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Gegenüber vom geräumten Flüchtlingscamp, auf der anderen Seite des Oranienplatzes, protestieren weiterhin Menschen. Drei von ihnen befinden sich im Hungerstreik.

© dpa

Nach der Räumung des Flüchtlingslagers: So geht es weiter am Oranienplatz

Am Oranienplatz verlegt eine Gärtnerkolonne Rollrasen, drei Flüchtlinge setzen ihren Hungerstreik fort, die Polizei wartet ab. Und auf den Bezirk wartet noch eine Rechnung.

Was passiert am Oranienplatz?

Er ist wieder grün und freundlich. Am Montag begann eine Gärtnerkolonne des Bezirksamtes, Rollrasen auszulegen. Noch ist die Anlage allerdings eingezäunt, damit der Rasen in Ruhe anwachsen kann. Der Platz, auf dem eineinhalb Jahre lang Flüchtlinge campierten, ist dennoch kaum wiederzuerkennen. Nur der kleine Infocontainer auf der Südseite erinnert noch an das selbstgezimmerte Lager und die kleine Mahnwache der nach eigenen Angaben Hungerstreikenden auf der Nordseite.

Warum ist die Polizei noch vor Ort?

Die Beamten überwachen, dass „nur demonstriert, aber nicht campiert wird“, wie ein Sprecher sagt. Der Unterschied ist bis ins Detail geregelt. So dürfen Schlafsäcke nur benützt werden, wenn sie offen sind. Das Schließen ist laut Versammlungsrecht verboten. Ein neues Camp will der Bezirk auf jeden Fall verhindern, er hat bei der Polizei ein entsprechendes Vollzugshilfeersuchen gestellt. Etwa acht Mannschaftswagen standen am Montag auf dem Platz, die meisten Beamten dösten in ihren Fahrzeugen.

Wird noch demonstriert? 

Ja. Drei Hungerstreikende waren am Montagvormittag auf dem Platz und kämpften mit der Nässe. „Wir sind fast weggeschwommen in der Nacht“, sagte Turgay, einer der Wortführer der Flüchtlinge. Wie lange sie durchhalten wollen? „Bis unsere drei Forderungen erfüllt sind.“ Bislang ist nur der einfachste Punkt erfüllt, nämlich der Infocontainer. Die anderen beiden Forderungen sind, vorsichtig gesagt, komplizierter zu erfüllen: eine Änderung des Asylrechts und eine Sicherung der Gerhart-Hauptmann-Schule für Flüchtlinge.

Was macht Napuli Langa?

Die letzte Baumbesetzerin hatte die Platane auf dem Oranienplatz am späten Samstagabend freiwillig verlassen. Das Spezialeinsatzkommando war bereits vor Ort, musste aber nicht eingreifen. Da es nicht verboten ist, auf einem Baum zu sitzen, gibt es kein Ermittlungsverfahren. Das Landeskriminalamt ermittelt aber weiterhin wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von 34 000 Euro Spendengeldern gegen zahlreiche Personen – darunter auch Langa.

Wer zahlt für die Entsorgung der Bretterbuden und Zelte? 

Zahlen wird der Bezirk. Die BSR schreibt gerade die Rechnung. 440 Kubikmeter Müll wurden mit dutzenden Lkw-Fuhren von der Stadtreinigung abgefahren, zudem mit speziellen Fahrzeugen große Mengen Elektrogeräte. Wie hoch die Rechnung sein wird, ist unklar. Privathaushalte zahlen für fünf Kubikmeter 50 Euro. Der Bezirk soll es aber günstiger bekommen.

Wie viele Zelte wird es künftig geben?

Das ist noch umstritten. „Ich sehe keine zukünftigen Zelte“, sagt Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Dieser Aussage steht der handgeschriebene Zettel entgegen, den Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) Baumbesetzerin Langa hinaufreichen ließ, um sie zur Aufgabe zu bewegen: „Es ist sichergestellt, dass im Rahmen der bereits erteilten Sondergenehmigung des Bezirks neben dem Infopoint auch ein Pavillon für Veranstaltungen und Versammlungen (analog zum Zirkuszelt) aufgebaut wird.“

Diese Zeilen waren mit dem Bezirk offensichtlich nicht abgesprochen. Laut Herrmann wurde im Dezember vom Bezirk nur eine Genehmigung für einen „Infopoint“ auf dem Oranienplatz erteilt. Im „Einigungspapier Oranienplatz“ ist von einem „Infozelt“ die Rede. Die Baumbesetzer, anfangs waren es fünf, hatten unter anderem die Wiederaufstellung des Zirkuszeltes gefordert. Dort hatten die Flüchtlinge ihre Pressekonferenzen abgehalten. Kolat wies dennoch den Eindruck zurück, sie sei den Baumbesetzern in dieser Frage entgegengekommen.

Pavillon? Infozelt? Infopoint? Zirkuszelt? In der Praxis gibt es zu diesen Begriffen wohl erhebliche Ermessensspielräume. Am Dienstag ist in Friedrichshain-Kreuzberg Bezirksamtssitzung. Dann werde man über die offene Zeltfrage diskutieren, sagt Herrmann.

Wie geht es in der besetzten Schule weiter?

Niemand weiß derzeit genau, wie viele Menschen in der besetzten Schule wohnen. Vermutet werden rund 200. Ihr Status soll in den nächsten Tagen in Gesprächen mit Bezirk und Senat geklärt werden. „Ein langwieriger Prozess“, sagt Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Viele Flüchtlinge möchten aus Angst vor Abschiebung ihre Identität nicht preisgeben. Unter den Bewohnern sind auch Roma-Familien. Viele sprechen „hervorragend französisch“, sagt Langenbach. Vermutlich seien unter ihnen „Sarkozy-Opfer“, also Roma, die aus Wohnplätzen in Frankreich vertrieben wurden.

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