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Brandgefährlich. Viele der Flüchtlinge haben in Libyen auf dem Bau gearbeitet. Jetzt zimmern sie sich Hütten. Eine dauerhafte Unterkunft haben sie nicht.

© dpa

Flüchtlinge auf dem Oranienplatz in Berlin: Holzhütten sind illegal, aber niemand ist zuständig

Der Senat bezeichnet die Holzbuden der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz als illegal. Wie es nun weitergehen soll, bleibt aber weiter unklar. Denn auch Parlament und Polizei erklären sich für nicht zuständig.

Von
  • Sabine Beikler
  • Fatina Keilani

Bisher hatte die Untätigkeit des Bezirks Kreuzberg politischen Charakter, doch nun nähert sie sich der Rechtswidrigkeit. Unter den Augen des Bezirks errichten die Flüchtlinge weiter auf dem Oranienplatz Holzhütten – vermutlich, weil sie in drei Wochen das Caritas-Heim in der Residenzstraße verlassen müssen und vorbereitet sein wollen. Auf die Frage, was sie nun tun werde, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) dem Tagesspiegel am Mittwoch: „Gar nichts! Wir warten das Ende der Verhandlungen ab.“ Am Donnerstag zog sich die Bezirksspitze erst mal für zwei Tage zur Klausur über Personalführung nach Schmöckwitz zurück. Von dort meldete sich der zuständige Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) und nannte die Hütten „unzulässig“. Man dulde sie dennoch – in der Hoffnung, dass die Verhandlungen von Senatorin Dilek Kolat (SPD) bald zu Ende seien und die Zelte und Hütten mit Ausnahme eines Infostands verschwänden.

Das bedeutet, ein hohes Risiko in Kauf zu nehmen: Was passiert, wenn es auf dem Platz brennt? Es hat dort in den vergangenen Wochen immer wieder kleinere Feuer gegeben. Die Holzhütten dürften schnell abfackeln. Panhoff schätzt die Brandgefahr allerdings als „nicht so dramatisch“ ein, denn die Leute könnten ja sofort ins Freie treten, wenn etwas passiere. Die Hütten waren am Donnerstag auch Thema im Abgeordnetenhaus.

Wohnen nicht zulässig

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner wollte in der Fragestunde des Parlaments wissen, ob die „widerrechtlich errichteten Bretterbuden“ auf dem Oranienplatz der Bauordnung entsprechen. Für den Senat antwortete Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) ziemlich eindeutig: „Für diese Form der Buden braucht man keine Baugenehmigung.“ Sie seien „genehmigungsfrei“, allerdings müsse die Nutzung vom Grünflächenamt genehmigt werden, und Wohnen sei dort nicht zulässig.

Wansner antwortete, das würde „einem die Sprache verschlagen. Was gedenkt der Senat zu tun, um diesen illegalen Zustand abzustellen?“ Die Antwort von Müller: „Das Bezirksamt ist zuständig. Es ist in der Pflicht, etwas zu regeln.“ Zusätzlich gebe es die „begleitenden Gespräche des Senats“. Die Methode, sich gegenseitig die Zuständigkeit zuzuschieben, blieb also auch am Donnerstag unverändert.

Der Abgeordnete der Piraten, Christopher Lauer, wollte wissen, an wen sich Flüchtlinge wenden könnten, um zu erfragen, ob „das mit den Buden rechtsstaatlich in Ordnung“ sei. Müller antwortete erneut, der Bezirk sei zuständig. Sie könnten sich „vertrauenswürdig“ an den Baustadrat Hans Panhoff (Grüne) wenden.

Laut Feuerwehr hat sich bisher niemand für vorbeugenden Brandschutz interessiert. „Wenn die Bauaufsicht will, kann sie bei uns ein Gutachten in Auftrag geben, aber das hat sie nicht getan“, sagte Feuerwehrsprecher Sven Gerling am Donnerstag. In einem solchen Gutachten würden Fragen beantwortet wie: Sind im Brandfall genug Hydranten in der Nähe? Gibt es Möglichkeiten, die Bewohner der umliegenden Wohnhäuser schnell aus den Häusern zu holen? Wie berichtet, soll ein Brandgutachten bereits vor Gefahren wegen fehlender Fluchtwege warnen.

So rechtswidrig der Zustand auch ist: Selbst die Polizei erklärt sich für unzuständig. „Wir sind erst bei unmittelbarer Gefahr zuständig, oder wenn das Bezirksamt uns im Wege der Amtshilfe bittet“, erklärte Polizeisprecher Stefan Redlich.

Bis Ende März im Caritas-Heim

Die betroffenen Menschen wohnen derzeit großteils in einem Caritas-Heim in der Residenzstraße, müssen aber Ende März ausziehen. Wie es dann weitergeht, ist noch unklar. „Wir sind im Gespräch mit der Sozialverwaltung und hoffen auf eine Anschlusslösung“, sagte Caritas-Sprecher Thomas Gleißner. 80 Personen hat die Caritas in ihrem Heim Zum Guten Hirten aufgenommen, 38 weitere kamen in einer anderen Einrichtung in Marienfelde unter.

Die Sozialverwaltung von Senator Mario Czaja (CDU) möchte sich aber nicht in die Pflicht nehmen lassen. „Vor dem Winter haben wir aus humanitären Gründen mithilfe der Caritas für eine Unterbringung gesorgt“, sagte Sprecherin Regina Kneiding. „Eigentlich sind wir für die Flüchtlinge nicht zuständig.“ Das ist überhaupt der häufigste Satz dieser Tage, wenn es um den Oranienplatz geht.

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