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Hier geht niemand gerne entlang. Soll der Tunnel unter der Kreuzung am Messedamm zugeschüttet werden oder finden sich neue Ideen?

© Kai-Uwe Heinrich

Berlin-Charlottenburg am ZOB: Zukunft für den" Angstraum" gesucht

Seit es eine Ampel am Messedamm gibt, ist die Fußgängerunterführung vor dem Busbahnhof überflüssig. Was wird aus dem orangefarbenen Tunnel?

Der Wind drückt das Paar die Treppen hinunter; die Rolltreppe funktioniert nicht. Er zerrt einen Rollkoffer, sie eine Tasche. Es riecht nach Urin, am Boden liegen Pappkartons, daneben eine Isomatte. Die Unterführung mit den orangefarbenen Fliesen an der Wand ist das Relikt einer Zeit, in der Stadtplaner mehr darüber nachdachten, was Autofahrer brauchen, als was Fußgänger wollen. Die Passerelle wurde in den 1970er Jahren gebaut und war nie unnötiger als heute. Denn inzwischen gibt es andere Wege. Was einst die einzige Möglichkeit war, sicher auf die andere Seite des Messedamms zu gehen, ist heute ein Keller, den niemand betreten möchte.

Was soll aus der Passarelle werden? Im vorigen Jahr veranstaltete die Stadtentwicklungsverwaltung einen Workshop. Dänische Architekten des Büros Gehl kamen, die auch den New Yorker Times Square umgestaltet haben. Über den Berliner Tunnel sagten sie, er sei „es nicht wert, Touristen in der Stadt zu empfangen“. Auch der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Marc Schulte (SPD) sagte damals, die Unterführung sei ein „Unort“ und ein „Angstraum“. Der müsste umgewidmet und anders genutzt werden. Beispielsweise könnten Künstler dort ihre Arbeiten ausstellen.

Bei Großveranstaltungen lässt die Messegesellschaft den Tunnel selbst reinigen

In der Stadtentwicklungsverwaltung kündigt Sprecherin Petra Rohland an, ab 2017 solle mit allen Beteiligten ein Konzept erarbeitet werden. Auch ein Sprecher der Messe Berlin sagt, im Interesse der Kongress- und Messebesucher suche man „in naher Zukunft das Gespräch“. Schon jetzt lässt die Messegesellschaft den Tunnel bei Großveranstaltungen wie der Internationalen Funkausstellung (IFA) auf eigene Kosten reinigen, obwohl ihr die Anlage nicht gehört.

Am Wochenende tragen ein paar Jungs Holzkästen und Metallstangen in die Passerelle. Mit ihren BMX-Rädern und Skateboards rollen sie durch die Kulisse, in der für Hollywood-Filme wie „Die Tribute von Panem“ oder „Captain America“ gedreht wurden. Soll aus der Passerelle also ein Skatepark werden, ein Filmstudio, oder sollte sie zugeschüttet werden?

Ein paar Meter vom Tunnel entfernt steht das ICC. Bis 2014 das größte Konferenzzentrum Berlins, heute ein Flüchtlingsheim mit 500 Bewohnern. Zum Tunnel sagt ein Sprecher des Malteser-Hilfsdienstes, der die Unterkunft betreibt: „Die Geflüchteten haben andere Probleme, als dass dort eine Unterführung geschlossen oder eine Ausstellung eröffnet wird.“

Ein paar Meter westlich steht der Zentrale Busbahnhof (ZOB). Vor dem Boom der Fernbusse hielten hier täglich nur 100 bis 200 Busse, am 27. Juli 2015 waren es schon 707 Busse. Der Busbahnhof wird nun bis 2019 modernisiert und vergrößert. Früher mussten Reisende auf dem Weg in die Stadt durch den Tunnel – Treppen runter, Treppen rauf. Viele liefen deshalb einfach über den Messedamm. Ende 2015 überquerten täglich 5000 Menschen die Straße. Auch deshalb hängt dort seit August eine Ampel, die an Holzmasten montiert ist.

Wartehalle, Skaterbahn oder doch Galerie?

Die provisorische Lösung soll durch eine permanente ersetzt werden, wenn der ZOB modernisiert ist. Der Baustadtrat will mit den Betreibern des ZOB und der Messe sprechen und wissen: Kann ich den Tunnel zumindest zeitweise schließen? Dabei möchte Schulte das nur halbherzig. Eigentlich hätte er dort gern einen Raum mit Ausstellungen. „Wir müssen die Fläche zurückerobern“, sagt er. Ein Konzept hat er nicht. „Wir können das nicht von oben entscheiden, das muss von unten kommen.“ Jeder, der eine Idee habe, solle ihm schreiben, sagt Schulte.

Könnte die Passerelle eine Wartehalle für den ZOB werden? Auch darüber haben einzelne Beteiligte schon nachgedacht. Dagegen spricht nach Auskunft der Stadtentwicklungsverwaltung jedoch, dass dann wohl ein neues Tunnelstück gebaut werden müsste, das direkt bis in den Busbahnhof führt.

Bis auf Weiteres bleibt die Unterführung eine Unterführung und von ihr vor allem Fotos. Eine Frau zieht ihr Smartphone aus der Jackentasche und drückt ab. Vielleicht lädt sie ihre Foto später auf Instagram. Dort reihen sich die Passarellen-Porträts auf. Gesichter, die lachen. Orangefarbene Kacheln. Zumindest eines ist den Fotos gemein: sie riechen nicht.

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