann oder Neues über den Chefkoch der Buchhändlerin erfährt. Und einmal im Jahr berichtet der Literaturkurier über die intensiven Lesewochen der Buchhändlerin zur Vorbereitung der neuen Saison in einem romantischen Winkel in Frankreich.

... und zum 40. Jubiläum in diesem Jahr.
... und zum 40. Jubiläum in diesem Jahr.

© Margit Lesemann

Fast an jedem Freitag sind prominente oder auch unbekannte Autoren zur Lesung eingeladen. In jeder sitzen die Kunden dicht gedrängt auf eng zusammengerückten Stühlen oder Bänken, der eigene Rücken ist an Buchrücken gelehnt. Man wird mit dem Autor und mit seinem Buch vertraut gemacht, manchmal steigt die Buchhändlerin dazu auf eine wacklige Klappleiter, um von allen gesehen zu werden. Danach sind Fragen der Zuhörer willkommen. Wenn irgendwo Atmosphäre entsteht, dann bei diesen Lesungen. Und bei absoluten Stars wie etwa Rolando Villazon würde der Laden nicht mehr ausreichen, dann zieht man in die nahe Kirche zum Heilsbronnen um.

Wie gut, dass auch viele junge Leute zuhören. Bin ich wieder einmal dran, dann lese ich vor, etwa vom Kriegsende, der Blockade oder dem Mauerbau.

Ja, einmal wollten wir ins Theater und haben ein Taxi bestellt: »Pillau, bitte zur Salzburger Straße!« Das Taxi kommt, wir steigen ein, der Fahrer dreht sich zu mir um, mustert mich lange und fragt dann: »Pillau, Pillau – sind Sie ein Nachfahre des Autors?« Und ein älterer Herr nach einer Lesung hat mich mal gefragt: »Haben Sie einen Beruf ausgeübt, bevor Sie Schriftsteller wurden?«

Das geht an die Substanz. Das letzte neue Stück hat bis zur Uraufführung sieben mühevolle Fassungen erlebt! Und James Thurber berichete: »Eine meiner Geschichten, The Train on Track six, ist volle fünfzehn Mal neu geschrieben worden.« Schreiben, sagt man dem alten Herrn dann vorsichtig, ist wunderbar und macht glücklich, aber es ist nicht besonders leicht.

"Klein, aber voller Köstlichkeiten", das Buch über den Buchladen Bayerischer Platz und das Bayerische Viertel ist in diesen Tagen erschienen.
"Klein, aber voller Köstlichkeiten", das Buch über den Buchladen Bayerischer Platz und das Bayerische Viertel ist in diesen Tagen erschienen.

© promo

Wir haben naturgemäß viele Bücher. Manchmal braucht man dringend ein bestimmtes davon und findet es nicht mehr am angestammten Platz. So kauft man ein weiteres Exemplar, um Tage später das gesuchte doch zu Hause zu finden. Dann hat man zwei Exemplare. Gefährlich ist es auch, beim täglichen Spaziergang den Weg am Buchladen vorbei zu nehmen. Man sieht die Schaufenster mit den vielen neuen Büchern oder mit Neuausgaben. Man wird zwanghaft, magnetisch angezogen. Man betritt den Buchladen. Und man verlässt ihn nicht ohne ein weiteres Buch oder mehrere. Aber einen Umweg macht man nie.

Horst Pillau ist Schriftsteller und lebt im Bayerischen Viertel. Das Buch "Klein, aber voller Köstlichkeiten. Buchladen Bayerischer Platz" erscheint im Transit-Buchverlag Berlin und ist online hier erhältlich sowie natürlich im Buchladen Bayerischer Platz, Grunewaldstraße 59, in Berlin-Schöneberg. Eine Rezension des Buchladen-Buchs von Markus Hesselmann lesen Sie hier. Der Buchladen hat übrigens gerade als eine der 108 besten Buchhandlungen Deutschlands den deutschen Buchhandlungspreis bekommen. Mehr dazu lesen Sie hier.

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