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Zwei Wahlplakate hängen an einer Laterne am Südstern: Oben das des bayerischen Lokalpolitikers Georg Strobl von der Bayernpartei, darunter das des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele.

© privat

Wie die Bayernpartei nach Kreuzberg kam: Strobl statt Ströbele

Jahrelang tauchte in Kreuzberg im Wahlkampf ein Plakat der Bayernpartei auf - mit einem Kandidaten Strobl. Aber der ist nie bei einer Wahl in Berlin angetreten. Jetzt hat sich ein Spaßguerillero zu der Aktion bekannt.

Norbert R. (Name ist der Redaktion bekannt) ist ein politischer Agent Provocateur. Jahrelang wirkte er im Verborgenen, im Untergrund der Kreuzberger Spaßguerilla, wenn man so will. Sein heimlicher Komplize: der bayerische Kommunalpolitiker Georg Strobl. Das Tatwerkzeug: Ein Wahlplakat mit dem Konterfei des ehemaligen Bezirkskandidaten der Bayernpartei. Wann immer in den vergangenen zehn Jahren in Berlin gewählt wurde, tauchte das Wahlplakat in Kreuzberg auf. Immer an derselben Stelle, auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Südstern, bevorzugt an einem Laternenmast, an dem schon ein Plakat des Kreuzberger Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele hing, der Namensgleichheit wegen: Strobl statt Ströbele. Kandidiert hat Georg Strobl nie in Berlin – und von der Plakataktion vermutlich niemals erfahren.

Jetzt hat sich Norbert R. dem Tagesspiegel gegenüber in einer E-Mail zu seiner Politblödelei bekannt. Sein Strobl-Wahlplakat hatte er vergangene Woche in der Satire-Kolumne der Sonnabendbeilage MEHR BERLIN auf einem Foto wiederentdeckt, abgestellt am Kreuzberger Straßenrand und etwas ramponiert. Inzwischen ist es ganz verschwunden.

Schade, findet Norbert R. "Eigentlich hatte ich nach dem Verschwinden des Plakates gehofft, der neue Besitzer würde die von mir eingeführte Tradition fortführen und es bei der nächsten Wahl wieder zum Einsatz bringen und sei es an einem anderen Platz in Kreuzberg oder sonstwo in Berlin."

Bei Nacht und Nebel kam der Kandidat Strobl an die Laterne

Begründet hatte R. die Tradition bei der Bundestagswahl 2005. Das Plakat hatte er zwei Jahre zuvor am Abend der Landtagswahl 2003 in Bayern als Andenken mitgenommen. "Überall grüßte mich der Herr Strobl von den blau-weißen Plakaten, und ich dachte mir, der würde auch in Berlin eine gute Figur machen. Kurz entschlossen packte ich ein Plakat in den Kofferraum und schaffte es in meine Wohnung in Kreuzberg." Dort blieb es zunächst im Flur hängen – bis zum Einsatz im Straßenwahlkampf 2005. "Bei Nacht und Nebel hängte ich Herrn Strobl an eine Laterne auf dem Platz am Südstern, wobei ich besonders reizvoll fand, dass die anderen Laternen alle von Herrn Ströbele besetzt waren."

Die Plakataktion wurde zum Erfolg, auch wenn für den Kandidaten Strobl keine zählbaren Stimmen abgegeben werden konnten. „Viele meiner Freunde kamen, um die lustige Installation zu bewundern und zu fotografieren, und wir hatten viel Spaß bei der Beobachtung der Reaktionen der Passanten“, schreibt R. in seiner E-Mail an den Tagesspiegel. „Erstaunlicherweise blieb das Plakat bis zum Wahltag hängen und ich konnte es am Abend unversehrt wieder abhängen. Seither hat Herr Strobl an jeder Bundestagswahl und an jeder Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin teilgenommen, immer an derselben Laterne, bis er in der letzten Wahlnacht am 22. September 2013 endlich verschwand.“

Der Verbleib des Wahlplakats ist ungeklärt. Und auch Georg Strobl war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ob es den Mann mit dem bayerischen Filzhut, der im fernen Bad Tölz-Wolfratshausen als Kreisrat für die Bayernpartei aktiv ist, irgendwann auf die politische Bühne nach Berlin zieht, ist unwahrscheinlich. Aber in Kreuzberg ist ja nichts unmöglich.

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