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Demonstrativ. So machte sich der Protestzug auf den Weg, wurde aber weit vorm Wohnhaus des Senators gestoppt.

© Björn Kietzmann

Update

Nach Auflösung des Camps am Oranienplatz: 300 Demonstranten vor "Henkels Hütte"

Auch wenn der Oranienplatz nun eigentlich geräumt ist, reißen die Proteste nicht ab. Napuli Langa verbringt offenbar auch diese Nacht in der Platane. 300 Demonstranten statteten Henkel einen Besuch vor seinem Wohnhaus ab - und drohten mit Abriss.

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Kurz vor 20 Uhr wird es vor der Haustür des Berliner Innensenators Frank Henkel (CDU) wieder leiser. Die Demonstranten, die ihm mit dem Abriss seines Hauses drohen, ziehen langsam ab. Sie machen ihn für die Räumung des Flüchtlingscamps am Oranienplatz in Kreuzberg verantwortlich. Unter dem Motto „Henkel, jetzt reißen wir dir die Hütte ab“ wollten linke Demonstranten „Henkel stoppen“. Die Demonstration war für 18 Uhr angemeldet, rund 300 linke und antifaschistische Demonstranten zogen dann vom Antonplatz in Weißensee über die Berliner Allee und die Pistoriusstraße in Richtung des Wohnhauses von Henkel. Doch bis dahin kamen sie nicht. 500 Polizisten bewachten die Demonstration, eine Einsatzgruppe sperrte den Zugang zur Straße ab.

Henkel hat für den Abend ohnehin andere Pläne außer Haus: Er nimmt am Nachmittag an der BER-Aufsichtsratssitzung teil. Zum Heimspiel in die Alte Försterei gegen den 1. FC Köln hat es Union-Fan Henkel daher vermutlich nicht geschafft. Der Aufsichtsrat plante eine Marathonsitzung bis mindestens 22 Uhr.

Napuli will noch länger auf der Platane bleiben

Die Demonstrantin in der Platane am Oranienplatz harrt derweil weiter aus. Napuli Langa hatte die Nacht zu Freitag gut überstanden, auch wenn das rechte Bein vom Sitzen in der Baumkrone schmerzt. Eine Wärmflasche schützte sie vor der Kälte, die Unterstützer von der anderen Seite der Oranienstraße versorgen sie auch Nachts noch mit Tee und Fruchtsaft.

Der Hungerstreik in der Baumkrone zehrt an den Kräften von Napuli Langa.
Der Hungerstreik in der Baumkrone zehrt an den Kräften von Napuli Langa.

© dpa

Mitunter lässt sie einen Eimer die rund vier Meter herunter, er wird geleert und wieder nach oben gereicht. Einige Menschen rufen ihr zu, sie solle doch herunterkommen, zu ihrer eigenen Sicherheit. Unten am Boden liegen auch Freitagnacht diese dicken blauen Weichbodenmatten aus einer Turnhalle.

Seit mehr als drei Tagen sitzt die 25-jährige Sudanesin in einen Schlafsack gehüllt in einer Platane am Oranienplatz. Wenn es nach Langa geht, wird sie noch einige Zeit hier verbringen – „das ist doch meine neue Heimat“, sagt sie und muss ein bisschen schmunzeln.

Die Verständigung mit Langa läuft nur per Zuruf oder Zettelpost, denn die Platane wird sorgfältig abgeschirmt. Das Bezirksamt hat die Grünfläche, auf der bis vor ein paar Tagen Bretterbuden und Zelte standen, mit Gittern abgesperrt. Vorgeblich nicht, um Langa zu isolieren – sondern um die Grünfläche zu schützen. „Bitte betreten sie die eingezäunte Fläche nicht, damit sich der neu ausgebrachte Rasen entwickeln kann“, steht auf einem Schild am Gitter. Davor stehen Polizeibeamte und schicken alle weg, die zu Langa wollen. Die Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma nehmen aber Plastiktüten mit Verpflegung und warmer Kleidung entgegen und reichen sie hoch.

Sechs weitere Flüchtlinge im Hungerstreik

Gegen zwölf Uhr beginnt sie, Stretchingübungen in der Baumkrone zu machen. Polizeisprecher Stefan Redlich sagt Freitagabend, das Verwaltungsgericht habe dem Ersuchen eines Bürgers, den Staat zu verpflichten, die Frau mit Lebensmitteln zu versorgen, nicht stattgegeben. Die Polizei gestatte das aber „aus humanitären Gründen“.

Auf der anderen Seite der Oranienstraße, an der Mahnwache, halten schon am Freitagvormittag etwa 20 Leute und ein Schäferhund die Stellung. Außer den Unterstützern haben hier sechs weitere ehemalige Bewohner des Protestcamps ihr Lager aufgeschlagen. Sie schlafen unter freiem Himmel und verweigern feste Nahrung: Ein Hungerstreik. Es sind diejenigen, die nicht auf das Angebot von Integrationsenatorin Dilek Kolat eingegangen sind. Diejenigen, die das Camp gegen ihren Willen verlassen mussten. Abby Damorila aus Uganda ist einer von ihnen: „Wir bleiben hier, bis auf unsere Forderungen eingegangen wird“, sagt er – sie wollen, dass Kolat erneut zu Gesprächen zum Oranienplatz kommt. Solange wollen sie auf dem kalten Boden ausharren – unter den Augen mehrerer Dutzend Polizeibeamter, die locker über den Platz verteilt stehen.

Nach den teils heftigen Auseinandersetzungen der letzten Tage ist am Freitagmittag alles ruhig. Im Lager freut man sich über einen Brief, der gerade vom Baum herübergebracht wurde. „No more blabla“, schreibt Napuli Langa und fordert, dass die übrig Gebliebenen ein Zelt oder eine Wohnung am Oranienplatz erhalten soll. Irgendwie ist dieser Fleck Kreuzberg für die Flüchtlinge doch zur Heimat geworden.

Nach der Räumung des Oranienplatzes hatten wie berichtet zwei Mitglieder der Jungen Union (JU), ein Plakat mit den Worten „Danke Frank!“ hochgehalten. Damit meinten sie Innensenator Frank Henkel. Die beiden jungen Christdemokraten wurden mit Frotzeleien, Häme und Parodien im Internet konfrontiert. Der CDU-Generalsekretär Kai Wegner sagte, die JU sei eine Jugendorganisation und dürfe „damit unkonventionelle Wege gehen“. Auch wenn man nach ihrer Aktion zu unterschiedlichen Bewertungen kommen kann, halte er die „heftige und zum Teil boshafte Kritik für überzogen und unangemessen“.

Henkel wollte sich weder zu dem Foto noch zu der am Freitagabend geplanten Demonstration am Antonplatz in Weißensee nahe seines Wohnhauses äußern.

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