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Tipps für Einsteiger: Demotraining am Sonntag am Mariannenplatz.

© Thilo Rückeis

Demo-Training in Kreuzberg: Klassenkämpfer üben schon mal Demo-Tricks

Die Revolution marschiert im Kreis, und die Polizei schaut zu. Zu Besuch bei einem Demo-Training in Kreuzberg kurz vor dem 1. Mai.

„Ich bin Georg“, stellte sich einer der Revolutionäre vor, der andere mit „Willy“. Beide leiteten am Sonntagnachmittag auf dem Mariannenplatz ein Demonstrationstraining mit wertvollen Tipps für Einsteiger und Anfänger. Beide sahen so gar nicht aus wie böse vermummte Kreuzberger Autonome, eher wie Schwiegermutters Liebling. Wie also demonstriert man korrekt? Das wichtigste ist: „Bildet Ketten!“

Diesen Schlachtruf gibt zwar schon länger als den 1. Mai in Kreuzberg, die meisten Revolutionäre waren allerdings 1987 noch nicht geboren. Anschließend marschierten die „Ketten“ vor dem Bethanien immer wieder im Kreis, übten das Ausweichen vor Laternen (laut warnen mit dem Ruf „Laterne, Laterne!“), das richtige Tragen von Fahnen, das Beiseiteschubsen von Verfassungsschutzspitzeln und Ähnliches. Wichtig auch die Warnung: „Verheddert euch nicht im Transparent!“ Auf dem stand groß das Wort „Klassenkampf“. Der Georg betonte denn auch, dass die Demo am 1. Mai einen „starken klassenkämpferischen Ausdruck“ haben müsse.

Deshalb das Training. Zuvor informierten zwei Vertreter der „Roten Hilfe“, einem Verein, der Festgenommene unterstützt, über die rechtliche Lage auf einer Demo: „Wir geben Sicherheit und Informationen, wie man mit staatlicher Repression umgeht.“  Zu diesem Zeitpunkt hatte die staatliche Repression in Form einer Zivilstreife des polizeilichen Staatsschutzes gerade ihren Skoda gestartet und war kurz weggefahren, womöglich um Kaffee zu holen. Verpasst haben sie nichts.

Zuvor hatten die drei Beamten, im Auto sitzend, das Schauspiel mit halb heruntergelassenen Scheiben aus einiger Entfernung betrachtet. Sie machten sich nicht die Mühe auszusteigen, um sich der kreisenden Revolution zu nähern. Gegen Ende würdigten sogar zwei Zivilstreifen die Übungseinheit der Linken. Die Beamten genierten sich nun nicht mehr, sondern standen plaudernd, unbeachtet von den Übenden, vor den Autos.

Nicht plaudern, sondern eisern schweigen sollen festgenommene Demonstranten in der Gefangenensammelstelle, predigte die Rote Hilfe. Nur die Personalien müssten genannt werden, hieß es. Früher hieß die bevorzugt plakatierte Parole „Anna und Arthur halten’s Maul“. Nach Angaben des Internetlexikons Wikipedia ist der Spruch 1987 erfunden worden. Im gleichen Jahr wie der 1. Mai in Kreuzberg.

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