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Wer am Stuttgarter Platz keinen Parkplatz oder sein Auto nicht mehr findet, der kommt per Fahrrad und wartet im Café auf den frühen Feierabend.

© Cay Dobberke

Von Tag zu Tag: Hier schnarcht der Bär

Auch der Stuttgarter Platz ist nicht mehr das, was er einmal war. Wenn die Autodiebe Feierabend machen, sind die Bürgersteige längst schon hochgeklappt. Eine Glosse.

Das wäre die gute Nachricht: An einem berüchtigten Platz der Stadt steht ein schickes Auto vom frühen Sommerabend bis zum sonnigen Morgen mit dem Zündschlüssel in der Fahrertür unbehelligt am Straßenrand. Ja sind wir denn hier auf dem Dorf, oder was? Hat der Stutti, die West-Berliner Rotlichtadresse von Anno dazumal, ihren schlechten Ruf endgültig verspielt?

Tatsächlich lässt sich fast jede positive Neuigkeit auch als bad news verkaufen. Wo waren eigentlich in dieser Nacht des potentiellen Limousinenklaus jene penetranten Gesetzeshüter, die hier sonst so gern bei Dunkelheit Knöllchen verteilen? Ein korrekt geparktes Kfz, das vor der Verschleppung ins Hehlerland bewahrt werden möchte, würdigen sie keines Blickes!

Wo steckten denn diesmal unsere gefürchteten wachsamen Mitbürger mit Sheriff-Ambition, die zur Abwendung größeren Unheils den Schlüssel korrekt bei der nächsten Wache hätten abliefern oder wenigstens doch im Vehikel selbst postieren sollen?

Andere übliche Verdächtige haben ebenso versagt. Das sogenannte Milieu ist ja nun am Stuttgarter Platz sowieso schon aus seinen vormals fruchtbaren Jagdgründen herausgedrängt worden; lediglich zwei Etablissements mit Patina, die bereits als Kandidaten fürs Unesco-Weltkulturerbe gehandelt werden, hat das Projekt Spießerkiez im Schatten der DB-Immobilien übriggelassen. Selbst auf Junkies, die das Gebüsch rund um den Bahnhof Charlottenburg gewohnheitsmäßig als Spritzen-Halde nutzen, ist in puncto Beschaffungskriminalität offenbar kein Verlass mehr.

Auch jene fahrenden Musikanten, die regelmäßig am selben Wochentag zur gleichen Stunde, pünktlich wie es ihre Almosenbeschaffungs-Innung organisiert und bisweilen flankiert von Hilfstruppen das Quartier durchkämmen, haben dies schlüsselfertige Schnäppchen am Bordstein hochnäsig ignoriert.

Die Menschen in dieser unserer Stadt gucken offenbar einfach nicht mehr richtig hin, sondern lieber auf ihr Smartphone, müsste (auf kulturpessimistisch) die schlechte Nachricht lauten. Oder, etwas gewerkschaftsfeindlich: Statt seinen Job zu erledigen, macht der Berliner jeglicher Herkunft immer früher Feierabend.

Als gute Nachricht, noch mal umgedreht, klänge das Schlüsselerlebnis dann ungefähr so: Am Touri-Pfad in Friedrichshain / und Mitte schläft der Bär nie ein. Im Westen herrscht bei Kneipenschluss / der bürgerliche Schnarchgenuss.

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