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Hau ruck. Matthew Minch beim Pie-Machen an der manuellen Presse. Ehe der Deckel draufgesetzt wird, kommt die Füllung in die Form.

© Thilo Rückeis

Kreuzberg kulinarisch: Irische Pies für Berlin

Der Ire Matthew Minch macht Pie, das Nationalgericht seiner Heimat, in Berlin zu Streetfood. Die Füllung erfindet er einfach neu.

Von Susanne Leimstoll

Eine prima Pie zu machen ist nicht einfach. Man fertige eine Art Blätterteig mit dick Butter drin, so bleibt er saftig und ist doch perfekt aus der Backform zu lösen. Die Ragoutfüllung bitte nicht wässrig, damit der Teigtiegel nicht durchmatscht, nicht mal, wenn er, schockgefroren, aufgetaut und dann erst gebacken wird. Die Temperatur muss stimmen, damit das Gebilde nicht im Ofen explodiert, und der Deckel braucht Löcher, damit es die Teighaube nicht bläht ...

Matthew Minch, 29, in Dublin geboren, musste das, obwohl gelernter Koch, alles erst rausfinden. „Trial and error“, sagt der lange Blonde mit einem kleinen Grinsen. Pie im großen Stil hatte ihm keiner beigebracht. Doch die Idee ließ ihn nicht los. Als er ohne große Ersparnisse im Internet die Maschinen dafür bestellt hatte, wurde ihm vor so viel Mut erst mal ganz schlecht. Es folgten: ein halbes Jahr Rumprobieren, unzählige Fehlversuche und Momente, in denen er am liebsten bye-bye, pie! gesagt hätte. Jetzt schmort und bäckt Matthew Minch am laufenden Band. „Hello Good Pie“ heißt seine kleine, kaum zwei Jahre alte Manufaktur, und im Juli will er in Kreuzberg, nicht weit vom Görlitzer Park, auf 43 Quadratmetern einen eigenen Laden eröffnen.

Matthew Minch glaubt, er hat mit Berlin die richtige Stadt erwischt, wo sich junge Menschen geschäftlich ausprobieren können. Und den perfekten Zeitpunkt: „Die Streetfood-Szene entwickelt sich jetzt erst so richtig.“ Menschen, die keine Zeit für lange Pausen haben, wollen was Wohlschmeckendes auf die Schnelle und sind neugierig auf Neues jenseits von Currywurst und Burger.

Pie, das Nationalgericht, das in Minchs irischer Heimat mitten auf den großen Tisch kommt, damit jeder seinen Löffel im Fleischragout unterm Knusperteig versenken kann, erschien ihm das Richtige für den deutschen Geschmack.

Pie, das irische Nationalgericht.
Pie, das irische Nationalgericht.

© Thilo Rückeis

Er begann, neue Füllungen zu entwickeln: zur Weihnachtszeit Entenkeule, Rotkohl, Maronen, zum Herbst Schweinefleisch und Wirsing, Currys für jede Jahreszeit, für den mediterranen Geschmack Ratatouille mit Ziegenkäse, für Allergiker glutenfreie Pie. Matt fand Mitstreiter wie Ramon, den baskischen Koch, oder Saro, den Alleskönner aus Italien. Zu Beginn orderten ein paar Cafés die tiefgekühlten, vakuumierten 240-Gramm-Pies, die in zehn Minuten erwärmt und serviert werden können, dann Restaurants, Hostels, Büros, Messen. Minch bekam reihenweise Zusagen für Berliner Straßenfeste. Beim Beer-and-Beef-Festival Friedrichshain heute und morgen bietet er Pie mit geschmorten Ochsenbäckchen, er verkauft im „Bite-Club“ auf der Hoppetosse, beim Karneval der Kulturen, beim schwul-lesbischen Stadtfest. Auf den „Street Food Thursday“ in der Markthalle Neun ist er abonniert.

Er und sein kleines Team stehen oft 16 Stunden in der Schöneberger Großküche des Caterers Food Pol, produzieren 1500 Pies die Woche. Zweimal pro Pie muss man den Hebel der manuellen Presse mit Kraft drücken – für die Teigschale und, mit neuem Aufsatz, für den Deckel. Reggae hören hält bei Laune. 80 Pies gehen auf einmal in den Ofen, zig Kilo Rindernacken und -schulter schmoren mit Möhren, Sellerie, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Thymian, Rosmarin, Tomaten und acht Litern Guinness pro Kessel allein für die klassische Füllung „Steak and Guinness“, eine Art Rindergulasch.

Im eigenen Laden will Matt die Pie-to-go mit Beilagen wie Salat oder Püree verkaufen, für um die sechs Euro, außerdem gefroren und eingeschweißt für zu Hause. Aber man soll sie bei ihm auch frisch essen können, im „Pie-Room“, am langen Tisch – wie zu Hause in Dublin.

Informationen im Internet unter www.hellogoodpie.de

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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