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Witz, komm raus! Piraten und Linke wollen eine neue Namensgeberin für die Witzlebenstraße am Lietzenseepark.

© Cay Dobberke

Kuriose Idee für Straße in Berlin: Linke und Piraten wollen Preußengeneral loswerden

In Charlottenburg fordern Piraten und Linke, den Kiez am Lietzensee umzuwidmen. Der Witzlebenplatz und die Witzlebenstraße, benannt nach einem Preußengeneral, sollen ihre Namen zwar behalten – aber mit einer neuen Patronin.

Gerade hat die Joachimsthaler Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf ihre alte Schreibweise mit „h“ zurückerhalten. Die AG City wirbt für die Umbenennung der Tauentzienstraße in Kurfürstendamm, blitzt aber bei Bezirkspolitikern ab. Nun gibt es schon wieder einen Vorstoß für geänderte Straßenschilder im Berliner Westen – diesmal geht es kurioserweise um eine Umbenennung ohne Umbenennung. Mit Zusatztafeln wollen Piraten und Linke den Witzlebenplatz und die Witzlebenstraße am Charlottenburger Lietzensee einer neuen Namensgeberin zuordnen.

Witzleben erwarb die Gegend um den See

Seit 1905 erinnern Straße und Platz an den preußischen Generalleutnant und Kriegs- und Staatsminister Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben (1783 bis 1837). Er hatte einst den See samt Umgebung gekauft und zum Sommersitz mit öffentlichem Park gemacht. Das Gedenken an einen „Militaristen des 19. Jahrhunderts“ sei „nicht mehr zeitgemäß“, begründet der Piratenpolitiker Siegfried Schlosser einen Antrag, der demnächst von den Bezirksverordneten beraten wird.

Die vorgeschlagene Namensgeberin half Schwerhörigen

Die Bezeichnungen sollen Margarethe von Witzleben (1853 bis 1917) gewidmet werden, die als Gründerin einer Selbsthilfebewegung für Schwerhörige bekannt wurde. Sie stammte aus demselben Adelsgeschlecht wie der Militär.

Es geht um eine beliebte gutbürgerliche Gegend: Am Platz gibt es Luxuswohnungen im einstigen Reichskriegs- und Kammergericht, in der Straße läuft das Projekt „Berlin Lake Suite“ mit zwölf weiteren Wohnungen. Bürger kümmern sich ehrenamtlich um den Lietzenseepark.

Ein Bürger wollte Erwin von Witzleben ehren

Die Idee, den Namensgeber zu wechseln, stammt eigentlich von Joachim Neu, der sich in der Bürgerinitiative Stuttgarter Platz engagiert. 2010 hatte er bereits die Umbenennung des Holtzendorffplatzes in Kracauerplatz erreicht.

Haus der Willkür-Justiz. Am Witzlebenplatz fällte das Reichskriegsgericht in der Nazizeit fast 1200 Todesurteile. Heute gibt es in dem Altbau luxuriöse Wohnungen.
Haus der Willkür-Justiz. Am Witzlebenplatz fällte das Reichskriegsgericht in der Nazizeit fast 1200 Todesurteile. Heute gibt es in dem Altbau luxuriöse Wohnungen.

© Cay Dobberke

Anlässlich des 70. Jahrestags des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wandte sich Neu an die Piratenfraktion: Platz und Straße sollten umgewidmet werden, um den Widerstandskämpfer Erwin von Witzleben zu ehren, den der „NS-Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt hatte.

Piraten und Linke griffen die Anregung auf, sind aber für Margarethe von Witzleben als Namenspatronin. Denn die BVV hatte 2005 beschlossen, Straßen in der Regel nur noch nach Frauen zu benennen. Marlene Cieschinger (Linke) findet zudem, dass eine Schwerhörigen-Aktivistin „mit Blick auf Inklusion und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ eine gute Namensgeberin wäre.

Der Antrag hat kaum Aussicht auf Erfolg

Joachim Neu ärgert sich über die Änderung seines Vorschlags. Allerdings hat der Antrag ohnehin kaum Chancen. Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) betont, die Bezeichnungen würdigten von Witzleben nicht als Militär, sondern als einstigen Eigentümer der Gegend, die bis heute „Witzleben“ heißt. Ähnlich skeptisch reagierten Fraktionsvertreter der Grünen, SPD und CDU.

Der frühere S-Bahnhof Witzleben heißt seit 2002 „Messe Nord/ICC (Witzleben)“. Dabei ging es aber nicht um Politik: Die Messe Berlin hatte sich die Änderung wegen der Nachbarschaft zum Messegelände am Funkturm gewünscht.

Wedding schlug die Petersallee einem Widerstandskämpfer zu

Bisher wurden Straßen in Berlin oft umbenannt, aber selten umgewidmet. Dies geschah zum Beispiel im Afrikanischen Viertel in Wedding, wo 22 Straßen an die deutsche Kolonialzeit erinnern – darunter die 1939 nach dem Gründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, Carl Peters, benannte Petersallee. In den 1980er Jahren protestierten Anwohner dagegen. Seitdem weisen Ergänzungsschilder auf Hans Carl Maria Alfons Peters hin, einen Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime.

Tauziehen um die Treitschkestraße

In Steglitz-Zehlendorf scheiterten die Piraten im Streit um die Treitschkestraße mit einem ähnlichen Plan. Zuvor hatten die meisten Anwohner die Umbenennung der Steglitzer Straße abgelehnt.

Daraufhin forderten die Piraten, sie nicht mehr dem Historiker Heinrich von Treitschke (1834 bis 1896) zu widmen, der den fatalen Satz „Die Juden sind unser Unglück“ geprägt hatte. Der Straßenname sollte mit dem Dramatiker, Theaterregisseur und Schmetterlingskundler Georg-Friedrich Treitschke verknüpft werden. Davon hielten die anderen BVV-Fraktionen jedoch nichts.

Spanische Allee mit dunkler Geschichte

Anders ging man in Zehlendorf mit der Spanischen Allee um. Zu deren nur scheinbar harmlosem Namen kam es 1939 als Ehrung der deutschen Legion Condor. Diese hatte im Spanischen Bürgerkrieg unter anderem Guernica zerstört, woran das berühmte Bild von Pablo Picasso erinnert. 1998 beschloss die BVV Zehlendorf, die Herkunft des Straßennamens klarzumachen: Eine Kreuzung erhielt den Namen Guernicaplatz, wo die Wall AG eine Infotafel aufstellte.

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