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Ausgespielt. An die denkmalgeschützten „Tennisplätze am Ku’damm“ erinnern nur noch Schilder; nun sind dort 70 Wohnungen geplant.

© Cay Dobberke

Berlin-Wilmersdorf: BVV will keine Wohnungen auf „Tennisplätzen am Ku'damm“

Die einstige Tennisanlage an der Schaubühne am Lehniner Platz soll eine Freifläche bleiben und nicht mit 70 Wohnungen bebaut werden. Das fordert der bezirkliche Stadtentwicklungsausschuss.

Unter Denkmalschutz steht der gesamte, in den 1920er bis 1930er Jahren errichtete „WOGA-Komplex“ des Architekten Erich Mendelsohn mit der heutigen Schaubühne am Lehniner Platz schon seit 1982. Trotzdem plant ein Investor, wie berichtet, 70 Wohnungen in sechs- bis siebenstöckigen Neubauten auf den früheren „Tennisplätzen am Ku'damm“. Inzwischen liegt der Bauantrag vor.

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf steht allerdings auf der Seite von Bewohnern der alten Mendelsohn-Wohngebäude in der Cicerostraße, die gegen die Bebauung der seit 2007 geschlossenen Tennisanlage im Hof ihrer Häuser protestieren. Am Mittwochabend votierte der BVV-Stadtentwicklungsausschuss einstimmig für einen Antrag des bezirklichen Denkmalbeirats: Das Bezirksamt soll sich „beim Landesdenkmalamt dafür einsetzen“, die Ex-Tennisplätze „als Freifläche zu erhalten“.

Zu den Tennisspielern gehörten Erich Kästner und Vladimir Nabokov

Einst hatten dort viele Prominente gespielt, darunter die Schriftsteller Erich Kästner und Vladimir Nabokov, Regisseur Luc Bondy oder der Schauspieler und heutige Schlossparktheater-Intendant Dieter Hallervorden.

Das Landesdenkmalamt hat den Anwohnern mitgeteilt, dass „primär“ auf Bezirksebene entschieden werde – nämlich von der dortigen Unteren Denkmalschutzbehörde. Das Bezirksamt will bald zu einer Einwohnerversammlung einladen, es gibt aber noch keinen Termin.

Baustadtrat Marc Schulte (SPD) warnte im Ausschuss, der BVV-Antrag könne „einen Planungsschaden hervorrufen“. Laut dem Baunutzungsplan aus den 1950er Jahren stehe dem Investor Shore Capital das Baurecht zu. „Wenn das Landesdenkmalamt keine Bedenken hat, kann eine Entschädigung fällig werden.“ Heike Schmitt-Schmelz, Vize-Fraktionschefin der SPD, folgte den Argumenten ihres Parteifreunds jedoch nicht. Sie sah keine Gefahr, dass der Bezirk in „Entschädigungsnöte“ geraten könnte.

Ansgar Gusy (Grüne) forderte grundsätzlich „einen breiteren Diskurs über Denkmäler“. Es dürfe „nicht erst eine Diskussion geben, wenn ein Bauantrag vorliegt“. Arne Herz (CDU) äußerte Zweifel daran, dass Stadtrat Schulte ergebnisoffen mit dem Investor verhandelt habe.

Baustadtrat befürwortet die Nachverdichtung

Schulte hat die Nachverdichtung mit Wohnungen wiederholt „vertretbar und sinnvoll“ genannt. Das sei seine politische und städtebauliche Meinung, bekräftigte er. Aber: „Die Frage des Denkmalschutzes ist unabhängig zu betrachten“, dafür sei er nicht zuständig.

Das Wohnungsbauprojekt war dem Bezirksamt seit spätestens Mitte 2014 bekannt, wie Akten zeigen. 2015 gab es ein „konkurrierendes Gutachterverfahren“ mit Vertretern des Stadtplanungsamts, des Landesdenkmalamts und der Unteren Denkmalschutzbehörde. Mitglieder der BVV-Fraktionen waren als Gäste eingeladen.

„Luxuswohnungen, die kein Mensch braucht“

Doch die Mieter und Wohnungseigentümer in der Cicerostraße erfuhren davon zunächst nichts, obwohl sie sich mehrmals beim Stadtplanungsamt erkundigt hatten, ob es Neubaupläne gebe. Es gehe um „Luxuswohnungen, die kein Mensch braucht“, kritisierte der Anwohner und Architekt Reinhardt Brüggemann. Seine Nachbarin Christiane von Trotha fragte, ob die Wohnungsnot in Berlin als „höheres Interesse“ gelte, um Denkmalschutz auszuhebeln.

Die fraktionslose Grünen-Bezirksverordnete Nadia Rouhani warf Stadtrat Schulte erneut vor, die „Luxuswohnbebauung hinter dem Rücken der BVV und der Öffentlichkeit“ mit eingefädelt zu haben, was dieser abermals bestritt. Aus Rouhanis Sicht wäre für die Diskussion „vor eineinhalb Jahren der richtige Zeitpunkt gewesen“.

Wollte Mendelsohn die Tennisplätze oder Wohnhäuser?

Im Streit um den Denkmalschutz spielt die Frage eine Rolle, ob sich Mendelsohn die Tennisplätze einst gewünscht hatte. Ein vom Investor beauftragter Gutachter nimmt an, der Architekt hätte lieber drei sogenannte Kreuzhäuser an gleicher Stelle gebaut.

Dem widerspricht der Denkmalbeirat, der alte Bauakten eingesehen hat. Die Kreuzhäuser seien zwar 1932 amtlich genehmigt wurden, dann aber habe Mendelsohns Büro den Antrag zurückgezogen, sagte die Beiratsvorsitzende und SPD-Kulturpolitikerin Christiane Timper. Sie vermutet, dass die Wohnungsbaupläne nicht von Mendelsohn selbst stammten, sondern nur von einem Mitarbeiter.

Auch Anwohner haben im Archiv des Landesdenkmalamts geforscht und einen Brief gefunden, in dem Mendelsohn schrieb, die „Anlage von Spiel- und Grünflächen“ entspreche dem Wunsch „aller Beteiligten“.

Professorinnen kritisieren die Baupläne

Außerdem gibt es nun eine Stellungnahme zweier Expertinnen, die Bücher über Mendelsohn verfasst haben. Die Professorinnen Regina Stephan (Hochschule Mainz) und Kathleen James-Chakraborty (University College Dublin) betonen, nirgends seien Entwürfe von Mendelsohn für die Kreuzhäuser zu finden, obwohl der Architekt „stets größten Wert darauf gelegt hat, seine Projekte zu veröffentlichen“.

Stephan und James-Chakraborty äußern ihr „Erstaunen und Befremden“ über das Bauprojekt. Die Tennisplätze seien „ein Zeugnis der Lebensreformbewegung in Berlin“. An gleicher Stelle habe es schon ab 1908 den Sportpark „Neue West-Eisbahn“ gegeben, der im Sommer als Tennisanlage und im Winter als Eisbahn gedient habe. Und der Sinn des Denkmalschutzes bestehe doch darin, „das Gelände vor wirtschaftlicher Ausbeutung zu schützen und Bauten wie Frei- und Grünraum für die Öffentlichkeit zu bewahren“.

Die ganze Stellungnahme können Sie unter diesem Link lesen.

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