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Letzte Lokalrunde. Nur noch bis Sonntag zapft Arne Wiedenhöft am Tresen des „Wilhelm Hoeck 1892“, dann ist dort Schluss.

© Cay Dobberke

Berliner Traditionslokal "Wilhelm Hoeck": Charlottenburgs älteste Kneipe muss schließen

Früher kam Zeichner Heinrich Zille oft ins "Wilhelm Hoeck 1892", später drehten Filmteams in der Alt-Berliner Kulisse. Nun aber wirft der Vermieter die Wirtin des Lokals hinaus.

In diesem Jahr hätte Charlottenburgs älteste Kneipe, das „Wilhelm Hoeck 1892“ an der Wilmersdorfer Straße 149, ihr 125-jähriges Bestehen feiern können. Doch stattdessen müssen die Wirtin Tanja Rudolph und ihre sieben Mitarbeiter das berühmte urige Lokal wegen eines Streits mit den Vermietern räumen. Am Sonntag ab 14 Uhr gibt es ein „Restesaufen“ mit vielen Stammgästen und Bier zum Sonderpreis, das hier übrigens noch immer „Molle“ heißt.

Wie es weitergeht, ist völlig unklar. Rudolph hat gehört, das Vermieter-Ehepaar wolle einen Ex-Geschäftsführer zum neuen Pächter machen. Sie kann aber auch nicht ausschließen, dass aus der Kneipe womöglich ein Laden wird. Zumindest hätten die Hauseigentümer in den jahrelangen Auseinandersetzungen auch schon mal mit der Umwandlung in eine Drogerie gedroht. Unter Denkmalschutz stehe das Gebäude nicht, sagt Matthias Gerschwitz, der nicht nur Stammgast ist, sondern auch das Buch „Molle und Medaille“ über die Kneipe geschrieben hat.

Fast alles sieht noch wie in alten Zeiten aus

Den Eindruck eines Denkmals macht das Lokal trotzdem mit seiner größtenteils unveränderten Originaleinrichtung. Das Bild prägen vertäfelte Wände, rustikale Tische, Schnapsfässer in Regalen, eine lange Flaschenreihe hinter der Theke, eine 100 Jahre alte Registrierkasse und rauchgeschwängerte Wände (im Schankraum ist Rauchen noch immer erlaubt, nur nebenan im separaten Restaurantsaal nicht). Wie aus Alt-Berliner Zeiten wirken auch viele der Speisen auf der Karte, darunter Blutwurst, Eintöpfe und Eisbein mit Sauerkraut.

Als Weinhandlung und Likörfabrik gegründet

Der Gründer Wilhelm Hoeck hatte 1892 eine Wein- und Sekthandlung sowie eine „Großdestillation und Liquerfabrikation“ eröffnet. Bald kam das Lokal als Probierstube hinzu. Als Hoeck 1933 starb, übernahm sein Sohn Horst den Betrieb – und gab dafür seine Sportlerkarriere auf. Ein Jahr zuvor hatte er mit dem Vierer des Berliner Ruderclubs die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Los Angeles gewonnen. Daran erinnert eines der Ruder, das im Gastraum hängt. Horst Hoecks Medaille galt lange als verschollen, erst vor zwei Jahren wurde sie in seinem einstigen Wohnhaus in Kleinmachnow entdeckt.

Bis 1972 führte Familie Hoeck die Kneipe selbst, dann folgten verschiedene Pächter. In den 1990er Jahren war Holger Wiedenhöft der Wirt, sein Sohn Arne arbeitet heute für Tanja Rudolph – und weiß noch nicht, was er nach der Schließung macht. „Ich warte erst einmal ab.“ Tanja Rudolph wiederum ist die Tochter des vorletzten Pächters Hagen Müller, der 2010 verstarb.

Heinrich Zille zeichnete die „Schnapsdestille“

Die Reihe der prominenten Besucher, darunter vor allem Künstler, ist lang. Das beweist auch eine Fotowand. Schon der Zeichner Heinrich Zille, der einst in der Nähe wohnte, kam häufig vorbei. Auf seinem 1910 entstandenen Bild „Schnapsdestille“ sieht man das Interieur des „Wilhelm Hoeck 1892“. Später diente das Lokal oft als Kulisse für Film- und Fernsehproduktionen, unter anderem standen hier Manfred Krug und Hollywoodstar Tom Hanks vor der Kamera. In den 1960er Jahren trafen sich viele Studenten dort und übten sich im Teebeutelwurf; ein Teebeutel klebt noch an der Decke und stammt angeblich von Rudi Dutschke.

Die Kneipe liegt im Norden der Wilmersdorfer Straße, der zum alten Charlottenburger Ortskern gehört und einige traditionsreiche Läden beherbergt. Zum Beispiel verkauft ein paar Häuser weiter seit 1932 das Fischgeschäft Rogacki.

Es gehe nicht ums Geld, sagt die Wirtin

Der Umsatz ist nicht das Problem der Pächterin. „Der Laden läuft gut“, sagt Tanja Rudolph, was auch Buchautor Gerschwitz bestätigt. Die Wirtin konnte sogar Schulden abbauen, die ihr Vater angehäuft hatte. Aber warum muss sie dann schließen? Nach ihrer Darstellung geht es um persönliche Animositäten. 2005 hatte ein bayerisches Ehepaar das ganze Haus gekauft, in dem es auch Wohnungen gibt. Die Eigentümer wohnen seitdem im Hinterhaus. Derzeit sind sie aber verreist, weshalb man sie nicht nach der Zukunft der Kneipe fragen kann.

Um den vom Vater übernommenen Pachtvertrag gab es ein Gerichtsverfahren, das Rudolph in letzter Instanz verlor. Wie sie sagt, war der Vertrag nicht von beiden Vermietern unterzeichnet worden, sondern nur vom Ehemann. Deshalb habe das Berliner Kammergericht die Vereinbarung für ungültig erklärt. Buchautor Gerschwitz ärgert sich darüber, wie eine „Institution“ geschädigt werde. Selbst wenn die Kneipe irgendwann wieder unter neuer Führung eröffne, werde er sie wohl meiden.

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