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Planungstreffen. Im Juwelierladen seiner Familie sprach Efram Tozman (re.) soeben mit Sylvia Richter und Pfarrer Ole Jaeckel-Engler von der City Station der Stadtmission.

© Cay Dobberke

Soziales Engagement in der Berliner City West: Juwelier bewirtet Bedürftige

In den nächsten zehn Jahren will der Juwelier Efram Tozman tausende Bedürftige gratis verköstigen – nach dem Vorbild der biblischen „Speisung der 4000“ durch Jesus. Zum Auftakt gibt es ein Essen für 150 Menschen in der City Station der Stadtmission.

Juwelier Efram Tozman weiß, dass er mit dem in der Bibel geschilderten Wunder der „Speisung der 4000“ durch Jesus nicht mithalten kann. Mit sieben Broten und „ein wenig Fischlein“ (Markus-Evangelium, Kapitel 8) käme der 53-jährige Unternehmer nicht weit. Aber er will zeigen, dass „Wunder nicht nötig sind, wenn man sein Menschsein demütig annimmt und die eine oder andere Tat von Jesus in ,Raten' erbringt“.

Der gebürtige Türke ist Aramäer, gehört der syrisch-orthodoxen Kirche an und lebt seit 1971 in Berlin. Seine Familie betreibt das Juweliergeschäft „Zeit & Zeitlos“ an der Knesebeckstraße 40 nahe dem Ku'damm.

Für ein soziales Projekt kooperiert Tozman nun mit der evangelischen Berliner Stadtmission: In den kommenden zehn Jahren möchte er insgesamt 4000 Obdachlose und andere Bedürftige bewirten. Ein erstes Grillfest gibt es am Sonntag, 23. August, ab 13 Uhr in der City Station der Stadtmission an der Joachim-Friedrich-Straße 46.

Dort werden in den nächsten Tagen 150 kostenlose Eintrittskarten verteilt. Laut Sylvia Richter, der Leiterin der Einrichtung, warten schon viele Interessierte darauf. Man öffne ausnahmsweise am Sonntag, an dem sonst nur ein Gottesdienst stattfinde.

Normalerweise sind die Mahlzeiten billig, aber nicht gratis

Kostenlose Speisungen gehören an sich nicht zum Konzept. Denn Sylvia Richter möchte, dass Besucher sich „als Gast und nicht als Bittsteller fühlen“. Andererseits soll sich jeder eine Mahlzeit im hauseigenen Restaurant leisten können. Ein Hauptgericht kostet werktags nur zwei Euro; Eintöpfe, Salate und Kuchen gibt es für 30 bis 60 Cent.

Sozialer Treffpunkt. Zur City-Station an der Joachim-Friedrich-Straße gehören unter anderem ein Restaurant und eine Kleiderkammer. Im Winter leistet man Kältehilfe für Obdachlose.
Sozialer Treffpunkt. Zur City-Station an der Joachim-Friedrich-Straße gehören unter anderem ein Restaurant und eine Kleiderkammer. Im Winter leistet man Kältehilfe für Obdachlose.

© Cay Dobberke

Von der Kleiderkammer bis zur Kältehilfe

Zum Angebot der City Station gehören auch eine Kleiderkammer, Seelsorge und Beratungen. Jeweils im Winter öffnet ein „Nachtcafé“ mit 20 Schlafplätzen, außerdem ist dann der „Kältebus“ unterwegs, um Obdachlose in den Straßen vor dem Erfrieren zu bewahren.

Eines der Fahrzeuge hatten Tagesspiegel-Leser bereits 1995 in der Spendenaktion „Menschen helfen“ finanziert. Später übernahm der Energieversorger Vattenfall die Kosten für einen neueren Wagen. Verschiedene Unternehmen unterstützen die City Station durch Spenden und „Social Days“, an denen Angestellte dort mitarbeiten. Den festeren Kern bilden im Sommer etwa 40 ehrenamtliche Helfer, im Winter sind es wegen des Nachtcafés rund 50 bis 60.

Die geplante Speisung sei trotzdem einzigartig, sagen Sylvia Richter und Pfarrer Ole Jaeckel-Engler. Tozman kam die Idee anlässlich des zweiten Firmenjubiläums: Am 23. August 2013 hatten seine Frau Seydi und sein Sohn Marco den Betrieb gegründet. Derzeit hilft Efram Tozman dort aus, bis sein Sohn eine duale Ausbildung zum Fachwirt für Uhren, Schmuck und Edelsteine abgeschlossen hat.

Nach 44 Jahren in Berlin will sich der Juwelier dankbar zeigen

Im Orient seien die Christen „über Jahrhunderte klein gehalten“ worden, sagt er, „so hatte der diakonische Gedanke kaum Gelegenheit, groß zu werden“. In Deutschland hingegen seien viele Nachkommen von Gastarbeitern nunmehr in der Lage, „einige Früchte von den Bäumen abzugeben“. Tozman hofft, dass seine Aktion weitere Förderer oder Nachahmer findet.

Werbung für den Familienbetrieb

Das Ganze habe auch einen „eigennützigen Hintergrund“, gibt der Unternehmer offen zu. Er habe überlegt, wie sich der Familienbetrieb von den vielen anderen Juwelieren rund um den Ku'damm „abheben kann“. Bisher setze man vor allem auf relativ niedrige Preise. Künftig solle aber auch das soziale Engagement den Bekanntheitsgrad steigern. Seine Kosten schätzt der Juwelier auf zehn Euro pro Mahlzeit.

Freunde und Verwandte wollen als ehrenamtliche Helfer servieren und zudem selbstgebackenen Kuchen mitbringen. Als politische Unterstützer der Aktion nehmen voraussichtlich die Charlottenburg-Wilmersdorfer BVV-Vorsteherin Judith Stückler (CDU) und der Berliner CDU-Abgeordnete Joachim Krüger teil.

Fortsetzung folgt – wahrscheinlich in der Stadtmission am Hauptbahnhof

Eine zweite Veranstaltung sei in diesem Jahr nicht mehr zu schaffen, bedauert Efram Tozman, die jährlich 400 Speisungen will er ab 2016 erreichen. Bereits angedacht ist ein Fest im „Zentrum am Hauptbahnhof“ der Stadtmission an der Lehrter Straße.

Mit dem weihnachtlichen Gänseessen für Obdachlose, das der Sänger Frank Zander seit 20 Jahren organisiert, möchte Tozman sein Engagement nicht vergleichen. Mit je rund 3000 Teilnehmern hätten Zanders Feiern im Neuköllner Hotel Estrel doch eine ganz andere Größenordnung.

Laut dem Neuen Testament hatte Jesus sein Wunder übrigens gleich zwei Mal in ähnlicher Form vollbracht; der „Speisung der 4000“ ging eine „Speisung der 5000“ voraus.

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