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Bodo Wartke.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kabarettist und Schauspieler: Bodo Wartke: 20 Jahre große Kleinkunst

„Kabarett in Reimkultur“ macht Bodo Wartke, am Klavier, mit Orchester, als Schauspieler. Der Wahl-Kreuzberger füllt damit problemlos große Häuser – im September etwa mehrmals den Admiralspalast.

„Ich hätte gerne eine Packung Kaffee“, sagt der Kunde. „Lieber so nussig-schokoladig oder eher fruchtig?“, fragt der Verkäufer. „Nussig-schokoladig.“ „Espresso oder Kaffee?“ „Kaffee.“ „Gemahlen oder ganze Bohnen?“ „Gemahlen, bitte.“ „Was haben Sie denn für eine Maschine? Filter oder…“

Eine alltägliche Szene an einem Mittwochmittag in einem Kreuzberger Café – aber gleichzeitig sehr komisch, weil genau dieser Kunde ein Lied unter anderem darüber geschrieben hat, wie kompliziert es ist, in Berlin Kaffee zu bestellen. Das Lied heißt „Probleme, die ich früher noch nicht hatte“ und wurde allein auf Youtube bisher weit über eine Million Mal angeklickt; der Kunde heißt Bodo Wartke, ist 38 Jahre alt, seit vielen Jahren Kreuzberger und – ja, was eigentlich?

In seinem Programm „Swingende Notwendigkeit“ singt Wartke zur Begleitung eines ganzen Orchesters.
In seinem Programm „Swingende Notwendigkeit“ singt Wartke zur Begleitung eines ganzen Orchesters.

© Imago Stock&People

Klar, Kleinkünstler, aber was heißt das schon, wenn da zum einen der Klavierkabarettist ist, der gerade zwanzigstes Bühnenjubiläum feiert, bekannt durch Lieder „überwiegend über Liebe übrigens“, aber auch über… Doch dazu gleich mehr. Wobei Klavierkabarettist auch zu kurz greift bei einem, dessen Texte neben ihrem klamaukigen bis tiefgründigen Inhalt durch Wortspiele und unmöglich geglaubte Reime überraschen, bei einem, der neben dem Flügel auf der Bühne auch noch Mundharmonika, Ukulele und das südamerikanische Perkussionsinstrument Cajón bedient, um nur ein paar zu nennen.

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Da sind wir auch schon, zweitens, bei dem Mann, dem alle diese Instrumente nicht auszureichen scheinen und der daher regelmäßig mit dem 16-köpfigen „Capital Dance Orchestra“ und seinem Programm „Swingende Notwendigkeit“ auf Tour geht, dann auf der Bühne tanzt, oder vielmehr alle seine Gliedmaßen weit von sich wirft, was aber merkwürdigerweise gut aussieht, und dabei seine Lieder singt. Und dann ist da noch, zum Dritten, der Dichter und Schauspieler, der als Gymnasiast die Idee hatte, die Sophokles-Tragödie „König Ödipus“ auf verständlich und witzig umzuschreiben, und der auf der Bühne selbst alle 14 Rollen übernimmt, von der Sphinx über den Priester bis zum tragischen Titelhelden selbst.

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Wer ihn in eine Schublade stecken wolle, brauche eine ganze Kommode, sagt Wartke über Wartke, und diese Kommode steht Ende September im Admiralspalast: Los geht’s am Freitag mit dem Klavierkabarett-Programm „Was, wenn doch?“, es folgen am Sonnabend „König Ödipus“ und am Sonntag „Swingende Notwendigkeit“. Schon ein halbes Jahr vorher ist absehbar, dass es voll wird an der Friedrichstraße; viele Gäste werden das „3-in-1“-Ticket in der Tasche haben und sich den ganzen Bodo-Wartke-Marathon am Stück geben – auch wenn Wartke selbst sagt, es fühle sich zumindest für ihn nicht wie ein Marathon an, immerhin könne er ja im eigenen Bett schlafen. „Total krass“ findet er dagegen: „Viele kommen tatsächlich von sonstwo und gucken sich alle drei Programme an.“

In Berlin sang Wartke bei Studentenprotesten - und entdeckte sein Talent

Wie er das erzählt, sich mit der Hand durch die Haare fährt (die davon am Ende des Gesprächs wild in alle Richtungen abstehen werden), dann an seinem Latte Macchiato nippt, mit Wollpulli und brauner Kordhose, erinnert er weniger an den „Kavalier am Kalavier“, der wahlweise im weißen oder im grau-karierten Anzug seine Lieder präsentiert, sondern eher an den Studenten Bodo Wartke, der Ende der Neunziger nach Berlin kam. Aber auch der hatte auf Anhieb jede Menge Zuhörer: Im zweiten Semester machte Wartke bei den Studentenprotesten mit, schrieb Lieder und spielte sie auf den Kundgebungen auf dem Wittenberg- oder dem Alexanderplatz vor zehntausenden Studenten. „Es fühlte sich an wie Woodstock“, sagt Wartke, und führte zu einer Erkenntnis: „Ich habe im Grunde nur das gesungen, was alle bewegt hat. Da habe ich gemerkt: Hier liegt mein Talent und meine Wirksamkeit, das ist etwas, das ich ganz gut kann.“ Und er brach das Physikstudium ab.

Stattdessen begann er mit Musik auf Lehramt an der UdK, „weil ich dachte, da hast du was Sicheres in der Hinterhand, eine abgeschlossene Berufsausbildung“ – und ließ es ein paar Semester später auch wieder bleiben. Auslöser dieses Mal: eine Sehnenscheidenentzündung. Denn da war er schon lange nicht mehr nur Musikstudent, sondern eben auch Klavierkabarettist, sang in ganz Deutschland das Klagelied des unterwürfigen Mannes „Ja, Schatz“ („Das kann doch gar nicht sein, ich meine nein und sage ja, / das war schon immer mein Problem, auch damals vorm Altar“) und dichtete Reime wie: „Wie ‘n Gewitter ritt der Ritter mit der Lanze los“.

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Bis der Punkt kam, „da ging nicht mehr beides. Da war ich am Wochenende auf Tour, kam am Montag mit dem ersten Zug zurück, bin in die Uni, hab mir drei Seminare reingepfiffen, abends in die Übzelle für den Unterricht am nächsten Tag… Ich war heillos überfordert. Da kam die Sehnenscheidenentzündung, als wollte mein Körper mir sagen: ‚So, mein Freund, du kannst gerne weitermachen wie bisher, nur ohne mich.‘“

"In Berlin werde ich nicht angeschaut wie ein Außerirdischer"

Zwei Studiengänge abzubrechen, um am Ende vom Klavierspielen und Singen zu leben, war kein Masterplan, sagt Wartke, aber eigentlich tat er ja schon seit Jahren nichts anderes. Ein paar Monate lang moderierte er eine Variété-Show im Chamäleon, verdiente „jeden Abend 50 oder 100 Mark“ – und das reichte für die Miete in der Ein-Zimmer-Hinterhaus-Wohnung in Wedding mit Kohleofen, die erste in einer langen Reihe von Berliner Unterkünften, bis er vor 13 Jahren in Kreuzberg landete und sich seither angekommen fühlt. Als jemand aus der norddeutschen Provinz war ihm klar, was er an Berlin hat: „Hier kann ich mal endlich in Ruhe ich sein, ohne dass das ein Problem ist für meine Eltern oder meine Mitmenschen, und werde nicht angeschaut wie ein Außerirdischer. Das fand ich von Anfang an einfach entspannend und erleichternd.“

Für seine Mutter waren Künstler „mittellos, verarmt, kriminell, drogensüchtig und schwul“, und sein Vater fürchtet heute noch um seinen Sohn, erzählt Wartke: „Der sagt: Irgendwann geht das schief, das kann gar nicht klappen“. Nach einigen Live- und Studioalben, DVDs, vielen hunderten Auftritten mit verschiedensten Programmen und mit dem Status eines „Geheimtipps, zu dem überraschend viele Leute kommen“ darf man wohl sagen: Doch, es klappt. „Ich glaube“, sagt Wartke, „dadurch bin ich eine Provokation für viele Menschen.“

Jede Menge Ideen: Ein neues Theaterstück, ein Solo-Programm, ein Band-Programm...

Für die vielen Menschen, die denken wie sein Vater, hat Wartke letztes Jahr ein Lied geschrieben: „Das falsche Pferd“, über Monate in der deutschen Liederbestenliste. Es fängt so an: „Stell Dir vor, wir Menschen würden von nun / an nur noch Dinge tun, die wir wirklich gerne tun, / sprich: aus Liebe handeln, und fortan / all das lassen, / was wir hassen / was wäre dann?“ Dann, das glaubt Wartke, würden die Architektur, die Medien, die Werbung, einfach die ganze Welt besser. Und allen, die sagen, eine solche Welt könne es nicht geben, hält er entgegen: „Was, wenn doch?“ Eine Frage, die für ihn eine Antwort ist, wiederum auf die Frage: „Was, wenn’s nicht klappt?“ Denn: „Dass es nicht klappt, ist immer nur eine von zwei Möglichkeiten.“

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Es ist mal wieder ein neuer Ton von einem, den bisher viele Menschen vor allem dadurch kannten, dass er in mehr als 80 Sprachen und mit mehr als 700 Frauennamen Liebeslieder singen kann – obwohl er auch bisher schon in jedem Programm irgendetwas Neues probiert hat. Den Glauben daran, dass es klappen kann, kann er wohl auch weiterhin ganz gut gebrauchen, die Liste seiner Ideen ist lang: das Theaterstück „Antigone“ als Nachfolger zum Ödipus (aktuell zur Hälfte fertig geschrieben), ein neues Solo-Programm, ein Band-Programm, und dann gibt es noch eine Idee: „Ich überlege, mal den Text einer Oper umzuschreiben. Viele Opern haben ja einen völlig bescheuerten Text, unklar, redundant, schlecht gereimt. Aber was würde dabei rauskommen, wenn man die Zauberflöte komplett umschreibt, beziehungsweise verbessert?“

Gut möglich, dass die Kommode bald noch mehr Schubladen braucht.

Restkarten für die drei Konzerte vom 23. - 25. 9. im Admiralspalast: www.bodowartke.de/tour

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