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Gläubige Muslime beten in Berlin vor dem Kottbusser Tor, weil ihr in der Nähe gelegen Moschee abgebrannt ist.

© Frank Bachner

Abgebrannte Mevlana-Moschee in Berlin: Muslime haben Angst vor neuem Feuer

Viele Muslime der abgebrannten Mevlana-Moschee fühlen sich nach dem Feuer bedroht, sie fürchten, dass es wieder brennen könnte. Hier an der Skalitzer Straße in Kreuzberg glaubt fast jeder an Brandstiftung.

Die Männer sitzen an zusammengeschobenen Tischen, sie trinken Kaffee oder Tee. Neben ihnen hängt ein Stoffband an der Decke, „Berlin Mevlana, die Jugend ist mit uns“, steht dort rot auf weiß. Dass die Gruppe überhaupt hier sitzen darf, ist ein kleines Symbol staatlicher Toleranz. Eigentlich ist die Kantine der Mevlana-Moschee in der Skalitzer Straße von der Kripo gesperrt, genauso wie der Gebetsraum über ihnen. Dort ist die Decke mit schwarzen Punkten gesprenkelt. Gewaltige Rußflecken als Erinnerung an den Brand in der Nacht zum Dienstag. Brandanschlag? Unfall? Die Kripo ermittelt noch.

Sie ist aber auch nachsichtig. „Die Kripo duldet stillschweigend, dass wir die Kantine noch benützen dürfen“, sagt einer am Tisch.

Haben Sie Angst vor einem weiteren Brand? Glauben Sie an einen Unfall? Die Männer schweigen. „Fragen Sie Hasan“, sagt einer.

Hasan Aydin ist der Vorsitzende der Moschee, ein freundlicher Mann mit Schnauzbart. Jetzt sitzt er am Tisch eines Dönerladens ein paar Meter neben der Moschee.

Haben Sie Angst, Herr Aydin?

„Angst haben wir nicht. Seit ich hier bin, haben wir nie Drohungen erhalten. Man lebt hier friedlich miteinander.“ Aydin ist 52 Jahre alt, er leitet seit 2007 die Moschee, er redet viel von Besonnenheit, von Verständnis, gutem Miteinander. Er schildert Kreuzberg als Wohlfühl-Oase. „Ein wunderschöner Stadtteil“, sagt er, oder: „Es ist bereichernd, hier zu leben.“

Glauben Sie an Brandstiftung?

„Wir hoffen es nicht, mit Glauben kann man hier nichts anfangen.“ Aber dann sagt er auch: „Von unserer Seite kann ich ausschließen, dass es ein Unfall war.“ Er kennt alles Material, das hier lagert. Also doch Brandstiftung? Aydin schweigt, die Lippen zusammengepresst.

Der Moschee-Leiter vermisste Wowereit

Stichwort Politiker. Aydin sagt, „dass wir erwartet haben, dass sich Wowereit hier blicken lässt, dass wir das Gefühl haben, wir sind nicht allein.“ Der Regierende Bürgermeister kam aber nicht, das empfinden sie hier als großes Symbol staatlicher Ignoranz.

Hasan Aydin.
Hasan Aydin.

© Frank Bachner

Aydins Ansichten sind eine Mischung aus realistischer Darstellung und vorsichtiger Wortwahl. Er ist quasi der lokalpolitische Diplomat der Moschee.

Aber die Gefühlslage vieler betroffener Muslime orientiert sich nicht an verständnisvollen Signalen. Der Dönerladen, in dem Aydin sitzt, gehört Abdullah, einem freundlichen Mittdreißiger, der in Kreuzberg aufgewachsen ist und schon mal die US-Nationalhymne mitgesummt hat, als er den Film „Batman“ sah. Einer, der Partys liebt, aber auch die Gebete ernst nimmt. Abdullah sagt auch: „Warum hat sich hier kein Politiker sehen lassen?“ Und dass er „natürlich Angst hat“. Auch er hat das Gefühl, als Ausländer mitunter schlechter behandelt zu werden als Deutsche. Brandstiftung? „Jeder hier denkt so.“

Als er fassungslos dem Feuer zuschaute, hörte er von seinen Nebenleuten wildeste Theorien. Merkel habe undercover den Brandstifter angeheuert, der Brand sei eine Reaktion auf Erdogans Sieg, solche Sachen. „Ältere haben immer Verschwörungstheorien“, sagt er.

"Ich habe noch nie gehört, dass eine Kirche in Deutschland abgebrannt ist"

Die Mevlana-Moschee war in der Vergangenheit durchaus umstritten, vielleicht erklärt das auch die Zurückhaltung der Politiker. Aber vielen Muslimen bedeutet diese Moschee allein rein spirituell sehr viel. Alle Mitglieder haben Geld für ihren Bau gegeben, eine Baufirma hat zum halben Preis gearbeitet, die Menschen spendeten auch Kies, Beton, einer stellte einen Kran bereit. Es dürfte Muslime geben, denen die Flammen quasi zugleich das Herz herausgerissen haben. „Viele hier würden auch in Trümmern beten“, sagt Abdullah.

Diese Älteren denken mit ihrem Herzen, da geht es nicht um Logik. Einer von ihnen ist ein Türke mit grauem Bart, in dessen Wangen sich tiefe Falten gegraben haben. Auch er sitzt im Dönerladen. „Ich habe noch nie gehört, dass eine christliche Kirche in Deutschland gebrannt hat“, sagt er. Und, natürlich: „Jemand hat den Brand gelegt.“ Warum? „Diese Frage kann der deutsche Geheimdienst beantworten.“ Für einen anderen Mann, ungefähr 60 Jahre alt, wache Augen, ist dies das Stichwort. „Die Geheimdienste wissen alles besser als wir“, sagt er. Er lehnt sich mit verschränkten Armen zurück. Ein Satz wie ein gesprochenes Ausrufezeichen. Er hat soeben eben ein Naturgesetz verkündet.

Irgendwann mal kursierte das Wort „Bürgerwehr“. Niemand wusste, wie ernst das gemeint war. Bürgerwehr? Da faltet Hasan Aydin die Hände und sagt: „Wir haben gelernt, dass Besonnenheit zum Ziel führt.“ Wir vertrauen der Polizei, heißt das wohl.

Ob die Männer in der Kantine auch so denken, ist unklar. Aber einer sagt leise: „Natürlich haben wir alle ein bisschen Angst.“

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