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Grüner Parteitag: Die Mitglieder diskutierten am Samstag am Tegeler See.

© dpa

Flüchtlingspolitik in Berlin-Kreuzberg: Das Murren der Grünen wird lauter

Viele der Berliner Grünen sind unzufrieden mit Kreuzbergs Flüchtlingspolitik. Nur offen diskutiert wird das nicht - auch nicht auf dem Grünen-Parteitag. An der Gerhart-Hauptmann-Schule zeigt ein Verbot unterdessen Wirkung.

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Kreuzberg, Grüne und das Flüchtlingsproblem – am liebsten würde die Partei dieses Tabu-Thema totschweigen. Eine offene Diskussion über das Verhalten der Grünen im Bezirk, über das Handeln der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) findet nicht statt. Doch das „Murren“, wie ein langjähriger Grünen-Politiker auf dem Landesparteitag am Sonnabend sagte, wird lauter. „Monika Herrmann nimmt uns alle mehr und mehr in Mithaftung.“ Das könne nicht sein, denn es seien im Bezirk „viele Fehler“ im Umgang mit der Gerhart-Hauptmann-Schule und dem Camp am Oranienplatz gemacht worden.

Der neue Ärger an der Gerhart-Hauptmann-Schule führte, wie berichtet, zu einem weiteren Schlagabtausch zwischen Herrmann und Innensenator Frank Henkel (CDU). Herrmann sagte, die Polizei könne die Schule auch ohne den Bezirk räumen. Das wies Henkel scharf zurück. Rechtlich sei das abwegig, und er wisse nicht, an welchen „Rechtsstaat“ Herrmann dabei denke. Doch solange sie „schützend ihre Hände über diese Schule“ halte, seien der Polizei die Hände gebunden. Henkel forderte Herrmann auf, diese „Sonderrechtszone“ endlich aufzulösen. „Das kriegt Henkel geschenkt“, sagte Herrmann am Samstag am Rande des Landesparteitags dem Tagesspiegel. Sie war eine von 110 Delegierten. Mit seinen Worten wolle Henkel „ablenken vom Chaos des Landes in der Flüchtlingsfrage“. Sie warte auf die Vorlage eines Flüchtlingskonzepts des Senats. In der Schule leben zurzeit 45 Menschen, darunter 30 Flüchtlinge. „Für die Menschen sind das Besetzen und Einigeln in der Schule keine Zukunftsoption“, sagte Herrmann. „Zu gegebener Zeit wird auch über eine Räumung diskutiert werden.“ Wann und unter welchen Bedingungen ließ die Grünen-Politikerin offen. Sie habe die „Zuständigkeiten“ geändert und sei nun „fachlich“ dafür verantwortlich, dass in der Schule auch das geplante Flüchtlingszentrum eingerichtet wird. Vor den Delegierten übte Herrmann aber auch Kritik an den Unterstützern. Diese „ewigen Versprechen“ gegenüber den Flüchtlingen seien unredlich.

Wie soll Herrmann „aus dieser Nummer rauskommen“

„Wenn die Bürgermeisterin die politische Verantwortung jetzt an sich zieht, muss auch mal was passieren“, forderte eine Grünen-Politikerin. Es könne nicht sein, dass „alles, was an grüner Politik in anderen Bezirken läuft, von der grünen Kreuzberger Flüchtlingspolitik überschattet wird“. Dass man Grünen-Stadtrat Hans Panhoff „im Regen stehen ließ“, kritisieren fast alle Grüne. Der Ex-Hausbesetzer machte bei einer Sitzung des Bezirksamtes etwas Außergewöhnliches: Er traf eine Entscheidung, übernahm Verantwortung und bat die Polizei um Räumung der Schule. Das war vor drei Monaten.

Immer noch leben Menschen in der Schule. In der Partei kristallisiert sich die Meinung heraus, dass „man mit den Leuten, die in der Schule wohnen, keinen Konsens findet“. Wie solle Herrmann „aus dieser Nummer rauskommen“, fragt sich eine Grüne.

Der Ärger bei den Grünen über die Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg zeigt sich auch im Umgang mit dem Görlitzer Park. Herrmann will legale Shops für Cannabis beantragen und hofft, dass sich dadurch der Drogenumschlagplatz Görlitzer Park befrieden lässt.

Brüskierte Bürgermeisterin verbietet "Tag der offenen Tür"

Während die Grünen also in Tegel diskutierten, hatte eine Anordnung der Bezirksbürgermeisterin Herrmann bei den Flüchtlingen in der Hauptmann-Schule in Kreuzberg Wirkung gezeigt. Vor Tagen war kein Flüchtling zu einem Gespräch mit dem Bezirksamt erschienen. Die brüskierte Bürgermeisterin verbot den etwa 45 Menschen in der Schule daraufhin einen geplanten „Tag der offenen Tür“ am Sonnabend ab 13 Uhr. Die Verbotsverfügung hatte das Bezirksamt mit Paketband am Tor zur Schule befestigt. Wie immer war dieses durch ein stabiles Schloss gesichert, dahinter patrouillierten wie seit Monaten ein halbes Dutzend Wachschützer.

Eine Handvoll Sympathisanten war gekommen, sie hatten die Aufrufe auf linken Internetseiten und sozialen Medien gelesen. Für sie standen neun Mannschaftswagen der Polizei bereit, die Hundertschaft bekam aber nichts zu tun. Aus dem Gebäude kamen ab und zu Flüchtlinge heraus, vom Tag der offenen Tür redeten sie nicht. Offiziell wurde das Verbot mit fehlenden „Fluchtwegen, Sanitäreinrichtungen, Brandschutz und Lärmschutz“ begründet. Für diesen Tag hatte der Bezirk sogar die bisherige Regelung aufgehoben, dass jeder Bewohner drei Besucher empfangen darf: Niemand sollte einsickern. Am Nachmittag wollte die linke Szene gegen die Flüchtlingspolitik und „staatliche Repression“ demonstrieren.

Am Sonntag, dem 12. Oktober 2014, 14 Uhr, findet die 19. Kunstauktion zugunsten von Projekten für Migranten und Flüchtlinge in der Heilig-Kreuz-Kirche, Zossener Straße 65, in Berlin-Kreuzberg statt. Unter der Leitung des Auktionators Fares Al-Hassan kommen rund 100 gespendete Werke zur Versteigerung.

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