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Höhen und Tiefen. Friedrich Boyens’ Firma hatte zehn Filialen und 50 Mitarbeiter. Dass es mit „Betten Rutz“ bergab ging, lastet er unter anderem Ex-Kanzler Gerhard Schröder an.

© Thilo Rückeis

Berliner Traditionsgeschäft schließt: Böses Erwachen bei Betten Rutz

Einst war „Betten Rutz“ ein florierendes Unternehmen. Doch dann passierte etwas Unvorhersehbares. An diesem Sonnabend schließt die letzte Filiale. Für den Chef geht damit der Kampf erst richtig los.

Bettenhaus-Chef Friedrich Boyens ist so etwas wie der Unruhestand in Person. Nach 34 Jahren schließt er am heutigen Sonnabend aus Altersgründen die letzte Filiale der einst stadtbekannten Ladenkette „Betten Rutz“ in Schmargendorf – doch dafür hat der kämpferische Unternehmer neue Ziele. Jetzt habe er die Zeit, die Gründe des unverschuldeten Niedergangs seiner Firma öffentlich zu machen und Konsequenzen zu fordern, sagt Boyens.

Alles muss raus. Bei Betten Rutz in Schmargendorf ist am 28. März Schluss. 
Alles muss raus. Bei Betten Rutz in Schmargendorf ist am 28. März Schluss. 

© Cay Dobberke

Denn früher war „Betten Rutz“ ein florierender Betrieb mit einem Hauptgeschäft an der Tauentzienstraße, neun Filialen und 50 Mitarbeitern. Dass davon nur das kleine Geschäft an der Breiten Straße 28 übrig blieb, war eine Folge des Skandals um den betrügerischen Bauunternehmer Jürgen Schneider in den 1990er Jahren.

Kampf gegen das Sonderkündigungsrecht

Jetzt bereitet Boyens eine Petition an den Deutschen Bundestag vor, um die „ersatzlose Abschaffung des ungerechten Sonderkündigungsrechts bei Zwangsversteigerungen“ zu erreichen. Außerdem will er Niedersachsens Landtag auffordern, Ex-Verantwortliche der Norddeutschen Landesbank (NordLB) für Millionenverluste haftbar zu machen, die dem Geldinstitut beim Umgang mit dem einstigen Haupthaus an der Tauentzienstraße entstanden seien.

Abrechnen will Boyens vor allem mit Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), der in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident zum Aufsichtsrat der NordLB gehörte.

Aufschwung an der Tauentzienstraße

Um den Zorn des Unternehmers zu verstehen, muss man die Geschichte des Bettenhauses an der Tauentzien- Ecke Nürnberger Straße kennen, wo später das Sportkaufhaus Niketown gebaut wurde und heute die japanische Modekette Uniqlo verkauft. 1981 hatte Boyens die damals schon 50 Jahre alte Firma Betten Rutz übernommen, die andernorts in Berlin fünf Läden hatte.

Der Kaufmann verdoppelte die Filialzahl und mietete allein im damaligen „Gothaer-Haus“ an der Tauentzienstraße schrittweise bis zu 1000 Quadratmeter in drei Etagen.

Bankiers ließen sich von Schneider übers Ohr hauen

Alles lief gut, bis Baulöwe Schneider der NordLB im Dezember 1992 vorgaukelte, er habe die Immobilie für 151 Millionen D-Mark erworben und wolle sie für 40 Millionen DM umbauen.

Heute verkauft Uniqlo an der Tauentzien-, Ecke Nürnberger Straße. Früher stand dort das „Gothaer-Haus“ mit dem Bettengeschäft.
Heute verkauft Uniqlo an der Tauentzien-, Ecke Nürnberger Straße. Früher stand dort das „Gothaer-Haus“ mit dem Bettengeschäft.

© Cay Dobberke

Die Bank gewährte Schneider einen Kredit in Höhe von 186 Millionen DM, von denen 131 Millionen sofort ausgezahlt wurden. Doch in Wahrheit kaufte Schneider das Haus erst nach der Kreditvergabe für nur 83 Millionen DM.

Leichtgläubige Banker hatten sich täuschen lassen und einen angeblichen Kaufvertrag nicht mal richtig angeschaut – es war ein ganz anderes Papier. Später schätzten Gutachter den Wert des Gebäudes auf lediglich 40 Millionen DM. 1997 wurde Schneider wegen dieses Betrugs zu drei Jahren Haft verurteilt – es war der größte Teil seiner Gesamtstrafe von sechs Jahren und neun Monaten.

Durch die Zwangsversteigerung war der Mietvertrag plötzlich wertlos

Zur Pleite des Bettenhauses führte aber erst die Methode, mit der die NordLB ihren Schaden gering und den Vorgang geheim halten wollte. Die Immobilie wurde an einen langjährigen Kunden der Bank verkauft – und diese Firma leitete die Zwangsversteigerung ein, womit der Mieterschutz entfiel. Aus Boyens' Überzeugung war das ein „reines Strohgeschäft“, er mutmaßt, es seien „Schmiergelder geflossen“.

Nach einer Sonderkündigung und Räumungsklage kam im November 1995 das Aus. Boyens entstanden so große Verluste, dass er auch alle Filialen außer der in Schmargendorf aufgeben musste. Ein Richter tadelte die „Schadensbegrenzung auf dem Rücken eines Mittelständlers“, erklärte den Rausschmiss aber für legal.

Gerhard Schröder half nicht

Hilfeersuchen des Unternehmers an Gerhard Schröder nutzten damals nichts. Dieser antwortete, die Bank habe „im Rahmen der Gesetze“ gehandelt. Der Streit eskalierte, Boyens prangerte die Bank und Schröder als Aufsichtsrat auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen an – und Schröder ließ ihn bei einer Veranstaltung im Hotel Adlon von Bodyguards hinauswerfen.

Der Unternehmer schreibt an einer Skandalchronik

Später erstritt Boyens jedoch Schadensersatz in Millionenhöhe von der NordLB und seinem ehemaligen Vermieter, der Gothaer Versicherung. Bei ihm stapeln sich Ordner mit Gerichtsakten, Verträgen und teils vertraulichen Korrespondenzen, an die er auf verschiedene Weise gelangte. Seit einiger Zeit schreibt Boyens an einer Chronik, die er auf seiner Webseite veröffentlichen will. Er möchte die Unterlagen sogar an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als „letzte moralische Instanz“ schicken.

Im geräumten Geschäft gibt es bald Schuhe statt Betten

Die Suche nach einem neuen Betreiber für den Schmargendorfer Laden blieb erfolglos. Zwei langjährige Beschäftigte verlieren ihre Jobs, Nachmieter wird ein Schuhgeschäft aus Steglitz. Vielleicht könne er den traditionsreichen Firmennamen ja noch für einen Onlineshop verkaufen, hofft Boyens.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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