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Annette Tafel ist Geschäftsführerin des Nachbarschaftshauses am Lietzensee.

© Cay Dobberke

Charlottenburg: Teilerfolg für Nachbarschaftshaus am Lietzensee

Das Stadtteilzentrum im Nachbarschaftshaus am Lietzensee bekommt laut einem gerichtlichen Vergleich noch 40 000 Euro bis zum Jahresende. Wie es danach weitergeht, ist fraglich.

Die Zukunft des Charlottenburger Nachbarschaftshauses am Lietzensee bleibt ungewiss, seit Juli bekommt das Stadtteilzentrum in der Herbartstraße keine Gelder der Senatssozialverwaltung mehr. Doch zumindest bis zum Jahresende kann der gemeinnützige Trägerverein doch noch auf eine „Grundförderung“ in Höhe von 40 000 Euro hoffen. Das sieht ein Vergleich vor, zu dem es jetzt in einer Verhandlung am Berliner Verwaltungsgericht kam.

Vertreterinnen des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) stimmten allerdings nur unter Vorbehalt zu. Erst müsse noch ein „Kooperationsgremium“ für Berlins Stadtteilzentren einwilligen, in dem sich das Amt unter anderem mit der Sozialverwaltung und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband abstimme. Bis zum 18. September soll das Lageso dem Gericht nun mitteilen, ob es bei dem Kompromiss bleibt.

Das 1993 von Bürgern gegründete Nachbarschaftshaus hatte gegen den Zuwendungsstopp geklagt und rund 3000 Protestunterschriften gesammelt.

Die Argumente des Amts sind dem Richter zu nebulös

Das Landesamt habe einerseits einen „Ermessensspielraum“, andererseits aber ließen dessen Schreiben an den Trägerverein „nicht klar erkennen, welche Gründe ausschlaggebend waren“, bemängelte der Vorsitzende Richter der 26. Kammer, Christian Richard. So beruhe die Kritik an angeblich geringen Besucherzahlen nur auf zwei kurzen Besuchen von Lageso-Mitarbeitern im Haus, es könne sich um eine „rechtsfehlerhafte Tatsacheneinschätzung“ handeln.

Darüber hinaus hatte das Landesamt dem Nachbarschaftshaus unter anderem vorgeworfen, es sei im Bezirk wenig vernetzt und bleibe „hinter dem Entwicklungsstand vergleichbarer Einrichtungen zurück“. Bereits 2014 wurde der jährliche Zuschuss von 100 000 auf 80 000 Euro gekürzt.

Der Richter stellte die Lageso-Vertreterinnen vor die Wahl: Entweder akzeptierten sie den von ihm angeregten Vergleich, oder sie sollten überprüfbare „Ermessensgründe nachreichen“ und dem Nachbarschaftshaus einen „neuen richtigen Bescheid“ erteilen.

Vorerst geht es provisorisch weiter

Zu den mehr als 80 Angeboten im Haus gehören das „Café Elternzeit“ für Eltern und Kinder, Lebenshilfe- und Rechtsberatung, Chöre und Tanzkurse für Menschen mit Behinderung. Außerdem nutzen weiterhin mehrere Dutzend Selbsthilfegruppen die Räume, obwohl die Berliner Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle (Sekis) ausgezogen ist. Müsse das Haus kurzfristig schließen, würden die Nutzer „auf der Straße stehen“, sagte ein Anwalt der Trägervereins. Denn eine geregelte Nachfolge gebe es bisher nicht.

Um den Betrieb vorläufig aufrecht zu erhalten, habe man „die Kosten drastisch gesenkt“, Spenden gesammelt und bei den teils entgeltpflichtigen Angeboten die Beiträge leicht erhöht, sagte Tafel. Sie strebt auch eine Unterstützung durch Sponsoren an.

Wird ein anderer Verein bevorzugt?

Seit langem vermutet der Trägerverein, dass es im Grunde nur um eine „Umschichtung“ der Mittel zugunsten des Vereins „Divan“ gehe. Dieser betreibt in der Nehringstraße ein vom Senat gefördertes „Nachbarschaftszentrum und Mehrgenerationenhaus mit interkulturellem Schwerpunkt“. Zu den Gründern gehörte die Berliner SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill.

Der Vorsitzende Richter zitierte aus einem Aktenvermerk des Lageso vom Mai 2014, wonach Divan „perspektivisch“ die Aufgaben des bisherigen Stadtteilzentrums übernehmen könne. Gleichwohl bestritten die Amtsvertreterinnen jeden Zusammenhang. Seinerzeit habe von Divan nur ein „schlechtes Konzept“ vorgelegen, man habe „keine Basis“ für eine Verlagerung der Aufgaben gesehen.

BVV lehnte Einwohnerantrag ab

Vermieter des Hauses am Lietzensee ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Jeweils im Oktober kann zum Jahresende gekündigt werden. Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) hatte im Frühjahr zunächst angekündigt, den Vertrag fortzuführen, solange die Miete gezahlt werde. Dann aber startete er doch ein Interessenbekundungsverfahren, nachdem der BVV-Sozialausschuss im April einen Einwohnerantrag abgelehnt hatte. Darin war der Bezirk aufgefordert worden, beim Senat für die weitere Förderung zu werben.

Künftiger Betreiber steht noch nicht fest

Stattdessen forderte der Ausschuss, das Haus als soziale Einrichtung im Bestand des Bezirks zu halten, aber ein neues Konzept zu entwickeln und ein Interessenbekundungsverfahren zu starten, „sollte ein neuer Betreiber gefunden werden müssen“.

Nun liegen zwei Bewerbungen vor, eine davon vom bisherigen Träger. Entschieden sei noch nichts, sagte Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD), der Engelmann in den vorigen Tagen vertrat, auf Nachfrage.

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